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Die Arbeiter- und Bauernfakultät

1946 entstanden an vielen Universitäten Vorstudienanstalten, um die Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums für jene befähigten Bewerber zu schaffen, die aufgrund von Kriegseinwirkungen, Flucht, Vertreibung, Verschleppung, politischer Verfolgung oder sozialer Benachteiligung nicht das Abitur erwerben konnten.
Anfang März 1946 nahmen 225 Arbeiter- und Bauernkinder zwischen 17 und 37 Jahren ein Studium im ersten Kurs an der neu gegründeten Vorstudienanstalt in Leipzig auf. 1 Sie wurde Ende 1947 in die Universität eingegliedert, nachdem sie anfangs zur Volkshochschule gehört hatte.

1949 gingen aus den Vorstudienanstalten die Arbeiter- und Bauerfakultäten (ABF) als gleichberechtigte Fakultäten an den Universitäten und Hochschulen hervor. An der Universität Leipzig begann die ABF am 1. Oktober 1949 mit 440 Studenten. Die erste Direktorin der ABF der Universität Leipzig war die Pädagogin Rosemarie Sacke-Gaudig, Frau und Mitstreiterin des Antifaschisten Georg Sacke und mit ihm gemeinsam in den Konzentrationslagern Fuhlsbüttel und Neuengamme inhaftiert.

In einem dreijährigen Kurs wurde an der ABF die Hochschulreife erworben. Der normale Abiturstoff in den Fächern Deutsch, Geschichte, Gegenwartskunde, Geographie, Chemie, Physik, Mathematik, Russisch und Englisch oder Latein musste also in drei bzw. bei besonderer Eignung in nur zwei Jahren absolviert werden. Nach dem ersten Studienjahr an der ABF spezialisierte sich die Ausbildung in gesellschaftswissenschaftliche, mathematisch-naturwissenschaftliche und medizinisch-biologische Fachrichtungen.

In die ABF aufgenommen wurden vor allem Arbeiter und Bauern sowie Opfer des Faschismus und deren Kinder in der Regel im Alter von 18 bis 35 Jahren. Durch Stipendien, kostenloses und lebensmittelmarkenfreies Mittagessen und kostenlose Lehr- und Lernmittel wurde die materielle Grundlage für ein Studium an der ABF geschaffen.
Ziel der ABF war die Abschaffung der bisherigen Bildungsprivilegien der bürgerlichen Schichten und die Schaffung von Möglichkeiten für alle Bevölkerungsschichten, ihren Fähigkeiten entsprechend zu studieren. Die soziale Zusammensetzung der Studentenschaft sollte verändert und langfristig eine neue Intelligenz ausgebildet werden.

Der Rektor der Universität Leipzig, Prof. Dr. sc. Dr. h. c. Lothar Rathmann erklärte in seiner Ansprache auf dem Akademischen Festakt aus Anlaß des 575. Jahrestages der Gründung der Universität am 2. Dezember 1984 zur Bedeutung der ABF:
"Es wurde das Bildungsprivileg der Bourgeoisie gebrochen, den Söhnen und Töchtern der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauernschaft das Tor zur höchsten Bildungsstätte weit aufgetan. Erstmals erhob sich damit die Universität im wahrsten Sinne des Wortes zur Universität des Volkes." ...
"Unsere Arbeiter-und-Bauern-Fakultät befreite den Begriff des Kommilitonen von historischer Patina und gab ihm seinen eigentlichen revolutionären Gehalt des aus dem Volke kommenden Mitstreiters im Ringen um gesellschaftlichen Fortschritt und die Aneignung der Wissenschaft zum Wohle der Menschheit." 2


Die Arbeiter- und Bauernfakultäten waren nur als Bildungseinrichtungen auf Zeit vorgesehen. Ende der fünfziger Jahre hatten sie ihre Funktion verloren. Mit der Erweiterten Oberschule und der Berufsausbildung mit Abitur waren Voraussetzungen zum Erwerb der Hochschulreife entstanden, die ab 1961 die Schließung der meisten ABF erlaubten.
Die ABF der Universität Leipzig wurde 1962 geschlossen.

Etwa 35.000 Absolventen 3 haben auf den Arbeiter- und Bauernfakultäten in der DDR das Abitur erreicht und meistens anschließend ein Studium begonnen. An der Universität Leipzig hat es 5000 2 ABF-Studenten gegeben.

1 vgl. http://www.uni-leipzig.de/campus2009/historie/1914.html, eingesehen am 04.06.2008
2 vgl. http://detektei-wischer.de/rathmannges.htm, eingesehen am 04.06.2008
3 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeiter-_und_Bauern-Fakultät, eingesehen am 09.07.2008

weitere Quellen:
http://www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/ADS/Findbuch_S_1.pdf, eingesehen am 09.07.2008
Lothar Rathmann, Alma mater Lipsiensis, Edition Leipzig 1984, S. 277, 282, 287
http://www.ddr-schulrecht.de/Schulrechtssammlung%20-%20DDR-Dateien/Begriffe/ABF.htm, eingesehen am 09.07.2008




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