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1.1 VERFASSUNG UND ORGANISATION DER EKD, UND
OEKUMENE
-~-
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Vom 13. Juli 1948 (ABl. EKD 1948, S. 233)
<Im Text sind folgende Änderungen
berücksichtigt: Neufassung vom 07.11.1974; Änderungen durch KirchenG
der EKD vom 06.11.1986 (ABl. EKD 1986, S. 481); Änderungen durch KirchenG
der EKD zur ... Herstellung der Einheit ... vom 24.02.1991 (ABl. EKD 1991, S.
89); Beschluss der Kirchenkonferenz zur Änderung der Grundordnung der
Evangelischen Kirche in Deutschland vom 19. März 1992 (ABl. EKD S. 162);
Artikel 10 neu gefasst, Artikel 10a und 26a eingefügt, Artikel 9, 11, 17,
23, 24, 26, 28-32, 34-35 geändert durch Beschluss der Synode der EKD zum
KirchenG zur Änderung der Grundordnung der EKD vom 09.11.2000 (ABl. EKD S.
458); Art. 18 geändert durch Beschluss der 9. Synode der EKD zur
Änderung ... vom 07.11.2002 [ABl. EKD 2002, S. ???] (ABl. 2003 A 79);
Neufassung bekannt gemacht in der EKD vom 28.05.2002 (ABl. EKD 2002, S. 130);
Neufassung ab 01.01.2004 bekannt gemacht in der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Sachsens vom 10.04.2003 (ABl. 2003 A 73); VO <des Rates der
EKD> über die In-Kraft-Setzung des KirchenG <der EKD> zur
Änderung der Grundordnung ab dem 01.04.2003, vom ??.??.2003 (ABl. EKD 2003,
S. 61); Artikel 32 neu gefasst und Artikel 32a bis 32c neu eingefügt durch
Kirchengesetz über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der
Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vm 6.11.2003 (ABl. 2004
A 38); Artikel 18 geändert durch Kirchengesetz zur Änderung der
Grundordnung ... vom 06.11.2003 [ABl. EKD 2003 S. 406] (ABl. 2004 A
86).>
< Vorspruch >
Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das
Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift Alten und
Neuen Testaments gegeben ist. Indem sie diese Grundlage anerkennt, bekennt sich
die Evangelische Kirche in Deutschland zu dem Einen Herrn der einen heiligen
allgemeinen und apostolischen Kirche.
Gemeinsam mit der alten Kirche steht die Evangelische Kirche
in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Für das
Verständnis der Heiligen Schrift wie auch der altkirchlichen Bekenntnisse
sind in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden
die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation
maßgebend.
I. Grundbestimmungen
Artikel 1
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist die
Gemeinschaft ihrer lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen. Sie
versteht sich als Teil der einen Kirche Jesu Christi. Sie achtet die
Bekenntnisgrundlage der Gliedkirchen und Gemeinden und setzt voraus, dass sie
ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen.
(2) Zwischen den Gliedkirchen besteht Kirchengemeinschaft im
Sinne der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie).
Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert darum das Zusammenwachsen
ihrer Gliedkirchen in der Gemeinsamkeit des christlichen Zeugnisses und Dienstes
gemäß dem Auftrag des Herrn Jesus Christus.
(3) Mit ihren Gliedkirchen bejaht die Evangelische Kirche in
Deutschland die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen
Entscheidungen. Sie weiß sich verpflichtet, als bekennende Kirche die
Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche
zur Auswirkung zu bringen. Sie ruft die Gliedkirchen zum Hören auf das
Zeugnis der Brüder und Schwestern. Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird,
zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre.
(4) Durch seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde und in
einer Gliedkirche gehört das Kirchenmitglied zugleich der Evangelischen
Kirche in Deutschland an.
Artikel 2
(1) Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland und
ihrer Gliedkirchen muss auf der im Vorspruch und in Artikel 1 bezeichneten
Grundlage ruhen.
(2) Die gesamtkirchliche Rechtsetzung darf das Bekenntnis der
Gliedkirchen nicht verletzen; die Rechtsetzung der Gliedkirchen darf dem
gesamtkirchlichen Recht nicht widersprechen.
(3) Die Evangelische Kirche in Deutschland steht in der
Ordnung der Ökumene.
Artikel 3
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist um ihres
Auftrages willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in
der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und
Aberkennung ihrer Ämter.
(2) Die Regelung ihres Verhältnisses zum Staat bleibt
einem Übereinkommen vorbehalten.
Artikel 4
(1) In der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt für
den Dienst der Verkündigung und der Sakramentsverwaltung:
1. Die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß
vollzogene Taufe wird in allen Gliedkirchen anerkannt.
2. Es besteht Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.
3. Die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß
vollzogene Ordination wird in allen Gliedkirchen anerkannt; Ordinierte sind in
allen Gliedkirchen zum Dienst der Verkündigung, zur Vornahme von Taufen und
Amtshandlungen zugelassen.
4. Ordnungsgemäß vollzogene Amtshandlungen werden
in allen Gliedkirchen anerkannt.
(2) Die gliedkirchlichen Ordnungen und Vereinbarungen zwischen
den Gliedkirchen bleiben unberührt.
Artikel 5
Die Ordnung des Verhältnisses der Gliedkirchen zueinander
und zur Evangelischen Kirche in Deutschland ist eine Ordnung der
Brüderlichkeit. Verhandlungen und Auseinandersetzungen sowie die
Geltendmachung von Rechten und Pflichten zwischen ihnen sollen in diesem Geiste
stattfinden.
II. Aufgaben
Artikel 6
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland bemüht sich um
die Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen, hilft
ihnen bei der Erfüllung ihres Dienstes und fördert den Austausch ihrer
Kräfte und Mittel.
(2) Sie wirkt dahin, dass die Gliedkirchen, soweit nicht ihr
Bekenntnis entgegensteht, in den wesentlichen Fragen des kirchlichen Lebens und
Handelns nach übereinstimmenden Grundsätzen verfahren.
Artikel 7
Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert und
unterstützt Einrichtungen und Arbeiten von gesamtkirchlicher Bedeutung,
insbesondere die wissenschaftliche Forschung auf den Gebieten der Theologie und
des Kirchenrechts, die Kirchenmusik, die kirchliche Kunst und die Herausgabe
kirchlichen Schrifttums.
Artikel 8
Die Evangelische Kirche in Deutschland kann den Gliedkirchen
für ihre Arbeit Anregungen geben, insbesondere für die Ordnungen der
Gliedkirchen, für die Zuordnung der kirchlichen Werke innerhalb einer
Gliedkirche zu deren Leitung und für die Gestaltung der kirchlichen Presse.
Artikel 9
Die Evangelische Kirche in Deutschland kann Richtlinien
aufstellen
a) für die wissenschaftliche und praktische Ausbildung
der Pfarrer und Pfarrerinnen sowie der übrigen kirchlichen Amtsträger
und Amtsträgerinnen;
b) für die Rechtsverhältnisse und für die
wirtschaftliche Versorgung der Pfarrer und Pfarrerinnen sowie der übrigen
kirchlichen Amtsträger und Amtsträgerinnen;
c) für die Erhebung kirchlicher Abgaben;
d) für die Verwaltung des kirchlichen
Vermögens;
e) für die Vereinheitlichung der kirchlichen
Amtsbezeichnungen und die Benennung der kirchlichen Amtsstellen;
f) für das Archiv- und Kirchenbuchwesen und für die
kirchliche Statistik.
Artikel 10
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland kann ihre
Angelegenheiten und ihre Beziehungen zu Kirchen im Ausland durch Kirchengesetz
regeln, soweit hierfür wegen der Bedeutung der Sache ein Bedürfnis
besteht.
(2) Einer kirchengesetzlichen Regelung bedarf es
(a) zur Änderung der Grundordnung der Evangelischen
Kirche in Deutschland und zur Änderung oder Aufhebung von
Kirchengesetzen,
(b) soweit Staatskirchenverträge, die die Evangelische
Kirche in Deutschland abschließt, Regelungsgegenstand sind,
(c) in den Fällen des Artikels 33 Absatz 2.
Artikel 10a
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland kann Kirchengesetze
für Sachgebiete, die durch Kirchengesetz der Evangelischen Kirche in
Deutschland für alle oder für mehrere Gliedkirchen einheitlich
geregelt sind, mit Wirkung für die betroffenen Gliedkirchen erlassen, wenn
die Kirchenkonferenz durch Beschluss nach Artikel 26 a Absatz 4 zustimmt. Das
Zustimmungserfordernis gilt nicht für Kirchengesetze nach Artikel 33 Absatz
2.
(2) Die Evangelische Kirche in Deutschland kann Kirchengesetze
für Sachgebiete, die noch nicht einheitlich durch Kirchengesetz der
Evangelischen Kirche in Deutschland geregelt sind, mit Wirkung für die
Gliedkirchen erlassen, soweit die Gesetzgebungskompetenz bei ihnen liegt, und
zwar
a) für alle Gliedkirchen, wenn alle Gliedkirchen,
oder
b) für mehrere Gliedkirchen, wenn diese
dem Kirchengesetz zustimmen.
Die Zustimmung ist gegenüber dem Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland zu erklären. Sie kann auch nach Verkündung des
Kirchengesetzes binnen eines Jahres erklärt werden, wenn nichts anderes
bestimmt ist. Die Frist beginnt mit dem Tage der Herausgabe des Amtsblattes der
Evangelischen Kirche in Deutschland, das die Verkündung nach Artikel 26 a
Absatz 6 enthält.
(3) In einem Kirchengesetz der Evangelischen Kirche in
Deutschland nach Absatz 2 kann den betroffenen Gliedkirchen die Möglichkeit
eingeräumt werden, jederzeit dieses Kirchengesetz in der zurzeit
gültigen Fassung für sich außer Kraft zu setzen. Dies gilt nicht
für Teile von Kirchengesetzen und nicht für Kirchengesetze nach
Artikel 33 Absatz 2. Das Außer-Kraft-Setzen ist gegenüber dem Rat der
Evangelischen Kirche in Deutschland zu erklären. Der Rat stellt durch
Verordnung fest, dass und zu welchem Zeitpunkt das Kirchengesetz für die
betroffene Gliedkirche außer Kraft getreten ist.
Artikel 11
Die Gliedkirchen nehmen über die Bestellung des oder der
Vorsitzenden ihrer Kirchenleitung mit dem Rat der Evangelischen Kirche in
Deutschland Fühlung.
Artikel 12
Kirchengesetze und sonstige Ordnungen mit Gesetzeskraft legen
die Gliedkirchen spätestens mit der Verkündung dem Rat der
Evangelischen Kirche in Deutschland vor. Sie sind abzuändern, wenn der Rat
mitteilt, dass sie gegen gesamtkirchliche Ordnungen verstoßen.
Artikel 13
Alle Gliedkirchen gemeinsam oder einzelne von ihnen
können der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Zustimmung des Rates
einzelne Aufgaben übertragen oder die Entscheidung in Fragen
überlassen, für welche die Gliedkirchen zuständig sind.
Artikel 14
Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert die
Zusammenfassung der der Kirche aufgetragenen Arbeit an den verschiedenen Gruppen
von Gliedern der Kirche, insbesondere an den Männern, den Frauen und der
Jugend, soweit sie über den Bereich der Gliedkirchen hinausgeht und
gesamtkirchlicher Ordnungen oder Organe bedarf. Sie regelt die kirchliche
Zuordnung dieser Arbeit so, dass die Mitarbeit freier Kräfte
gewährleistet ist.
Artikel 15
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland und die
Gliedkirchen sind gerufen, Christi Liebe in Wort und Tat zu verkündigen.
Diese Liebe verpflichtet alle Glieder der Kirche zum Dienst und gewinnt in
besonderer Weise Gestalt im Diakonat der Kirche; demgemäß sind die
diakonisch-missionarischen Werke Wesens- und Lebensäußerung der
Kirche.
(2) Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert die in
ihrem Gesamtbereich arbeitenden Werke der Inneren Mission, ungeachtet deren
Rechtsform. Ihre Verbindung mit der Kirche und den Gemeinden sowie die freie
Gestaltung ihrer Arbeit werden in Vereinbarungen und entsprechenden Richtlinien
gesichert.
(3) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland wird
von der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Gliedkirchen und ihren
Gemeinden getragen. Es dient dem kirchlichen Wiederaufbau sowie der Linderung
und Behebung der Notstände der Zeit. Die Ordnung des Hilfswerkes bedarf
eines Gesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Artikel 16
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland und die
Gliedkirchen wissen, dass die Kirche Christi das Evangelium an die ganze Welt zu
bezeugen hat. Im Gehorsam gegen den Sendungsauftrag ihres Herrn treiben sie das
Werk der Äußeren Mission. Die Evangelische Kirche in Deutschland
fördert die Arbeit der Äußeren Mission in Zusammenarbeit mit der
von den Missionsgesellschaften bestellten Vertretung. Sie kann für diese
Zusammenarbeit Grundsätze aufstellen.
(2) Ebenso weiß sich die Evangelische Kirche in
Deutschland zum Dienst an der evangelischen Diaspora gerufen. Sie fördert
die zur Erfüllung dieses Dienstes bestehenden Einrichtungen und die anderen
kirchlichen Werke, soweit sie im Gesamtbereich der Evangelischen Kirche in
Deutschland ihren Dienst tun. Sie kann ihnen unter Wahrung ihrer sachlich
erforderten Selbstständigkeit für ihre Arbeit und ihre Ordnung
Richtlinien geben.
Artikel 17
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland arbeitet in der
Ökumene mit.
(2) Die Evangelische Kirche in Deutschland ist Mitglied im
Ökumenischen Rat der Kirchen, in der Konferenz Europäischer Kirchen
und in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. Sie pflegt
Beziehungen mit den weltweiten christlichen Gemeinschaften, mit
ökumenischen Organisationen sowie mit anderen Kirchen.
(3) Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert den
Dienst an evangelischen Christen deutscher Sprache oder Herkunft im Ausland in
partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit deren Kirchen und Gemeinden oder nimmt
diesen Dienst in Gemeinschaft mit anderen Kirchen wahr.
(4) Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert in
ihrem Bereich den Dienst der Gliedkirchen an Christen fremder Sprache oder
Herkunft in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kirchen der
Heimatländer.
(5) Die Evangelische Kirche in Deutschland, die Gliedkirchen
und deren Vereinigungen sowie die kirchlichen Werke, Verbände und
Einrichtungen nehmen ihre ökumenischen Aufgaben unbeschadet ihrer
unmittelbaren Beziehungen und Verpflichtungen in gegenseitiger Fühlungnahme
wahr. Gemeinsam sind sie bemüht, das Bewusstsein ökumenischer
Verantwortung zu stärken.
Artikel 18 <Neufassung ab 01.01.2005>
Die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr und die
Evangelische Seelsorge im Bundesgrenzschutz sind je Gemeinschaftsaufgaben der
Evangelischen Kirche in Deutschland und der ihr verbundenen
Gliedkirchen.
Artikel 19
Die Evangelische Kirche in Deutschland vertritt die
gesamtkirchlichen Anliegen gegenüber allen Inhabern öffentlicher
Gewalt. Sie erstrebt ein einheitliches Handeln ihrer Gliedkirchen auf allen
Gebieten des öffentlichen Lebens.
Artikel 20
(1) In Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Evangelische
Kirche in Deutschland Ansprachen und Kundgebungen ergehen lassen, die leitenden
Stellen der Gliedkirchen zu Besprechungen versammeln und von ihnen Auskunft oder
Stellungnahme einholen.
(2) Sie kann zur Erfüllung bestimmter Aufgaben Kollekten
ausschreiben, die in allen Gliedkirchen einzusammeln sind. Ihre Zahl soll
jährlich nicht mehr als drei betragen. Die Erhebung weiterer
gesamtkirchlicher Kollekten kann sie den Gliedkirchen empfehlen.
III. Gliederung
Artikel 21
(1) Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland sind
die bestehenden Landes- und Provinzialkirchen.
(2) Der Zusammenschluss, die Neubildung und die Auflösung
von Gliedkirchen erfolgt im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in
Deutschland. Das Gleiche gilt, wenn sich Gliedkirchen ohne Aufgabe ihres
rechtlichen Bestandes innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland
zusammenschließen.
(3) Jede Gliedkirche steht, unbeschadet ihrer
Zugehörigkeit zu einer konfessionell oder territorial bestimmten
Vereinigung von Gliedkirchen, im unmittelbaren Verhältnis zur Leitung der
Evangelischen Kirche in Deutschland.
(4) Bekenntnisverwandte kirchliche Gemeinschaften können
der Evangelischen Kirche in Deutschland durch Vereinbarung angeschlossen werden.
Die Vereinbarung bedarf der Bestätigung durch Kirchengesetz.
IV. Organe und Amtsstellen
Artikel 22
(1) Die Organe der Evangelischen Kirche in Deutschland
sind
- die Synode der Evangelischen Kirche in
Deutschland,
- die Kirchenkonferenz,
- der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland.
(2) Zur Beratung der leitenden Organe sind für bestimmte
Sachgebiete kirchliche Kammern aus sachverständigen kirchlichen
Persönlichkeiten zu bilden.
Artikel 23
(1) Die Synode hat die Aufgabe, der Erhaltung und dem inneren
Wachstum der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dienen.
(2) Sie beschließt Kirchengesetze nach Maßgabe des
Artikels 26 a, erlässt Kundgebungen, bespricht die Arbeit der Evangelischen
Kirche in Deutschland, erörtert Fragen des kirchlichen Lebens und gibt dem
Rat Richtlinien.
(3) Sie wählt in Gemeinschaft mit der Kirchenkonferenz
gemäß Artikel 30 den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Artikel 24
(1) Die Synode besteht aus
- 100 Mitgliedern, die von den synodalen Organen der
Gliedkirchen gewählt werden, und
- 20 Mitgliedern, die vom Rat berufen werden.
Für jeden Synodalen und jede Synodale sind 2
Stellvertreter oder Stellvertreterinnen zu bestimmen. Von den gewählten und
berufenen Synodalen darf nicht mehr als die Hälfte Theologen und
Theologinnen sein.
(2) Die Verteilung der zu wählenden Synodalen auf die
Gliedkirchen wird durch Gesetz geregelt.
(3) Unter den vom Rat zu berufenden Synodalen sind besonders
Persönlichkeiten zu berücksichtigen, die für das Leben der
Gesamtkirche und für die Arbeit der kirchlichen Werke Bedeutung haben.
(4) Die Mitglieder der Synode sind an Weisungen nicht
gebunden.
(5) Die Mitglieder der Kirchenkonferenz nehmen an den
Beratungen der Synode ohne Stimmrecht teil.
Artikel 25
(1) Die Synode wird für 6 Jahre gebildet. Ihre Amtszeit
beginnt mit dem ersten Zusammentritt und endet mit dem ersten Zusammentritt der
nächsten Synode, der frühestens 70 und spätestens 73 Monate nach
Beginn der Amtszeit stattfinden soll.
(2) Die Synode tritt in der Regel einmal im Jahr zu einer
ordentlichen Tagung zusammen. Sie ist außerdem einzuberufen, wenn der Rat
oder 30 Synodale es verlangen.
(3) Sie wird mit einem Gottesdienst eröffnet. Ihrer
Tagung wird im Gottesdienst aller Gemeinden fürbittend gedacht.
Artikel 26
(1) Die Synode wählt für ihre Amtsdauer aus ihrer
Mitte ein Präsidium, bestehend aus dem oder der Präses, zwei
Vizepräsides und den Beisitzern oder Beisitzerinnen. Die Mitglieder des
Präsidiums bleiben bis zur Wahl ihrer Nachfolger oder Nachfolgerinnen im
Amt. Der oder die Vorsitzende des Rates soll nicht gleichzeitig Präses der
Synode sein.
(2) Die Synode beschließt mit Stimmenmehrheit. Sie ist
beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Synodalen anwesend sind. Sie gibt
sich eine Geschäftsordnung.
(3) Erhebt der Rat gegen einen Beschluss der Synode
Einwendungen, so hat die Synode über den Gegenstand in einer nicht am
gleichen Tage stattfindenden Sitzung erneut zu beschließen. Erklären
sich zwei Drittel der anwesenden Mitglieder der Synode für die
Aufrechterhaltung des Beschlusses, so bleibt er bestehen. Gegen Wahlen durch die
Synode kann der Rat Einwendungen nicht erheben.
Artikel 26 a
(1) Entwürfe zu Kirchengesetzen werden vom Rat, von der
Kirchenkonferenz oder aus der Mitte der Synode eingebracht. Sie sind mit einer
Begründung zu versehen. Vorlagen des Rates sind der Kirchenkonferenz,
Vorlagen der Kirchenkonferenz dem Rat zur Stellungnahme zuzuleiten. Der Rat legt
der Synode alle Vorlagen mit den Stellungnahmen vor.
(2) Kirchengesetze bedürfen einer zweimaligen Beratung
und Beschlussfassung durch die Synode.
(3) Kirchengesetze, die die Grundordnung ändern oder die
Gegenstände nach Art. 10 Abs. 2 Buchstabe b betreffen, bedürfen einer
Stimmenmehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der
Synode.
(4) Kirchengesetze nach Artikel 10 Absatz 2 Buchstaben a und b
sowie Artikel 10 a Abs. 1 und 2 bedürfen der Zustimmung der
Kirchenkonferenz. Sie werden nach ihrer Verabschiedung durch die Synode von dem
oder der Präses unverzüglich der Kirchenkonferenz
zugeleitet.
(5) Kirchengesetze, die die Grundordnung ändern,
bedürfen einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der
Kirchenkonferenz.
(6) Kirchengesetze sind im Amtsblatt der Evangelischen Kirche
in Deutschland zu verkünden.
(7) Kirchengesetze nach Artikel 10 Abs. 2 und Artikel 10 a
Abs. 1 treten mit dem 14. Tage nach der Herausgabe des Amtsblattes in Kraft,
wenn nicht jeweils etwas anderes bestimmt ist. Kirchengesetze nach Art. 10 a
Abs. 2 treten in Kraft, nachdem die betroffenen Gliedkirchen ihre Zustimmung
erklärt haben. Den Zeitpunkt, zu dem diese Kirchengesetze in Kraft treten,
bestimmt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland durch
Verordnung.
Artikel 27
(1) Werden in der Synode gegen eine Vorlage Bedenken erhoben
mit der Begründung, dass sie dem lutherischen, dem reformierten oder einem
unierten Bekenntnis widerspreche, und können die Bedenken durch eine
Aussprache in der Synode nicht behoben werden, so versammeln sich die
Angehörigen des Bekenntnisses zu einem Konvent.
(2) Die Zugehörigkeit der Synodalen zu einem Konvent
richtet sich nach dem Bekenntnisstand der Gliedkirchen, denen sie
angehören. Unierte Gliedkirchen können bestimmen, ob die von ihnen
entsandten Synodalen dem unierten oder demjenigen Konvent beitreten sollen, der
ihrem persönlichen Bekenntnisstand entspricht.
(3) Bestätigt der Konvent die Bedenken und können
sie auch bei nochmaliger Beratung in der Synode nicht behoben werden, so kann
die Synode in dieser Frage nicht gegen die Stellungnahme des Konvents
entscheiden.
Artikel 28
(1) Die Kirchenkonferenz hat die Aufgabe, über die Arbeit
der Evangelischen Kirche in Deutschland und die gemeinsamen Anliegen der
Gliedkirchen zu beraten und Vorlagen oder Anregungen an die Synode und den Rat
gelangen zu lassen. Sie wirkt bei der Wahl des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland und bei der Gesetzgebung nach Maßgabe von Artikel 23 Abs. 3
und 26 a Absätze 1 und 4 mit.
(2) Die Kirchenkonferenz wird von den Kirchenleitungen der
Gliedkirchen gebildet. Jede Kirchenleitung entsendet ein Mitglied, das nicht dem
Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland angehören darf. Die Verteilung
der Stimmen in der Kirchenkonferenz wird durch Gesetz geregelt. Die Mitglieder
des Rates nehmen an den Sitzungen ohne Stimmrecht teil.
(3) Die Kirchenkonferenz wird von dem oder der Vorsitzenden
des Rates geleitet. Sie tritt auf Einladung des oder der Vorsitzenden des Rates
nach Bedarf zusammen. Auf Verlangen von drei Gliedkirchen muss sie einberufen
werden.
Artikel 29
(1) Der Rat hat die Aufgabe, die Evangelische Kirche in
Deutschland zu leiten und zu verwalten. Soweit die Befugnisse nicht anderen
Organen beigelegt sind, ist er für alle Aufgaben der Evangelischen Kirche
in Deutschland zuständig. Der Rat vertritt die Evangelische Kirche in
Deutschland nach außen. Er kann Kundgebungen erlassen, wenn die Synode
nicht versammelt ist. Er legt der Synode auf jeder ordentlichen Tagung einen
Rechenschaftsbericht vor, der zu besprechen ist.
(2) Gegenstände, die durch Gesetz zu ordnen sind,
können ausnahmsweise durch Verordnung des Rates geregelt werden, wenn die
Sache keinen Aufschub duldet, die Synode nicht versammelt und ihre Einberufung
nicht möglich oder der Bedeutung der Sache nicht entsprechend ist. Die
Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland darf durch Verordnung nicht
geändert werden. Verordnungen sind der Synode bei ihrem nächsten
Zusammentritt vorzulegen. Die Synode kann eine Verordnung des Rates ändern
oder aufheben. Artikel 26 a Absatz 6 findet Anwendung.
Artikel 30
(1) Der Rat besteht aus 15 Mitgliedern. 14 Mitglieder werden
von der Synode und der Kirchenkonferenz gemeinsam in geheimer Abstimmung mit
Zweidrittelmehrheit gewählt. Die Kirchenkonferenz kann Vorschläge
machen. Die Wahl findet in der zweiten Tagung der Synode statt. Als weiteres
Mitglied gehört der oder die Präses der Synode dem Rat an.
(2) Bei der Wahl der Mitglieder des Rates ist die
bekenntnismäßige und landschaftliche Gliederung der Evangelischen
Kirche in Deutschland zu berücksichtigen.
(3) Der oder die Vorsitzende des Rates sowie der oder die
stellvertretene Vorsitzende des Rates werden aus der Mitte der Ratsmitglieder
von der Synode und der Kirchenkonferenz gemeinsam in getrennten Wahlgängen
mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Der Rat kann Vorschläge machen.
(4) Die Amtsdauer des Rates beträgt 6 Jahre. Wiederwahl
ist zulässig. Die Mitglieder bleiben bis zur Wahl ihrer Nachfolger und
Nachfolgerinnen im Amt. Nach dem Ausscheiden eines Mitgliedes erfolgt Neuwahl
gemäß Absatz 1 und 3.
(5) Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland tritt nach
Bedarf zu Sitzungen zusammen. In den Sitzungen wird mit Stimmenmehrheit
entschieden; bei Stimmengleichheit gibt der oder die Vorsitzende den Ausschlag.
Der Rat gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie kann vorsehen, dass die
Erledigung bestimmter Aufgaben einem engeren Ausschuss des Rates übertragen
wird.
Artikel 31
(1) Amtsstelle des Rates ist das Kirchenamt. Das Kirchenamt
führt die Verwaltung der Evangelischen Kirche in Deutschland und die
laufenden Geschäfte des Rates im Rahmen des kirchlichen Rechts nach
Richtlinien oder Weisungen des Rates.
(2) Das Kirchenamt hat insbesondere
1. die Synode und die Kirchenkonferenz in der Erfüllung
ihrer Aufgaben zu unterstützen und für die Synode und die
Kirchenkonferenz die Aufgaben einer Geschäftsstelle wahrzunehmen sowie
für die Geschäftsführung in den Kammern und Kommissionen zu
sorgen,
2. an der ständigen Zusammenarbeit zwischen der
Evangelischen Kirche in Deutschland, ihren Gliedkirchen und den gliedkirchlichen
Vereinigungen sowie den kirchlichen Werken, Verbänden und Einrichtungen
mitzuwirken,
3. Stellungnahmen und Auskünfte der Gliedkirchen, der
gliedkirchlichen Vereinigungen sowie der kirchlichen Werke, Verbände und
Einrichtungen in Angelegenheiten von gesamtkirchlicher Bedeutung einzuholen,
4. Arbeiten und Planungen der Evangelischen Kirche in
Deutschland einzuleiten und Entscheidungen der Organe, insbesondere auf dem
Gebiet der Rechtsetzung, vorzubereiten,
5. die ökumenischen Verbindungen der Evangelischen Kirche
in Deutschland wahrzunehmen,
6. die ihm kirchengesetzlich auf dem Gebiet der Auslandsarbeit
und in anderen Bereichen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen,
7. gesamtkirchliche Anliegen gegenüber staatlichen und
anderen Stellen im Rahmen von Regelungen des Rates zu bearbeiten und sie zu
vertreten, soweit die Vertretung nicht besonderen Bevollmächtigten
übertragen ist,
8. die Öffentlichkeit über die Arbeit der
Evangelischen Kirche in Deutschland zu unterrichten und im Rahmen von Regelungen
des Rates öffentliche Erklärungen abzugeben.
(3) Das Kirchenamt wird von einem Kollegium unter Vorsitz
eines Präsidenten oder einer Präsidentin geleitet und in
Hauptabteilungen gegliedert. Der Rat erlässt Richtlinien für die
Organisation und Geschäftsverteilung und gibt dem Kirchenamt eine
Geschäftsordnung.
(4) Der Präsident oder die Präsidentin sowie die
Leiter und Leiterinnen der Hauptabteilungen des Kirchenamtes werden vom Rat im
Benehmen mit der Kirchenkonferenz berufen.
Artikel 32
(1) Die Auslegung kirchlichen Rechts, das gegründet ist
auf der Heiligen Schrift und den Bekenntnisschriften, erfolgt durch die
verfassungsmäßigen Organe der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Unbeschadet der Einheit der verfassungsmäßigen Organe der
Evangelischen Kirche in Deutschland haben die Kirchengerichte der Evangelischen
Kirche in Deutschland die Aufgabe der Streitschlichtung. Die kirchliche
Rechtsprechung in der Evangelischen Kirche in Deutschland ist Richtern und
Richterinnen anvertraut.
(2) Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland
sind
1. der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland,
2. das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland
als Kirchengericht erster Instanz und
3. der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland als Kirchengericht zweiter Instanz.
(3) Durch Kirchengesetz kann die Evangelische Kirche in
Deutschland für sich die Zuständigkeit von Kirchengerichten ihrer
Gliedkirchen und deren gliedkirchlichen Zusammenschlüsse begründen,
soweit dies das Recht der Gliedkirchen und gliedkirchlichen
Zusammenschlüsse zulässt.
(4) Durch Kirchengesetz kann die Evangelische Kirche in
Deutschland ihren Gliedkirchen, deren gliedkirchlichen Zusammenschlüssen
und für kirchliche und freikirchliche Einrichtungen, Werke und Dienste im
Bereich der evangelischen Kirchen die Möglichkeit eröffnen, die
Zuständigkeit der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland
zu begründen.
Artikel 32 a
(1) Die Richter und Richterinnen des Verfassungsgerichtshofs
der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie je ein stellvertretendes Mitglied
werden auf gemeinsamen Vorschlag des Rates, der Kirchenkonferenz und des
Präsidiums der Synode durch die Synode gewählt. Die Richter und
Richterinnen des Kirchengerichts und des Kirchengerichtshofs der Evangelischen
Kirche in Deutschland werden vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
berufen. Sie sind an die Heilige Schrift und an ihr Bekenntnis sowie an das in
der Kirche geltende Recht gebunden. In diesem Rahmen üben sie ihr Amt
unparteiisch und in richterlicher Unabhängigkeit aus. Sie haben sich
innerhalb und außerhalb ihres Amtes, auch bei politischer Betätigung,
so zu verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht
gefährdet wird.
(2) Zu Richtern und Richterinnen der Kirchengerichte der
Evangelischen Kirche in Deutschland können nur Kirchenmitglieder der
Evangelischen Kirche in Deutschland berufen werden, die zu kirchlichen
Ämtern in einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland
wählbar sind. Nicht berufen werden können die Mitglieder der
verfassungsmäßigen Organe der Evangelischen Kirche in
Deutschland.
(3) Die Richter und Richterinnen der Kirchengerichte der
Evangelischen Kirche in Deutschland können gegen ihren Willen nur auf
kirchengesetzlich geordnetem Wege ihres Amtes enthoben oder an der Ausübung
ihres Amtes gehindert werden.
Artikel 32 b
Der Verfassunsggerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland entscheidet über die Auslegung der Grundordnung aus Anlass von
Meinungsverschiedenheiten zwischen den verfassungemäßigen Organen der
Evangelischen Kirche in Deutschland oder eines anderen durch Kirchengesetz
Berechtigten, wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin geltend macht,
durch ein Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners oder der
Antragsgegnerin in eigenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu
sein.
Artikel 32 c
(1) Hält ein Kirchengericht ein Kirchengesetz oder eine
Verordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland, auf dessen oder deren
Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für mit der Grundordnung
nicht vereinbar, so hat es das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland
einzuholen.
(2) Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs der
Evangelischen Kirche in Deutschland hat Gesetzeskraft. Soweit ein Kirchengesetz
oder eine Verordnung mit der Grundordnung für unvereinbar und daher
für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel im Amtsblatt der
Evangelischen Kirche in Deutschland zu veröffentlichen.
V. Besondere und Übergangsbestimmungen
Artikel 33
(1) Die Einnahmen und Ausgaben der Evangelischen Kirche in
Deutschland sind für ein Jahr oder mehrere Jahre auf einen Haushaltsplan zu
bringen. Ausgaben, die durch eigene Einnahmen nicht gedeckt sind, werden auf die
Gliedkirchen umgelegt.
(2) Der Haushaltsplan sowie die Höhe und der
Verteilungsmaßstab der Umlage werden durch Gesetz festgelegt. Das Gleiche
gilt für Anleihen und Sicherheitsleistungen, die nicht aus Mitteln des
laufenden Rechnungsjahres gedeckt werden können.
(3) Über die Haushalts- und Kassenführung ist
jährlich Rechnung zu legen. Die Rechnung wird von einem hierzu bestimmten
Ausschuss geprüft. Auf Grund seines Berichts beschließt die Synode
über die Entlastung.
(4) Das Nähere über das Haushalts-, Umlagen- und
Kassenwesen wird durch eine Verordnung des Rates geregelt.
Artikel 34
(1) Die Evangelische Kirche in Deutschland wird in
Rechtsangelegenheiten durch den Rat vertreten. Urkunden, welche die Evangelische
Kirche in Deutschland Dritten gegenüber verpflichten sollen, und
Vollmachten sind von dem oder der Vorsitzenden des Rates oder dem oder der
stellvertretenden Vorsitzenden des Rates zu vollziehen; das Siegel ist
beizudrücken. Dadurch wird die Rechtmäßigkeit der
Beschlussfassung festgestellt.
(2) Der Rat kann die Vertretung allgemein oder im Einzelfall
auf das Kirchenamt übertragen und dabei regeln, durch wen Urkunden, welche
die Evangelische Kirche in Deutschland Dritten gegenüber verpflichten
sollen, und Vollmachten zu vollziehen sind.
Artikel 35
Die Evangelische Kirche in Deutschland als
öffentlich-rechtliche Körperschaft ist Trägerin der Rechte und
Verbindlichkeiten des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes und der Deutschen
Evangelischen Kirche. Die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11.
Juli 1933 wird hiermit aufgehoben. Im Übrigen bleibt das gesamtkirchliche
Recht in Kraft, soweit es dieser Grundordnung nicht widerspricht.
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Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (17.07.2004, CC)
(KiGG.EKD)
Vom 06. November 2003 (ABl. 2004 A 38)
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1
Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in
Deutschland
§ 1 Sitz
§ 2 Besetzung des Verfassungsgerichtshofes der
Evangelischen Kirche in Deutschland
§ 3 Besetzung des Kirchengerichts und des
Kirchengerichtshofes der Evangelischen
Kirche in Deutschland
§ 4 Präsidien
§ 5 Zuständigkeiten
§ 6 Erweiterung der Zuständigkeiten
§ 7 Zuständigkeit in Streitigkeiten aus Dienst- und
Entsendungsverhältnissen
§ 8 Rechts- und Amtshilfe
Abschnitt 2
Richter und Richterinnen der Kirchengerichte der Evangelischen
Kirche in Deutschland
§ 9 Wahl, Berufung und Amtszeit
§ 10 Verpflichtung
§ 11 Amtsbezeichnungen
§ 12 Ehrenamt, Entschädigung
§ 13 Verschwiegenheitspflicht
§ 14 Beendigung und Ruhen des Amtes
Abschnitt 3
Geschäftsstelle
§ 15 Geschäftsstelle
Abschnitt 4
Allgemeine Verfahrensvorschriften für die Kirchengerichte
der Evangelischen Kirche
in Deutschland
§ 16 Mündliche Verhandlung und
Beweisaufnahme
§ 17 Ordnungsvorschriften
§ 18 Form und Verkündung der
Entscheidungen
§ 19 Zustellungen
§ 20 Verweisung
§ 21 Zulassungsvoraussetzungen der
Verfahrensbevollmächtigten
§ 22 Verfahrenskosten
§ 23 Entschädigung für Zeugen, Zeuginnen und
Sachverständige
§ 24 Zwangsmaßnahmen
Abschnitt 5
Streitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof der
Evangelischen Kirche in Deutschland
§ 25 Organstreitigkeiten
§ 26 Normenkontrollverfahren
§ 27 Anzuwendende Vorschriften
Abschnitt 6
Verfahren nach dem Disziplinargesetz der Evangelischen Kirche
in Deutschland
§ 28 Anzuwendende Vorschriften
Abschnitt 7
Streitigkeiten aus der Anwendung des
Mitarbeitervertretungsgesetzes
§ 29 Anzuwendende Vorschriften
Abschnitt 8
Schlussvorschriften
§ 30 Übergangsregelungen
Abschnitt 1
Kirchengerichte der Evangelischen Kirche
in Deutschland
§ 1
Sitz
(1) Der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland, das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland und der
Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland haben ihren Sitz in
Hannover.
(2) Es können Gerichtstage außerhalb des Sitzes im
Inland abgehalten werden. Das Nähere wird durch Verordnung des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland geregelt.
§ 2
Besetzung des Verfassungsgerichtshofes
der Evangelischen Kirche in Deutschland
(1) Der Verfassungsgerichtshof besteht aus dem
Präsidenten oder der Präsidentin und vier weiteren Richtern und
Richterinnen. Der Präsident oder die Präsidentin und zwei weitere
Richter oder Richterinnen müssen die Befähigung zum Richteramt nach
dem Deutschen Richtergesetz haben. Die übrigen Richter oder Richterinnen
müssen ordinierte Theologen oder ordinierte Theologinnen sein.
(2) Der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland entscheidet in der Besetzung nach Absatz 1 Satz 1.
§ 3
Besetzung des Kirchengerichts und des
Kirchengerichtshofes
der Evangelischen Kirche in Deutschland
- Das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland und der
Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland bestehen jeweils aus
einem Präsidenten oder einer Präsidentin, aus Vorsitzenden Richtern
oder Vorsitzenden Richterinnen und weiteren Richtern und Richterinnen in
erforderlicher Anzahl. Die Präsidenten, Präsidentinnen, Vorsitzenden
Richter und Vorsitzenden Richterinnen müssen die Befähigung zum
Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz haben.
- Bei dem Kirchengericht
der Evangelischen Kirche in Deutschland werden Kammern, bei dem
Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland Senate gebildet. Der
Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland errichtet die erforderliche Anzahl
von Kammern und Senaten durch Verordnung und legt ihre Bezeichnung fest. Die
Berufung der Richter und Richterinnen erfolgt bis zum Ablauf der
regelmäßigen Amtszeit gemäß § 9 Absatz
4.
(3) Die Kammern und Senate entscheiden in der Besetzung
mit dem Präsidenten oder der Präsidentin oder dem Vorsitzenden Richter
oder der Vorsitzenden Richterin und zwei weiteren Richtern oder Richterinnen,
soweit nicht gesetzlich vorgesehen ist, dass der Präsident oder die
Präsidentin oder der Vorsitzende Richter oder die Vorsitzende Richterin
allein entscheidet.
§ 4
Präsidien
- Die Verteilung der Geschäfte beim Verfassungsgerichtshof der
Evangelischen Kirche in Deutschland erfolgt durch den Präsidenten oder die
Präsidentin.
(2) Zur Verteilung der Geschäfte
wird bei dem Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland und bei dem
Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland jeweils ein
Präsidium gebildet. Die Präsidien bestehen aus dem Präsidenten
oder der Präsidentin und den Vorsitzenden Richtern und Vorsitzenden
Richterinnen. Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit; bei
Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten oder der Präsidentin
den Ausschlag.
(3) Im Übrigen finden die Vorschriften des Zweiten Titels
des Gerichtsverfassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung entsprechende
Anwendung.
§ 5
Zuständigkeiten
- Der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
entscheidet über die nach diesem Kirchengesetz geregelten Angelegenheiten
und in Streitigkeiten nach Artikel 32 b und 32 c der
Grundordnung.
(2) Das Kirchengericht der Evangelischen
Kirche in Deutschland entscheidet
1. in Verfahren nach dem Disziplinargesetz der Evangelischen
Kirche in Deutschland und
2. über Streitigkeiten aus der Anwendung des
Mitarbeitervertretungsgesetzes.
(3) Der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland ist Kirchengericht zweiter Instanz in Verfahren nach Absatz
2.
§ 6
Erweiterung der Zuständigkeiten
- Die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihre
gliedkirchlichen Zusammenschlüsse können durch Kirchengesetz mit
Zustimmung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland die
Zuständigkeit der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland
auch für andere Streitigkeiten als die in § 5 genannten
begründen.
- Durch Vereinbarungen der Evangelischen Kirche in Deutschland
mit kirchlichen und freikirchlichen Einrichtungen, Werken und Diensten im
Bereich der evangelischen Kirchen kann die Zuständigkeit des
Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland und des
Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland begründet
werden, wenn die Kirchengesetze der Evangelischen Kirche in Deutschland in der
jeweils geltenden Fassung oder Bestimmungen wesentlich gleichen Inhalts
angewendet werden. Die Vereinbarung kann eine Beteiligung an den der
Evangelischen Kirche in Deutschland durch die Inanspruchnahme entstehenden
Kosten vorsehen.
§ 7
Zuständigkeit in Streitigkeiten aus
Dienst- und Entsendungsverhältnissen
(1) Für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis der
im unmittelbaren Dienst der Evangelischen Kirche in Deutschland stehenden
Kirchenbeamten und Kirchenbeamtinnen, Ruhestandsbeamten und Ruhestandsbeamtinnen
und Hinterbliebenen gemäß § 79 Absatz 1 Satz 1 2. Halbsatz
Kirchenbeamtengesetz ist in erster Instanz der Rechtshof der Konföderation
evangelischer Kirchen in Niedersachsen und in zweiter Instanz das Verfassungs-
und Verwaltungsgericht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche
Deutschlands zuständig.
(2) Für die von der Evangelischen Kirche in Deutschland
in den Auslandsdienst entsandten Pfarrer und Pfarrerinnen (Auslandspfarrer und
Auslandspfarrerinnen), Auslandspfarrer und Auslandspfarrerinnen im Ruhestand,
früheren Auslandspfarrern und Auslandspfarrerinnen und Hinterbliebenen gilt
unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des
Entsendungsverhältnisses gemäß § 18 des Kirchengesetzes
über die Mitarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland in der
Ökumene Absatz 1 entsprechend.
(3) Die Zulässigkeit des Rechtsweges und das Verfahren
richten sich nach der Rechtshofordnung vom 20. November 1973 (KABI. Hann. S.
217) und nach dem Kirchengesetz über die Errichtung eines Verfassungs- und
Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands
in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 1978 (Amtsblatt Bd. V, S. 142)
in der jeweils geltenden Fassung.
(4) Vermögensrechtliche Ansprüche sind vor den
staatlichen Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Insoweit werden
gemäß § 135 Beamtenrechtsrahmengesetz die Vorschriften des
Kapitel II Abschnitt II Beamtenrechtsrahmengesetz für anwendbar
erklärt.
§ 8
Rechts- und Amtshilfe
- Die Dienststellen der Evangelischen Kirche in Deutschland, ihrer
Gliedkirchen und deren gliedkirchlichen Zusammenschlüsse und die
Einrichtungen der Diakonie, für deren Bereich die Zuständigkeit der
Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland gegeben ist, sind den
Kirchengerichten der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Rechts- und
Amtshilfe verpflichtet. Soweit die Einsicht in Urkunden oder Akten oder die
Erteilung von Auskünften gesetzlich beschränkt ist oder wenn es sich
um Vorgänge handelt, die ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, kann die
zuständige oberste Dienstbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten
oder die Erteilung von Auskünften verweigern. Auf Antrag eines oder einer
Verfahrensbeteiligten ist durch den Verfassungsgerichtshof der Evangelischen
Kirche in Deutschland durch Beschluss festzustellen, ob die Weigerung
zulässig ist.
(2) Die Rechts- und Amtshilfe
staatlicher Behörden richtet sich nach den staatlichen
Vorschriften.
Abschnitt 2
Richter und Richterinnen der
Kirchengerichte
der Evangelischen Kirche in Deutschland
§ 9
Wahl, Berufung und Amtszeit
(1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes der
Evangelischen Kirche in Deutschland und deren Vertreter und Vertreterinnen
werden auf gemeinsamen Vorschlag des Rates, der Kirchenkonferenz und des
Präsidiums der Synode durch die Synode der Evangelischen Kirche in
Deutschland gewählt.
(2) Die Mitglieder des Kirchengerichts und des
Kirchengerichtshofes werden vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
berufen. Für jeden Richter oder jede Richterin wird je ein erstes und ein
zweites stellvertretendes Mitglied berufen. Für die stellvertretenden
Mitglieder gelten die Vorschriften für die ordentlichen Mitglieder
entsprechend.
(3) Ein Mitglied kann mehreren Kirchengerichten der
Evangelischen Kirche in Deutschland und Kammern und Senaten angehören. Die
Angehörigkeit ist bei der Berufung festzulegen.
(4) Die Amtszeit der Mitglieder beträgt sechs Jahre. Eine
erneute Berufung ist zulässig. Solange eine Neuberufung nicht erfolgt ist,
bleiben die bisherigen Mitglieder im Amt.
(5) Scheidet ein Mitglied während der Amtszeit aus,
erfolgt eine Nachberufung bis zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit.
Scheidet ein Mitglied gemäß § 14 Absatz 1 aus und ist ein
stellvertretendes Mitglied nicht vorhanden, so bleibt das Mitglied im Amt,
solange eine Nachberufung nicht erfolgt ist.
(6) Bei der Berufung der Mitglieder sollen Männer und
Frauen in gleicher Weise berücksichtigt werden.
§ 10
Verpflichtung
(1) Vor Beginn ihrer Tätigkeit werden die Mitglieder mit
nachfolgendem Richtergelöbnis verpflichtet:
"Ich gelobe vor Gott, mein Amt in Bindung an die Heilige
Schrift und an das Bekenntnis meiner Kirche und getreu dem in der Evangelischen
Kirche in Deutschland geltenden Recht auszuüben und nach bestem Wissen und
Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen."
Mit dem Richtergelöbnis wird die Annahme des Amtes
erklärt.
(2) Die Verpflichtung erfolgt durch den Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland. Der Präsident oder die Präsidentin des
Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland kann vom Rat der
Evangelischen Kirche in Deutschland hierzu ermächtigt werden. Die
Verpflichtung ist schriftlich festzuhalten.
§ 11
Amtsbezeichnungen
Amtsbezeichnungen der Mitglieder sind "Präsident",
"Präsidentin", "Vorsitzender Richter", "Vorsitzende Richterin", "Richter"
und "Richterin" mit einem die Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in
Deutschland bezeichnenden Zusatz.
§ 12
Ehrenamt, Entschädigung
- Die Tätigkeit der Mitglieder ist ein kirchliches
Ehrenamt.
- Die Mitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung. Der Rat
der Evangelischen Kirche in Deutschland regelt die Aufwandsentschädigung
unter Berücksichtigung der Beanspruchung der Mitglieder durch
Verordnung.
- Die Mitglieder erhalten Ersatz ihrer Reisekosten nach
Maßgabe der Bestimmungen für Kirchenbeamte und Kirchenbeamtinnen der
Evangelischen Kirche in Deutschland und Ersatz ihrer sonstigen notwendigen
Auslagen gegen Nachweis, eine Pauschalierung ist
möglich.
§ 13
Verschwiegenheitspflicht
Die Mitglieder haben über den ihnen bekannt gewordenen
Inhalt der anhängigen Verfahren auch nach Beendigung ihres Amtes zu
schweigen.
§ 14
Beendigung und Ruhen des Amtes
- Das Amt eines Mitglieds endet mit der Vollendung des 70.
Lebensjahres.
- Ein Mitglied kann jederzeit sein Amt niederlegen. Das Amt
endet mit Zugang der schriftlichen Mitteilung beim Rat der Evangelischen Kirche
in Deutschland.
(3) Das Amt eines Mitglieds ist für
beendet zu erklären, wenn
1. die rechtlichen Voraussetzungen der Berufung weggefallen
sind,
2. es infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder
infolge Verlegung seines ständigen Wohnsitzes in das Ausland zur
Ausübung seines Amtes nicht mehr in der Lage ist,
3. es seine Pflichten gröblich verletzt hat,
4. das Ergebnis eines straf-, disziplinar- oder
berufsgerichtlichen Verfahrens eine weitere Ausübung des Amtes nicht mehr
zulässt.
- Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland kann bis zu einer
Entscheidung nach Absatz 3 das vorläufige Ruhen des Amtes anordnen.
- Die
Entscheidungen nach den Absätzen 3 und 4 trifft der Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland nach Anhörung des Mitglieds durch Beschluss. Gegen
die Entscheidung kann das Mitglied binnen eines Monats nach Zustellung
Beschwerde bei dem Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland einlegen. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet durch Beschluss.
Bis zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens ruht das
Amt.
Abschnitt 3
Geschäftsstelle
§ 15
Geschäftsstelle
- Für die Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland werden
Geschäftsstellen am Sitz des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in
Deutschland gebildet. Die Geschäftsstellen können gemeinsam verwaltet
werden. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat für die
erforderliche Personal- und Sachausstattung zu sorgen.
- Mit den Aufgaben
eines Urkundsbeamten oder einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kann
betraut werden, wer über die erforderliche Sachkunde verfügt. Die
Entscheidung hierüber trifft der Präsident oder die Präsidentin
des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland.
- Für die
Ausschließung und Ablehnung von Urkundsbeamten und Urkundsbeamtinnen gilt
§ 49 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Zu
den Aufgaben der Geschäftsstelle gehören insbesondere
1. die Vermittlung des gesamten Schriftverkehrs zwischen den
Kirchengerichten der Evangelischen Kirche in Deutschland, ihren Mitgliedern und
den Verfahrensbeteiligten,
- die Ausführung richterlicher Anordnungen,
- die
Protokollführung und
4. die Erteilung von
Ausfertigungen und Abschriften von Entscheidungen.
(5) Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der
Geschäftsstelle haben über den ihnen bekannt gewordenen Inhalt der
anhängigen Verfahren Stillschweigen zu wahren. Auskünfte dürfen
nur zum Verfahrensstand erteilt werden. Rechtsauskünfte dürfen nicht
erteilt werden.
(6) Der Präsident oder die Präsidentin des
Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland übt die Dienstaufsicht
über die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle aus. Die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind in der Bearbeitung der anhängigen
Verfahren allein den jeweils zuständigen Präsidenten,
Präsidentinnen, Vorsitzenden Richtern und Vorsitzenden Richterinnen
verantwortlich.
(7) Der Präsident oder die Präsidentin des
Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland hat dafür Sorge zu
tragen, dass die Tätigkeit der Geschäftsstelle organisatorisch vom
Geschäftsbetrieb des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland
getrennt ist.
(8) Das Nähere wird in einer Geschäftsordnung
geregelt, die der Rat der Evangelischen Kirche auf Vorschlag des
Präsidenten oder der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes der
Evangelischen Kirche in Deutschland als Verwaltungsvorschrift
erlässt.
Abschnitt 4
Allgemeine Verfahrensvorschriften
für die Kirchengerichte der
Evangelischen Kirche in Deutschland
§ 16
Mündliche Verhandlung und
Beweisaufnahme
- Die mündliche Verhandlung soll mit einer Schriftlesung eröffnet
werden.
(2) Eine Anhörung oder zeugenschaftliche
Vernehmung kann ein vom Verfahren betroffener Mitarbeiter oder eine betroffene
Mitarbeiterin verweigern, wenn die Aussage in einem ihn oder sie betreffenden
Verfahren vor staatlichen Behörden oder Gerichten gegen ihn oder sie
verwendet werden kann. Über das Verweigerungsrecht ist zu
belehren.
§ 17
Ordnungsvorschriften
- Für die Verhandlungen gelten die Vorschriften der Titel 14 bis
16 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung
entsprechend.
- Bei Störungen der Ordnung der mündlichen Verhandlung
hat der Präsident oder die Präsidentin des Kirchenamtes der
Evangelischen Kirche in Deutschland das Erforderliche zu veranlassen. Soweit auf
andere Weise die Ordnung der mündlichen Verhandlung nicht zu
gewährleisten ist, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen
werden.
§ 18
Form und Verkündung der Entscheidungen
- Verfahrensbeendende Entscheidungen ergehen "Im Namen der
Evangelischen Kirche in Deutschland" durch Beschluss oder Urteil. Sie sind von
den Mitgliedern der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland, die
an der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Statt der
Verkündung ist die Zustellung der Entscheidung
zulässig.
(2) Den Ausfertigungen und Abschriften der
Entscheidungen ist das Gerichtssiegel beizudrücken.
§ 19
Zustellungen
- Kann der Aufenthalt eines oder einer Verfahrensbeteiligten nicht
ermittelt werden, gilt eine Zustellung durch Bekanntmachung im Amtsblatt der
Evangelischen Kirche in Deutschland als bewirkt.
(2) Im
Übrigen finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechende
Anwendung.
§ 20
Verweisung
- Für die Verweisung von Verfahren gelten die §§ 17 a und 17 b
des Gerichtsverfassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung mit der
Maßgabe, dass nur eine Verweisung an andere Kirchengerichte erfolgen
kann.
(2) Ist kein Kirchengericht zuständig, so ist
das Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.
§ 21
Zulassungsvoraussetzungen der
Verfahrensbevollmächtigten
Verfahrensbevollmächtigte müssen Mitglied einer
Kirche sein, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen angehört.
Soweit sie nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, kann ihnen der weitere
Vortrag durch Beschluss untersagt werden, wenn ihnen die Fähigkeit zum
sachgemäßen Vortrag mangelt. Der Beschluss ist unanfechtbar. Die
Verfahrensbevollmächtigung ist schriftlich zu den Verfahrensakten
abzugeben.
§ 22
Verfahrenskosten
(1) Gerichtskosten werden nicht erhoben.
(2) Eine Kostenfestsetzung findet nicht statt. Eine
Festsetzung des Verfahrenswertes erfolgt auf Antrag.
(3) Im Übrigen finden die Vorschriften der
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte entsprechend
Anwendung.
§ 23
Entschädigung für Zeugen, Zeuginnen und
Sachverständige
Zeugen, Zeuginnen und Sachverständige werden nach dem
Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen
entschädigt.
§ 24
Zwangsmaßnahmen
Vorschriften über staatliche Zwangsmaßnahmen sind
nicht anwendbar.
Abschnitt 5
Streitigkeiten vor dem
Verfassungsgerichtshof
der Evangelischen Kirche in Deutschland
§ 25 Organstreitigkeiten
(1) Der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland entscheidet über die Auslegung der Grundordnung aus Anlass von
Meinungsverschiedenheiten zwischen den verfassungsmäßigen Organen der
Evangelischen Kirche in Deutschland, ihrer Gliedkirchen und deren
gliedkirchlichen Zusammenschlüsse, wenn der Antragsteller oder die
Antragstellerin geltend macht, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des
Antragsgegners oder der Antragsgegnerin in eigenen Rechten verletzt oder
unmittelbar gefährdet zu sein.
(2) Im Antrag ist die Bestimmung der Grundordnung zu
bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung
verstoßen sein soll.
(3) Der Antrag muss binnen sechs Monaten gestellt werden,
nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller oder
der Antragstellerin bekannt geworden ist.
(4) Der Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland stellt in seiner Entscheidung fest, ob die beanstandete
Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung der Grundordnung
verstößt. Die Bestimmung ist zu bezeichnen. Der
Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland kann in der
Entscheidungsformel zugleich eine für die Auslegung der Bestimmung der
Grundordnung erhebliche Rechtsfrage entscheiden, von der die Feststellung nach
Satz 1 abhängt.
26
Normenkontrollverfahren
(1) Ausschließlich der Verfassungsgerichtshof der
Evangelischen Kirche in Deutschland entscheidet über die Vereinbarkeit von
Kirchengesetzen und Verordnungen der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der
Grundordnung.
(2) Vorlageberechtigt und -verpflichtet sind
1. das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland
und
2. der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland.
(3) Die Begründung des Vorlagebeschlusses muss angeben,
inwiefern die Entscheidung des Kirchengerichts von der Gültigkeit der
Rechtsvorschrift abhängig sein soll und mit welcher übergeordneten
Rechtsnorm die anzuwendende Rechtsvorschrift unvereinbar sein soll. Die
Verfahrensakten sind beizufügen. Der Verfassungsgerichtshof der
Evangelischen Kirche in Deutschland entscheidet nur über die Rechtsfrage.
Die Organe der Evangelischen Kirche in Deutschland erhalten Gelegenheit zur
Stellungnahme und werden zur mündlichen Verhandlung geladen.
§ 27
Anzuwendende Vorschriften
Im Übrigen finden, soweit kirchengesetzlich nicht etwas
anderes bestimmt ist, die Vorschriften des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in
der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung.
Abschnitt 6
Verfahren nach dem Disziplinargesetz
der Evangelischen Kirche in Deutschland
§ 23
Anzuwendende Vorschriften
In Verfahren nach dem Disziplinargesetz der Evangelischen
Kirche in Deutschland gelten die Vorschriften des Disziplinargesetzes der
Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Vorschriften dieses Kirchengesetzes
finden ergänzend Anwendung.
Abschnitt 7
Streitigkeiten aus der Anwendung des
Mitarbeitervertretungsgesetzes
§ 29
Anzuwendende Vorschriften
In Streitigkeiten aus der Anwendung des
Mitarbeitervertretungsgesetzes gelten die Vorschriften des
Mitarbeitervertretungsgesetzes. Die Vorschriften dieses Kirchengesetzes finden
ergänzend Anwendung.
Abschnitt 8
Schlussvorschriften
§ 30
Übergangsregelungen
(1) Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland,
die vor dem In-Kraft-Treten dieses Kirchengesetzes besetzt wurden, bleiben bis
zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit ihrer Mitglieder
bestehen.
(2) Absatz 1 gilt nicht für den Schiedsgerichtshof der
Evangelischen Kirche in Deutschland. Dort anhängige Verfahren werden dem
Verfassungsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
zugeordnet.
Trier, den 6.November 2003
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in
Deutschland
Rinke
-~-
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (21.07.2004, AKL)
Vom 06. November 2003 (ABl. 2004 A 45)
Aufgrund des § 3 Abs. 2 des in Artikel 2 zum
Kirchengesetz über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der
Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland beschlossenen
Kirchengerichtsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November
2003 (ABl. EKD S. 408) verordnet der Rat der Evangelischen Kirche in
Deutschland:
§ 1
Kammern des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in
Deutschland
Bei dem Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland
werden drei Kammern errichtet. Sie führen die Bezeichnung
1. Kirchengericht der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Disziplinarkammer -,
2. Kirchengericht der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Erste Kammer für mitarbeitervertretungsrechtliche
Streitigkeiten - und
3. Kirchengericht der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Zweite Kammer für mitarbeitervertretungsrechtliche
Streitigkeiten -.
§ 2
Senate des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche
in Deutschland
Bei dem Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland werden fünf Senate errichtet. Sie führen die
Bezeichnung
1. Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Lutherischer Senat in Disziplinarsachen -,
2. Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Reformierter Senat in Disziplinarsachen -,
3. Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Unierter Senat in Disziplinarsachen -,
4. Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Erster Senat für mitarbeitervertretungsrechtliche
Streitigkeiten - und
5. Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland
- Zweiter Senat für mitarbeitervertretungsrechtliche
Streitigkeiten -.
Trier, den 6. November 2003
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in
Deutschland
Rinke
-~-
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! ( 21.07.2004, AKL)
Vom 06. November 2003 (ABl. 2004 A 46)
Vollständiger Titel: Verordnung über die
Berufung der Richter und Richterinnen des Kirchengerichts der Evangelischen
Kirche in Deutschland - Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche
Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland - und des
Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland - Senate für
mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in
Deutschland -
Aufgrund der §§ 58 und 59 a des
Mitarbeitervertretungsgesetzes vom 6. November 1996 (ABl. EKD 1997 S. 41, 1997
S. 226), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Kirchengesetzes über die
Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der
Evangelischen Kirche in Deutschland vom 06.11.2003 (ABl. EKD S. 408) verordnet
der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland:
§ 1
Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland -
Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der
Evangelischen Kirche in Deutschland -
(1) Vorschlagsberechtigt für die Vorsitzenden Richter und
Vorsitzenden Richterinnen sind das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in
Deutschland, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, die
Gesamtmitarbeitervertretung der Amts - und Dienststellen und Einrichtungen der
Evangelischen Kirche in Deutschland und die Gesamt-Mitarbeitervertretung der
Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in
Deutschland und ihrer Berliner Dienststelle.
(2) Der Vertreter oder die Vertreterin der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen wird von der Gesamtmitarbeitervertretung der Amts-,
Dienststellen und Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der
Gesamt-Mitarbeitervertretung der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen
Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Berliner Dienststelle
benannt.
(3) Der Vertreter oder die Vertreterin der Dienstgeber wird
vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Diakonischen Werk
der Evangelischen Kirche in Deutschland benannt.
§ 2
Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in
Deutschland - Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten
der Evangelischen Kirche in Deutschland -
(1) Vorschlagsberechtigt für die Vorsitzenden Richter und
Vorsitzenden Richterinnen sind das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in
Deutschland und die Gesamtmitarbeitervertretung der Amts-, Dienststellen und
Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Absatz 2 Satz 2 und
Absatz 3 Satz 2 gelten entsprechend.
(2) Der Vertreter oder die Vertreterin der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen wird von der Gesamtmitarbeitervertretung der Amts-,
Dienststellen und Einrichtungen der Evangelischen Kirche in Deutschland benannt.
Die Benennung hat in Abstimmung mit der Gesamt-Mitarbeitervertretung der
Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in
Deutschland und ihrer Berliner Dienststelle und den Vereinigungen der
Mitarbeitervertretungen der entsprechenden Gliedkirchen und Diakonischen Werke
zu erfolgen.
(3) Der Vertreter oder die Vertreterin der Dienstgeber wird
vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland benannt. Die Benennung
erfolgt im Benehmen mit dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in
Deutschland und den Gliedkirchen und gliedkirchlichen Diakonischen Werken,
für deren Bereich die Zuständigkeit des Kirchengerichtshofes der der
Evangelischen Kirche in Deutschland gegeben ist.
Trier, den 6. November 2003
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in
Deutschland
Rinke
-~-
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! ( PH)
Vom 28. Juni 1970 (ABl. 1970 A 61)
<Fortwirkend als landeskirchliches Recht, aber fast ganz
obsolet durch Auflösung des BEK DDR im Jahre 1990.>
Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der
Deutschen Demokratischen Republik hat folgendes Kirchengesetz
beschlossen:
Die zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR -
vertreten durch die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR -
und der Evangelischen Brüder-Unität - Distrikt Herrnhut - vertreten
durch die Direktion der Evangelischen Brüder-Unität in Herrnhut -
geschlossene Vereinbarung vom 22. 11. 1969 über die Angliederung der
Evangelischen Brüder-Unität, Distrikt Herrnhut, an den Bund der
Evangelischen Kirchen in der DDR wird in dem aus der Anlage ersichtlichen
Wortlaut gemäß Art. 20 der Ordnung des Bundes der Evangelischen
Kirchen in der DDR bestätigt.
Potsdam, den 28. Juni 1970
Der Präses
der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen
in der Deutschen Demokratischen Republik
gez. D. Braecklein
V e r e i n b a r u n g
<Obsolet durch Auflösung des BEK DDR im Jahre
1990.>
Auf Grund der vorgegebenen Gemeinschaft der Evangelischen
Brüder-Unität mit den im Bund der Evangelischen Kirchen in der
Deutschen Demokratischen Republik zusammengeschlossenen Kirchen wird angesichts
der bestehenden Bekenntnisverwandtschaft zwischen
dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen
Demokratischen Republik, vertreten durch die Konferenz der Evangelischen
Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik
und
der Evangelischen Brüder-Unität, Distrikt Herrnhut,
vertreten durch die Direktion der Evangelischen Brüder-Unität in
Herrnhut,
folgende Vereinbarung geschlossen:
1.
Die Evangelische Brüder-Unität, Distrikt Herrnhut,
gliedert sich unter Bezugnahme auf Artikel 20 der Ordnung des Bundes dem Bund
der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik an. Sie
stimmt den Grundbestimmungen der Artikel 1 und 2 der Ordnung des Bundes
zu.
2.
Der Bund übernimmt für die Brüder-Unität
die Aufgaben, die in den Artikeln 4, 5 (2) und 7 der Ordnung des Bundes
dargelegt werden.
Die Anwendung von Artikel 4 (5) der Ordnung des Bundes
berührt nicht die eigene Mitgliedschaft der Brüder-Unität im
Ökumenischen Rat der Kirchen.
3.
Die Brüder-Unität hat das Recht, zu den Synoden des
Bundes sowie den Sitzungen der Konferenz ein Mitglied mit beratender Stimme zu
entsenden. Die Kosten der Entsendung trägt die
Brüder-Unität.
4.
Die Brüder-Unität zahlt zu den Lasten des Bundes
einen jährlichen Beitrag von 1000 (Eintausend) Mark.
5.
Ein Rücktritt von dieser Vereinbarung steht beiden Teilen
frei. Der Rücktritt wird mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem er
erklärt wurde, wirksam.
6.
Die Vereinbarung wird abgeschlossen unter Vorbehalt der
Zustimmung der Gliedkirchen des Bundes und bedarf der Bestätigung durch ein
Kirchengesetz des Bundes.
Berlin, den 22. November 1969
Für den Bund der Evangelischen Kirchen
in der Deutschen Demokratischen Republik
L. S.
gez. D. Albrecht Schönherr
gez. Manfred Stolpe
Für die Evangelische Brüder-Unität,
Distrikt Herrnhut
L. S.
gez. Erwin Förster
gez. Helmut Hickel
-~-
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (11.11.1998, PH)
Vom 12. Oktober 1972 (ABl. 1972 A 85)
10632-2/439
Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Sachsens hat im Rahmen des ihr in § 1 des Kirchengesetzes betr. Abkommen
mit der Evangelisch-methodistische Kirche im Bereiche der
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 19. Mai 1972 (Amtsblatt Seite
A 46 unter II Nr. 13) erteilten Auftrags am 25. August 1972 mit der
Evangelisch-methodistische Kirche im Bereiche der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Sachsens eine Vereinbarung getroffen, deren Wortlaut anliegend
bekannt gegeben wird.
Die Kirchenleitung
der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Sachsens
Dr. Hempel
Anlage
Vereinbarung
zwischen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens
und der Evangelisch-methodistische Kirche im Bereiche der
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens über das Verhältnis
beider Kirchen zueinander in Hinsicht auf Amtshandlungen und andere
Begegnungen.
A.
Grundlage
Die Grundlage über die Vereinbarung bilden die
"Richtlinien zur Überwindung der Schwierigkeiten, die sich aus dem
Nebeneinander verschiedener christlicher Kirchen an einem Ort ergeben", die von
beiden Kirchen angenommen worden sind:
1. Jede christliche Kirche hat nicht nur die Erlaubnis,
sondern den Auftrag, in der Welt ein freies und offenes Zeugnis abzulegen und zu
versuchen, Menschen in die Gemeinschaft mit Gott zu bringen, der sich in Jesus
Christus offenbart hat. Das Zeugnisgeben ist ein Teil des kirchlichen
Liebesdienstes, ein Teil ihres Dienstes an der Menschheit.
2. Das Gebot, von der Wahrheit Christi zu zeugen und andere
für diese Wahrheit zu gewinnen, gilt nicht nur in Bezug auf Nichtchristen,
sondern auch in Bezug auf andere, die kein lebendiges Verhältnis zu einer
christlichen Kirche haben. Kirchen sollten sich über neue Anregungen
freuen, die den Glauben derer beleben, die ihrer seelsorgerlichen Fürsorge
anvertraut sind, selbst wenn solche Anregungen von außerhalb ihrer eigenen
Reihen kommen. Solch ein belebendes Zeugnis, das in eine bestimmte Kirche von
außen hineingetragen wird, sollte sowohl auf die Einheit als auch auf die
Neubelebung dieser betreffenden Kirche bedacht sein.
3. Sollten in einer Kirche Irrlehren oder Missbräuche die
zentralen Wahrheiten des Evangeliums entstellen oder verdunkeln und damit das
Heil der Menschen gefährden, so können andere Kirchen verpflichtet
sein zu helfen durch treue Bezeugung der Wahrheit, die man dort aus den Augen
verloren hat. Die Freiheit hierzu muss grundsätzlich festgehalten werden.
4. Wir achten in unseren Kirchen die Überzeugungen
anderer Kirchen, deren Auffassung und Praxis der Kirchenmitgliedschaft wir nicht
teilen, und betrachten es als unsere christliche Pflicht, füreinander zu
beten und einander zu helfen, unsere jeweiligen Schwächen durch
freimütigen theologischen Austausch, die Erfahrung gemeinsamen
Gottesdienstes und durch konkrete gegenseitige Hilfeleistung zu überwinden;
und wir erkennen es als unsere Pflicht an, wenn in Ausnahmefällen die
private oder öffentliche Kritik einer anderen Kirche von uns gefordert zu
sein scheint, erst uns selbst zu prüfen und die Wahrheit immer in Liebe und
zum Aufbau der Kirchen zu sagen.
5. Wir halten es für die vornehmste Pflicht jedes
bewussten Christen, mit betendem Herzen an der Erneuerung der Kirche zu
arbeiten, deren Glied er ist.
6. Wir anerkennen das Recht des erwachsenen Menschen, in eine
andere Kirche überzutreten, wenn er zu der Überzeugung gelangt, dass
ein derartiger Übertritt Gottes Wille für ihn ist.
7. Wenn einigen Kirchen die anderen gewährte
Glaubensfreiheit abgestritten wird, entstehen schwere Belastungen der
brüderlichen Beziehungen zwischen den Kirchen; darum sollten alle Christen
sich um die Einführung und Aufrechterhaltung der Glaubensfreiheit für
alle Kirchen und für alle ihre Glieder in jedem Land
bemühen.
8. Wir nehmen Abstand von jeder kirchlichen Maßnahme,
die materielle oder soziale Vorteile anbietet, um die Kirchenzugehörigkeit
des einzelnen zu beeinflussen oder auf Menschen in Zeiten der Hilflosigkeit und
Not einen ungeziemenden Druck auszuüben.
9. Obwohl Kirchen durchaus das Recht haben müssen, ihre
Haltung im Blick auf konfessionell gemischte Ehen deutlich zu machen, sollte
doch die Gewissensentscheidung der Ehegatten hinsichtlich ihrer künftigen
Kirchenzugehörigkeit respektiert werden.
10. Bevor ein Kind in die Gliedschaft einer Kirche aufgenommen
wird, der die Eltern oder der Vormund gegenwärtig nicht angehören,
soll man sich in angemessener Weise seelsorgerlich um die Einheit der Familie
bemühen; und wo der vorgesehene Wechsel der Kirchenzugehörigkeit dem
Wunsch derjenigen, die für Pflege und Erziehung des Kindes unmittelbar
verantwortlich sind, widerspricht, soll ...? ... nicht in die Gliedschaft der
anderen Kirche aufgenommen werden, wenn nicht ein außerordentlich
gewichtiger Grund vorliegt.
11. Es soll in angemessener Weise Seelsorge geübt werden,
bevor irgendjemand in die Gliedschaft einer Kirche aufgenommen wird, wenn er als
Glied einer anderen Kirche bereits unter Kirchenzucht steht oder wenn es
Anzeichen dafür gibt, dass die Gründe für die Beantragung der
Mitgliedschaft in einer anderen Kirche weltlicher oder unwürdiger Art
sind.
12. Immer, wenn ein Glied einer Kirche in eine andere Kirche
aufgenommen werden möchte, sollte es zwischen den beteiligten Kirchen zu
einer unmittelbaren Fühlungsnahme kommen; wenn es jedoch deutlich ist, dass
Gewissensmotive und gute Gründe vorliegen, sollte man dem Betreffenden
weder vor noch nach seinem Übertritt Hindernisse in den Weg
legen.
B.
Auf dieser Grundlage wird Folgendes
vereinbart:
I. Allgemeines
Es ist das Anliegen beider Kirchen, ihre Glieder in Treue zu
ihrer Kirche zu bestärken. Die Kirchen greifen grundsätzlich nicht in
die Gemeinden der anderen Kirche ein.
Sie erkennen gegenseitig die auf Grund dieser Vereinbarung
vollzogenen Amtshandlungen an.
Beide Kirchen sind bereit, ihre Gotteshäuser zu
gemeinsamen Veranstaltungen oder aus besonderem Anlass gegenseitig zur
Verfügung zu stellen, wobei auch die Benutzung der Kanzel inbegriffen
ist.
II. Amtshandlungen
1. Taufe
1.1. Gehört je ein Elternteil einer der beiden Kirchen
an, so entscheiden die Eltern, welche Kirche um Vollziehung der Taufe gebeten
werden soll. Um der geistigen Verantwortung willen ist es richtig, wenn der um
die Taufe gebetene Pfarrer / Pastor der einen Kirche nach der Anmeldung den
zuständigen Pfarrer / Pastor der anderen Kirche von der Anmeldung
unterrichtet.
Das Kind gehört unter die Betreuung der Kirche, in
welcher die Taufe vollzogen wurde.
1.2. Sind beide Eltern Glieder einer der beiden Kirchen, so
hat der Pfarrer / Pastor der anderen Kirche die Taufe abzulehnen und die Eltern
an den zuständigen Pfarrer / Pastor derjenigen Kirche, deren Glied sie
sind, zu verweisen. Sind die Eltern aber "Kirchenangehörige" der
Evangelisch-methodistische Kirche (in Vorbereitung auf die Gliedschaft), so ist
die Klärung über den Vollzug der Taufe zwischen den beiden
zuständigen Pfarrern / Pastoren herbeizuführen.
1.3. Wer in seiner Kirche das Recht zur Ausübung des
Patenamtes hat, kann das Patenamt auch in der anderen Kirche ausüben. Auch
ein zur anderen Kirche Übergetretener kann das Patenamt in der Kirche, der
er zuvor angehört hat, ausüben, wenn die Erziehung des Kindes nach der
Ordnung der Kirche gewährleistet ist, in der die Taufe vollzogen
wird.
2. Konfirmation/Einsegnung
2.1. Ein Kind ist grundsätzlich in der Kirche zu
konfirmieren / einzusegnen, in der es getauft worden ist.
2.2. Gehören beide Eltern der gleichen Kirche an, so kann
die Konfirmation / Einsegnung in der anderen Kirche nur nach Fühlungsnahme
mit dem Pfarrer / Pastor der Kirche, der die beiden Eltern angehören,
vorgenommen werden, wobei die Gründe in ihrer Beziehung zur Ordnung beider
Kirchen ernsthaft überprüft werden.
2.3. Hat ein Kind zwei Jahre oder länger den
Kindergottesdienst und den kirchlichen Unterricht / Christenlehre besucht und
mit Zustimmung der Eltern an dem zweijährigen Konfirmanden- /
Katechismus-Unterricht in der anderen Kirche teilgenommen, kann es in der
anderen Kirche konfirmiert / eingesegnet werden. Um der geistlichen
Verantwortung für die Kinder willen sollte in allen solchen Fällen
eine gegenseitige Fühlungsnahme erfolgen.
3. Trauung
3.1. Gehört von den Brautleuten je ein Teil einer der
beiden Kirchen an, so entscheiden die Brautleute, in welcher Kirche sie getraut
sein wollen. Der um die Trauung gebetene Pfarrer / Pastor der einen gibt vor
Vollzug dem zuständigen Pfarrer / Pastor der anderen Kirche davon
Kenntnis.
3.2. Gehören beide Brautleute der einen Kirche an, kann
die Trauung in der anderen Kirche nur nach rechtzeitiger Fühlungsnahme mit
dem Pfarrer / Pastor der Kirche, der die Brautleute angehören, vollzogen
werden. Bei der Fühlungsnahme sind die Gründe dafür, dass die
Trauung bei der anderen Kirche beantragt wird, ernsthaft zu
überprüfen. Liegt eine Überweisungsbescheinigung vor, kann auf
die Fühlungsnahme verzichtet werden.
4. Beerdigung
4.1. Liegt ein letzter glaubwürdig bezeugter Wunsch eines
Verstorbenen, der einer der beiden Kirchen angehört hat, vor, von einem
Pfarrer / Pastor der anderen Kirche bestattet zu werden, so soll diesem Wunsch
entsprochen werden. Vorher nimmt der Pfarrer / Pastor, der um die Bestattung
gebeten wurde, mit dem zuständigen Pfarrer / Pastor der Kirche, welcher der
Verstorbene angehört hat, Fühlung.
4.2. Wenn Angehörige eines Verstorbenen, der zu der
anderen Kirche gehört hat, wünschen, dass der Verstorbene von dem
Pfarrer / Pastor in ihrer Kirche beerdigt wird, ist dazu die Zustimmung des
zuständigen Pfarrers / Pastors der anderen Kirche erforderlich.
Anmerkung:
Den Pfarrern der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Sachsens ist Folgendes empfohlen worden: Bei Beerdigungen der Mitglieder von
Freikirchen ist hinsichtlich der Gewährung des Glockengeläuts zu
berücksichtigen, dass der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR mit
zahlreichen Freikirchen im Ökumenischen Rat und in der Arbeitsgemeinschaft
christlicher Kirchen zusammenarbeitet.
Den Mitgliedern der zur Arbeitsgemeinschaft gehörenden
Kirchen bzw. christlichen Gemeinschaften sollte bei Beerdigungen "insbesondere
für die Gewährung des Glockengeläuts" mindestens die gleiche
Rechtsstellung eingeräumt werden wie Katholiken. Ähnlich ist bei
erbetener Benutzung eines gottesdienstlichen Gebäudes im Rahmen der
Beerdigungsfeier zu verfahren. Von dieser Regelung ist im Einzelfall nur dann
abzuweichen, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen (z.B.
Ärgernis durch einen vorangegangenen Kirchenaustritt).
III. Kirchenzucht
1. Beide Kirchen sind sich darin einig, dass kirchenzuchtliche
Maßnahmen als seelsorgerliche Hilfe anzusehen sind. Hat eine Kirche an
einem ihrer Glieder Kirchenzucht geübt, dann sollte die andere Kirche dies
respektieren.
2. Jeder Pfarrer / Pastor ist gehalten, sich sorgfältig
Kenntnis zu verschaffen und vor Vollzug einer Amtshandlung an einem Glied der
anderen Kirche sich mit dem Pfarrer / Pastor der anderen Kirche zu
beraten.
3. Widerspricht ein Pfarrer / Pastor dem Vollzug einer
Amtshandlung an einem Glied seiner Kirche durch den Pfarrer / Pastor der anderen
Kirche aus Gründen der Kirchenzucht, so kann die Amtshandlung durch
letzteren nur mit Zustimmung seines zuständigen Superintendenten vollzogen
werden. Der Superintendent ist gehalten, vor einer diesbezüglichen
Entscheidung mit dem Superintendenten der anderen Kirche Fühlung
aufzunehmen.
IV. Übertritt
Beim Übertritt von Gliedern der einen Kirche in die
andere ist über folgende Regelung Einverständnis erzielt worden,
wodurch der Kirchenaustritt vor dem staatlichen Notariat
entfällt:
1. Glieder der einen Kirche, die einen Übertritt in die
andere Kirche vorzunehmen beabsichtigen, haben den Pfarrer / Pastor derjenigen
Kirche aufzusuchen, in die sie einzutreten wünschen.
2. Der Pfarrer / Pastor prüft durch seelsorgerliches
Gespräch mit den Übertrittswilligen sorgfältig die Lauterkeit des
beabsichtigten Wechsels der Kirchenzugehörigkeit.
3. Erscheint es dem aufgesuchten Pfarrer / Pastor richtig, dem
Übertrittsverlangen stattzugeben, so sollte er zunächst mit dem
Pfarrer / Pastor derjenigen Gemeinde, aus welcher die Übertrittswilligen
auszuscheiden wünschen, Fühlung aufnehmen. Diese Fühlungnahme
soll vor allem der Feststellung eventueller Tatsachen dienen, die den
beabsichtigten Wechsel der Kirchenzugehörigkeit erschweren oder in Frage
stellen.
4. Hat der Pfarrer / Pastor der aufnehmenden Kirche nach
sorgfältiger Prüfung den Eindruck, dass dem Übertrittsverlangen
stattgegeben werden sollte, so trägt er die Angelegenheit dem in seiner
Kirche hierfür zuständigen Organ vor. Dieses Organ trifft die
Entscheidung über die vorliegenden Aufnahmeanträge.
5. Nach vollzogenem Übertritt wird eine kirchenamtliche
Bescheinigung nach beiliegendem Muster ausgefertigt. Sie ist von dem / der
Übergetretenen und vom Pfarrer / Pastor der aufnehmenden Kirche zu
unterzeichnen. Das Dienstsiegel ist beizudrücken.
6. Übertretende von der Vollendung des 14. Lebensjahres
an haben diese Bescheinigung persönlich zu unterschreiben.
Erziehungsberechtigte können den Übertritt zugleich für die ihnen
anvertrauten Kinder vollziehen. In diesen Fällen sind die Personalien der
Kinder in der kirchenamtlichen Bescheinigung anzugeben.
7. Ein Stück der kirchenamtlichen Bescheinigung verbleibt
beim Übergetretenen, ein zweites beim Pfarrer / Pastor der aufnehmenden
Kirche. Ein drittes Stück wird vom Pfarrer / Pastor der aufnehmenden Kirche
an den Pfarrer / Pastor derjenigen Gemeinde übersandt, welche der
Übergetretene bisher angehörte.
8. Wenn der Übertritt von Gliedern von einer Kirche in
die andere im Zusammenhang mit einem Wechsel des Wohnsitzes erfolgt, so ist
diese kirchenamtliche Bescheinigung dem Pfarrer / Pastor derjenigen Gemeinde
zuzuleiten, welcher der / die Übergetretene/n bisher angehört hat /
haben.
V. Schlussbemerkung
Beide Kirchen sind sich darin einig, dass dieses Abkommen
Hilfe sein will, den gemeinsamen missionarischen Auftrag, zu dem sie sich
verpflichtet wissen, zu erfüllen.
Die Pfarrer / Pastoren beider Kirchen sind gebeten, auf
örtlicher Ebene sich zum Verständnis und in der Handhabung dieser
Vereinbarung regelmäßig zu begegnen. Die seelsorgerliche
Verpflichtung an ihren Gemeindegliedern, aber auch die brüderliche Pflicht.
Gemeindeglieder aus der eigenen Seelsorge in die Seelsorge des Pfarrers /
Pastors der anderen Kirche zu entlassen, bedingen ein Offensein für die
brüderliche Gemeinschaft. Auch in schwierigen Fragen des Übertritts
eines Gemeindegliedes der einen Kirche in die andere und in der Vorbereitung auf
einen Übertritt soll sich gemeinsame seelsorgerliche Verantwortung
bewähren.
Diese Vereinbarung will helfen, Klärungen auch
rechtlicher Art im Miteinander beider Kirchen zu erreichen. Aber das ist nicht
ihr ausschließliches Ziel. Um die begonnene Zusammenarbeit beider Kirchen
zu fördern, theologische Fragen zu behandeln sowie möglicherweise
auftretende Konfliktfälle zu klären, wollen die beiden Kirchen im
permanenten Gespräch bleiben. Die Kirchenleitungen benennen zu diesem Zweck
Mitglieder für eine Kommission. Sie setzt sich paritätisch zusammen
und hat die Aufgabe, die beiderseitigen ökumenischen Beziehungen auf allen
Ebenen zu fördern. Die Kommission tritt jeweils nach Vereinbarung oder auf
Verlangen einer der beiden Kirchenleitungen zusammen.
Dresden, den 25. April 1972
Die Kirchenleitung
der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens
Dr. Hempel
Landesbischof
Evangelisch-methodistische
Kirche in der Deutschen Demokratischen
Republik
Armin Härtel
Bischof
Anlage zu Ziffer IV. 5. der Vereinbarung zwischen der
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens und der
Evangelisch-methodistische Kirche im Bereich der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Sachsens über das Verhältnis beider Kirchen zueinander in
Hinsicht auf Amtshandlungen und andere Begegnungen.
Muster
Kirchenamtliche Bescheinigung
Vor dem unterzeichneten Pfarrer/Pastor, Prediger der
.................................. Kirche erschien(en) der (die)
Unterzeichnete(n)
(Vorname, Familienname, Geburtstag, Beruf,
Anschrift)
und erklärte(n):
Ich habe - Wir haben - bisher der
.............................. Kirche angehört. Mit Wirkung vom heutigen
Tage bin ich - sind wir - auf meinen - auf unseren - Antrag in die
.............................. Kirche aufgenommen worden.
Diese Erklärung gebe(n) ich (wir) zugleich für
mein(e) - unser(e) - Kind(er) ab, das (die) das 14. Lebensjahr noch nicht
vollendet hat (haben):
Vorname, Familienname, Geburtstag und Anschrift des (der)
Kindes(r)
........................................
(Ort) (Datum)
Unterschrift des/der Unterschrift des
Pfarrers/Pastors,
Übergetretenen Predigers der aufnehmenden
Gemeinde
Dienstsiegel
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Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (PH)
A. Erläuterungen zur "Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre"
(ABl. 1997 B 57)
1 Vorgeschichte und Entstehung:
Im Frühjahr 1995 veröffentlichten - zunächst
als internen Entwurf - der Lutherische Weltbund und der Päpstliche Rat zur
Förderung der Einheit der Christen den Entwurf einer "Gemeinsamen
Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Offizielle Kommissionen der
beiden kirchlichen Traditionen haben über 25 Jahre hinweg theologische
Dialoge geführt, die auch das Verständnis der Rechtfertigungslehre und
deren Funktion innerhalb der Theologie umfassen. Die "Gemeinsame Erklärung
zur Rechtfertigungslehre" ist aus diesen Dialogen erwachsen (vgl. § 3). In
diese Dialoge sind historische Forschungen über die Ansatzpunkte der
Kontroversen im 16. Jahrhundert sowie über deren heutige theologische
Bewertung aus evangelisch-lutherischer und katholischer Sicht eingeflossen. In
den Teilen 3 und 4 der "Gemeinsamen Erklärung" wird auf Formulierungen aus
verschiedenen lutherisch/katholischen Dialogen zurückgegriffen. Ein Anhang
"Quellen zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" enthält
daher Auszüge dieser Dokumente. 1
2 Bisherige Arbeit an der Erklärung:
Im Januar 1995 erhielten die Mitgliedskirchen den ersten
Entwurf mit der Bitte um Stellungnahme. Die Stellungnahme der Kirchenleitung der
Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens ist in die Gemeinsame Stellungnahme des
Deutschen Nationalkomitees des LWB vom 31. Januar 1996 eingeflossen. Insgesamt
haben sich 36 von 122 Mitgliedskirchen des LWB geäußert, teils
zustimmend, teils ablehnend, teils Veränderungen wünschend.
Ein gemeinsamer lutherisch/römisch-katholischer
Redaktionsausschuss überarbeitete den Entwurf (= Würzburg I, Juni
1996). Diese zweite Fassung wurde dem Beschluss des LWB-Rates zufolge redigiert,
vor allem die Paragraphen 23, 26 und 28-31, ferner diejenigen Paragraphen, auf
welche die römisch-katholische Kirche besonders hinwies. Die deutschen
Wünsche wurden teilweise berücksichtigt. Damit liegt nun die
endgültige Fassung 1997 der "Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre" vor.
Der Rat und das Exekutivkomitee des LWB bitten, bis 1. Mai
1998 die Entscheidung der Mitgliedskirchen des LWB über die Annahme des
Vorschlages für die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
(1997) unter Beantwortung der folgenden Frage nach Genf zu senden:
Akzeptiert Ihre Kirche die in § 40 und 41 der
Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre erreichten Ergebnisse und
bejaht somit, dass auf Grund der Übereinstimmung über das grundlegende
Verständnis und die grundlegende Wahrheit unserer Rechtfertigung in
Christus, welche die gemeinsame Erklärung bezeugt, die Lehrverurteilungen
der lutherische Bekenntnisschriften hinsichtlich der Rechtfertigung die Lehre
der römisch-katholischen Kirche über die Rechtfertigung, wie sie in
der Gemeinsamen Erklärung dargestellt ist, nicht mehr
treffen?
Zu dieser Frage wird die Herbsttagung der Landessynode
Stellung nehmen. Dazu ist ein Beschlussvorschlag vom Deutschen Nationalkomitee
des Lutherischen Weltbundes erarbeitet worden.
3 Ziel und Aufbau der Erklärung:
3.1 Das Ziel der Erklärung ist, durch das dargelegte
Verständnis der Rechtfertigungslehre zu zeigen, "dass zwischen Lutheranern
und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht,
in dessen Licht die in Nr. 18 bis 39 beschriebenen, verbleibenden Unterschiede
in der Sprache, der theologischen Ausgestaltung und der Akzentsetzung des
Rechtfertigungsverständnisses tragbar sind (Nr. 40)".
Nunmehr können die unterzeichnenden
evangelisch-lutherischen Kirchen erklären, dass "die in den
Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche enthaltenen
Verurteilungen der Rechtfertigungslehre der römisch-katholischen Kirche
deren heutige Lehre, wie sie in der ,Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre' dargestellt ist, nicht treffen".
Seitens der katholischen Kirche wird eine entsprechende
Erklärung aus ihrer Sicht erwartet.
3.2 Bereits in dem 1985 fertig gestellten Dokument
"Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" wurden die seit der Reformation
bestehenden Kontroversen zwischen evangelischer und katholischer Lehre
bezüglich der Themen "Rechtfertigung", "Sakramente" und "Amt" geprüft
(vgl. ABl. 1991, S. B 5 ff.). Angesichts der Ergebnisse sollte verbindlich
ausgesprochen werden, "dass die Verwerfungen des 16. Jahrhunderts den heutigen
Partner nicht treffen, insofern seine Lehre nicht von dem Irrtum bestimmt ist,
den die Verwerfung abwehren wollte." Dem hat die Landessynode mit ihrem
Beschluss vom April 1995 entsprochen, aber nur teilweise, da es auch
Lehrverurteilungen gibt, die noch treffen. Weiterhin trifft eine Reihe von
Lehrverurteilungen nur dann nicht mehr, wenn dazu die in dem Dokument
"Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" vorgelegte oder in den Stellungnahmen
gegebene Interpretation von römisch-katholischer Seite lehramtlich
festgestellt wird. In dem damals gefassten Beschluss heißt es:
"Eine Einigung darin, dass die Rechtfertigungslehre ihre
Bedeutung nicht nur als besondere Teillehre im Ganzen der Glaubenslehre der
Kirche hat, sondern dass ihr darüber hinaus die Bedeutung als kritischer
Maßstab für Lehre und Praxis der Kirche insgesamt zukommt ..., ist
aus evangelischer Sicht ein fundamentaler Fortschritt im ökumenischen
Dialog zwischen unseren Kirchen, der nicht genug zu begrüßen
ist."
3.3 Nunmehr formuliert die "Gemeinsame Erklärung zur
Rechtfertigungslehre" ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung. Die
"Gemeinsame Erklärung" enthält nicht alles, was in jeder der Kirchen
über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfasst aber einen Konsens in
Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, "dass die weiterhin
unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlass für
Lehrverurteilungen sind" (§ 5).
Kapitel 1 entfaltet die biblische Rechtfertigungsbotschaft.
Kapitel 3 formuliert "Das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung". Von
besonderer Bedeutung ist dabei § 18, wo die Bedeutung der
Rechtfertigungslehre für die christliche Glaubenslehre insgesamt
hervorgehoben wird.
Kapitel 4 bezieht Stellung zu sieben Problembereichen im
Zusammenhang mit der Rechtfertigungslehre. Zuerst wird formuliert, was gemeinsam
gesagt (bzw. bekannt) werden kann. Dann werden die jeweiligen Besonderheiten der
evangelischen und katholischen Lehre vom Gemeinsamen her ausgelegt. Das Ziel des
Dokuments, die Lehrverurteilungen der Bekenntnisschriften und die canones von
Trient als auf den heutigen Partner nicht anwendbar zu erklären, wird so zu
erreichen versucht, dass nicht jede Verurteilung einzeln angesprochen wird,
sondern dass in Kapitel 4 als "Kernstück" zu sieben Problembereichen (sog.
"Unterscheidungslehren") Stellung genommen wird.
Kapitel 5 fasst das Ergebnis zusammen und nennt die erwarteten
Auswirkungen für das Leben und die Lehre der Kirchen.
4 Weiteres Vorgehen:
Das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes
empfiehlt seinen Mitgliedskirchen, bei den nächsten Synodaltagungen
(für die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens wird es die Herbsttagung der
Landessynode sein) zur Beschlussfassung den folgenden Beschlussvorschlag zu
verwenden:
B. Dokumentation
Lutherische Weltbund
Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der
Christen
Gemeinsame Erklärung zur
Rechtfertigungslehre
Endgültiger Vorschlag 1997
Präambel
(1) Die Lehre von der Rechtfertigung hatte für die
lutherische Reformation des 16. Jahrhunderts zentrale Bedeutung. Sie galt ihr
als der "erste und Hauptartikel"1, der zugleich "Lenker und Richter
über alle Stücke christlicher Lehre"2 sei. Ganz besonders
wurde die Rechtfertigungslehre in der reformatorischen Ausprägung und ihrem
besonderen Stellenwert gegenüber der römisch-katholischen Theologie
und Kirche der damaligen Zeit vertreten und verteidigt, die ihrerseits eine
anders geprägte Rechtfertigungslehre vertraten und verteidigten. Hier lag
aus reformatorischer Sicht der Kernpunkt aller Auseinandersetzungen. Es kam in
den lutherischen Bekenntnisschriften3 und auf dem Trienter Konzil der
römisch-katholischen Kirche zu Lehrverurteilungen, die bis heute
gültig sind und kirchentrennende Wirkung haben.
(2) Die Rechtfertigungslehre hat für die lutherische
Tradition jenen besonderen Stellenwert bewahrt. Deshalb nahm sie auch im
offiziellen lutherisch-katholischen Dialog von Anfang an einen wichtigen Platz
ein.
(3) In besonderer Weise sei verwiesen auf die Berichte
"Evangelium und Kirche" (1972)4 und "Kirche und Rechtfertigung"
(1994)5 der internationalen Gemeinsamen
römisch-katholischen/evangelisch-lutherischen Kommission, auf den Bericht
"Rechtfertigung durch den Glauben" (1983)6 des
katholisch-lutherischen Dialogs in den USA und die Studie "Lehrverurteilungen -
kirchentrennend?" (1986)7 des Ökumenischen Arbeitskreises
evangelischer und katholischer Theologen in Deutschland. Einige von diesen
Dialogberichten haben eine offizielle Rezeption erfahren. Ein wichtiges Beispiel
ist die verbindliche Stellungnahme, die die Vereinigte Evangelisch-Lutherische
Kirche Deutschlands zusammen mit den anderen Kirchen in der Evangelischen Kirche
in Deutschland mit dem höchstmöglichen Grad kirchlicher Anerkennung zu
der Studie über die Lehrverurteilungen verabschiedet hat
(1994).8
(4) All die genannten Dialogberichte und auch die
Stellungnahmen dazu zeigen in ihrer Erörterung der Rechtfertigungslehre
untereinander ein hohes Maß an gemeinsamer Ausrichtung und gemeinsamem
Urteil. Es ist darum an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die Ergebnisse der
Dialoge über die Rechtfertigung in einer Weise zusammenzufassen, die unsere
Kirchen in der gebotenen Präzision und Kürze über den
Gesamtertrag dieses Dialogs informiert und es ihnen zugleich ermöglicht,
sich verbindlich dazu zu äußern.
(5) Das will diese Gemeinsame Erklärung tun. Sie will
zeigen, dass auf Grund des Dialogs die unterzeichnenden lutherischen Kirchen und
die römisch-katholische Kirche9 nunmehr imstande sind, ein
gemeinsames Verständnis unserer Rechtfertigung durch Gottes Gnade im
Glauben an Christus zu vertreten. Sie enthält nicht alles, was in jeder der
Kirchen über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfasst aber einen Konsens in
Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, dass die weiterhin
unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlass für
Lehrverurteilungen sind.
(6) Unsere Erklärung ist keine neue und
selbstständige Darstellung neben den bisherigen Dialogberichten und
Dokumenten, erst recht will sie diese nicht ersetzen. Sie bezieht sich vielmehr
- wie der Anhang über die Quellen zeigt - auf die genannten Texte und deren
Argumentation.
(7) Wie die Dialoge selbst, so ist auch diese Gemeinsame
Erklärung von der Überzeugung getragen, dass eine Überwindung
bisheriger Kontroversfragen und Lehrverurteilungen weder die Trennungen und
Verurteilungen leicht nimmt, noch die eigene kirchliche Vergangenheit
desavouiert. Sie ist jedoch von der Überzeugung bestimmt, dass unseren
Kirchen in der Geschichte neue Einsichten zuwachsen und dass sich Entwicklungen
vollziehen, die es ihnen nicht nur erlauben, sondern von ihnen zugleich fordern,
die trennenden Fragen und Verurteilungen zu überprüfen und in einem
neuen Licht zu sehen.
1 Biblische Rechtfertigungsbotschaft
(8) Zu diesen neuen Einsichten hat unsere gemeinsame Art und
Weise geführt, auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift zu hören.
Gemeinsam hören wir das Evangelium, dass "Gott die Welt so sehr geliebt
hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht
zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (Joh 3,16). Diese frohe Botschaft
wird in der Heiligen Schrift in verschiedener Weise dargestellt. Im Alten
Testament hören wir das Wort Gottes von der menschlichen
Sündhaftigkeit (Ps 51, 1-5; Dan 9, 5 f.; Koh 8, 9 f; Esra 9, 6 f.) und vom
menschlichen Ungehorsam (Gen 3, 1-19; Neh 9, 16 f. 26) sowie von der
Gerechtigkeit (Jes 46, 13; 51, 5-8; 56, 1; [vgl. 53, 11]; Jer 9, 24) und vom
Gericht Gottes (Koh 12, 14; Ps 9, 5 f.; 76, 7-9).
(9) Im Neuen Testament werden bei Matthäus (5, 10; 6, 33;
21, 32), Johannes (16, 8-11), im Hebräerbrief (5, 13; 10, 37 f.) und im
Jakobusbrief (2, 14-26) die Themen "Gerechtigkeit" und "Rechtfertigung"
unterschiedlich behandelt.
(10) Auch in den paulinischen Briefen wird die Gabe des Heils
auf verschiedene Weise beschrieben, unter anderem: als "Befreiung zur Freiheit"
(Gal 5, 1-13; vgl. Röm 6, 7), als "Versöhnung mit Gott" (2 Kor 5,
18-21; vgl. Röm 5, 11), als "Frieden mit Gott" (Röm 5, 1), als "neue
Schöpfung" (2 Kor 5, 17), als "Leben für Gott in Christus Jesus"
(Röm 6, 11, 23), oder als "Heiligung in Christus Jesus" (vgl. 1 Kor 1, 2;
1, 30; 2 Kor 1, 1). Herausragend unter diesen Bezeichnungen ist die Beschreibung
als "Rechtfertigung" des Sünders durch Gottes Gnade im Glauben (Röm 3,
23-25), die in der Reformationszeit besonders hervorgehoben wurde.
(10) Paulus beschreibt das Evangelium als Kraft Gottes zur
Rettung des unter die Macht der Sünde gefallenen Menschen: als Botschaft,
die die "Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben" (Röm 1, 16 f.)
verkündet und die "Rechtfertigung" (Röm 3, 21-31) schenkt. Er
verkündet Christus als "unsere Gerechtigkeit" (1 Kor 1, 30), indem er auf
den auferstandenen Herrn anwendet, was Jeremias über Gott selbst
verkündet hat (Jer 23, 6). In Christi Tod und Auferstehung sind alle
Dimensionen seines Erlösungswerkes verwurzelt, denn er ist "unser Herr, der
wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtigkeit auferweckt
wurde" (Röm 4, 25). Alle Menschen bedürfen der Gerechtigkeit Gottes,
denn "alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren" (Röm
3, 23; vgl. Röm 1, 18-3, 20; 11, 32; Gal 3, 22). Im Galaterbrief (3, 6) und
im Römerbrief (4, 3-9) versteht Paulus den Glauben Abrahams (Gen 15, 6) als
Glauben an den Gott, der den Sünder rechtfertigt (Röm 4, 5) und beruft
sich auf das Zeugnis des Alten Testaments, um sein Evangelium zu unterstreichen,
dass jene Gerechtigkeit allen angerechnet wird, die wie Abraham auf Gottes
Versprechen vertrauen. "Der aus Glauben Gerechte wird leben (Hab 2, 4; vgl. Gal
3, 11; Röm 1, 17). In den paulinischen Briefen ist Gottes Gerechtigkeit
zugleich Gottes Kraft für jeden Glaubenden (Röm 1, 16 f.). In Christus
lässt er sie unsere Gerechtigkeit sein (2 Kor 5, 21). Die Rechtfertigung
wird uns zuteil durch Christus Jesus, "den Gott dazu bestimmt hat, Sühne zu
leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben" (Röm 3, 25;
vgl. 3, 21-28). "Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus
eigener Kraft - Gott hat es geschenkt -, nicht auf Grund eurer Werke" (Eph 2, 8
f.).
(11) Rechtfertigung ist Sündenvergebung (Röm 3,
23-25; Apg 13, 39; Lk 18, 14), Befreiung von der herrschenden Macht der
Sünde und des Todes (Röm 5, 12-21) und vom Fluch des Gesetzes (Gal 3,
10-14). Sie ist Aufnahme in die Gemeinschaft mit Gott, schon jetzt, vollkommen
aber in Gottes künftigem Reich (Röm 5, 1 f.). Sie vereinigt mit
Christus und seinem Tod und seiner Auferstehung (Röm 6, 5). Sie geschieht
im Empfangen des Heiligen Geistes in der Taufe als Eingliederung in den einen
Leib (Röm 8, 1 f. 9 f.; 1 Kor 12, 12 f.). All das kommt allein von Gott um
Christi willen aus Gnade durch den Glauben an das "Evangelium vom Sohn Gottes"
(Röm 1, 1-3).
(12) Die Gerechtfertigten leben aus dem Glauben, der aus dem
Wort Christi kommt (Röm 10, 17) und der in der Liebe wirkt (Gal 5, 6), die
Frucht des Geistes ist (Gal 5, 22 f.). Aber da Mächte und Begierden die
Gläubigen äußerlich und innerlich anfechten (Röm 8, 35-39;
Gal 5, 16-21) und diese in Sünde fallen (1 Joh 1, 8.10), müssen sie
die Verheißungen Gottes immer wieder hören, ihre Sünden bekennen
(1 Joh 1, 9), an Christi Leib und Blut teilhaben und ermahnt werden, in
Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gerecht zu leben. Darum sagt der
Apostel den Gerechtfertigten: "Müht euch mit Furcht und Zittern um euer
Heil! Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch
über euren guten Willen hinaus" (Phil 2, 12 f.). Die frohe Botschaft aber
bleibt: "Jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus
Jesus sind" (Röm 8, 1) und in denen Christus lebt (Gal 2, 20). Durch die
gerechte Tat Christi wird es "für alle Menschen zur Gerechtsprechung
kommen, die Leben gibt" (Röm 5, 18).
2 Die Rechtfertigungslehre als ökumenisches
Problem
(13) Die gegensätzliche Auslegung und Anwendung der
biblischen Botschaft von der Rechtfertigung waren im 16. Jahrhundert ein
Hauptgrund für die Spaltung der abendländischen Kirche, was sich auch
in Lehrverurteilungen niedergeschlagen hat. Für die Überwindung der
Kirchentrennung ist darum ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung
grundlegend und unverzichtbar. In Aufnahme von bibelwissenschaftlichen,
theologie- und dogmengeschichtlichen Erkenntnissen hat sich im ökumenischen
Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine deutliche Annäherung
hinsichtlich der Rechtfertigungslehre herausgebildet, so dass in dieser
gemeinsamen Erklärung ein Konsens in Grundwahrheiten der
Rechtfertigungslehre formuliert werden kann, in dessen Licht die entsprechenden
Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht
treffen.
3 Das gemeinsame Verständnis der
Rechtfertigung
(14) Das gemeinsame Hören auf die in der Heiligen Schrift
verkündigte frohe Botschaft und nicht zuletzt die theologischen
Gespräche der letzten Jahre zwischen den lutherischen Kirchen und der
römisch-katholischen Kirche haben zu einer Gemeinsamkeit im
Verständnis von der Rechtfertigung geführt. Es umfasst einen Konsens
in den Grundwahrheiten; die unterschiedlichen Entfaltungen in den Einzelaussagen
sind damit vereinbar.
(15) Es ist unser gemeinsamer Glaube, dass die Rechtfertigung
das Werk des dreieinigen Gottes ist. Der Vater hat seinen Sohn zum Heil der
Sünder in die Welt gesandt. Die Menschwerdung, der Tod und die Auferstehung
Christi sind Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung. Daher bedeutet
Rechtfertigung, dass Christus selbst unsere Gerechtigkeit ist, derer wir nach
dem Willen des Vaters durch den Heiligen Geist teilhaftig werden. Gemeinsam
bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf
Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den
Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu
guten Werken.11
(16) Alle Menschen sind von Gott zum Heil in Christus berufen.
Allein durch Christus werden wir gerechtfertigt, indem wir im Glauben dieses
Heil empfangen. Der Glaube selbst ist wiederum Geschenk Gottes durch den
Heiligen Geist, der im Wort und in den Sakramenten in der Gemeinschaft der
Gläubigen wirkt und zugleich die Gläubigen zu jener Erneuerung ihres
Lebens führt, die Gott im ewigen Leben vollendet.
(17) Gemeinsam sind wir der Überzeugung, dass die
Botschaft von der Rechtfertigung uns in besonderer Weise auf die Mitte des
neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus verweist: Sie
sagt uns, dass wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und
neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen
und im Glauben empfangen, aber nie - in welcher Form auch immer - verdienen
können.
(18) Darum ist die Lehre von der Rechtfertigung, die diese
Botschaft aufnimmt und entfaltet, nicht nur ein Teilstück der christlichen
Glaubenslehre. Sie steht in einem wesenhaften Bezug zu allen Glaubenswahrheiten,
die miteinander in einem inneren Zusammenhang zu sehen sind. Sie ist ein
unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche
unablässig auf Christus hin orientieren will. Wenn Lutheraner die
einzigartige Bedeutung dieses Kriteriums betonen, verneinen sie nicht den
Zusammenhang und die Bedeutung aller Glaubenswahrheiten. Wenn Katholiken sich
von mehreren Kriterien in Pflicht genommen sehen, verneinen sie nicht die
besondere Funktion der Rechtfertigungsbotschaft. Lutheraner und Katholiken haben
gemeinsam das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu
vertrauen ist als dem einen Mittler (1 Tim 2.5 f.), durch den Gott im Heiligen
Geist sich selbst gibt und seine erneuernden Gaben schenkt [vgl. Quellen zu Kap.
3.].
4 Die Entfaltung des gemeinsamen Verständnisses der
Rechtfertigung
4.1 Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts
der Rechtfertigung
(19) Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Blick auf sein
Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die
er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine
Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem
Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung
zuzuwenden oder seine Rechtfertigung vor Gott zu verdienen oder mit eigener
Kraft sein Heil zu erreichen. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade. Weil
Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, darum gilt:
(20) Wenn Katholiken sagen, dass der Mensch bei der
Vorbereitung auf die Rechtfertigung und deren Annahme durch seine Zustimmung zu
Gottes rechtfertigendem Handeln "mitwirke", so sehen sie in solch personaler
Zustimmung selbst eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen
Kräften.
(21) Nach lutherischer Auffassung ist der Mensch unfähig,
bei seiner Errettung mitzuwirken, weil er sich als Sünder aktiv Gott und
seinem rettenden Handeln widersetzt. Lutheraner verneinen nicht, dass der Mensch
das Wirken der Gnade ablehnen kann. Wenn sie betonen, dass der Mensch die
Rechtfertigung nur empfangen kann (mere passive), so verneinen sie damit jede
Möglichkeit eines eigenen Beitrags des Menschen zu seiner Rechtfertigung,
nicht aber sein volles personales Beteiligtsein im Glauben, das vom Wort Gottes
selbst gewirkt wird [vgl. Quellen zu Kap. 4.1].
4.2 Rechtfertigung als Sündenvergebung und
Gerechtmachung
(22) Wir bekennen gemeinsam, dass Gott aus Gnade dem Menschen
die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden
Macht der Sünde befreit und ihm das neue Leben in Christus schenkt. Wenn
der Mensch an Christus im Glauben teilhat, rechnet ihm Gott seine Sünde
nicht an und wirkt in ihm tätige Liebe durch den Heiligen Geist. Beide
Aspekte des Gnadenhandelns Gottes dürfen nicht voneinander getrennt werden.
Sie gehören in der Weise zusammen, dass der Mensch im Glauben mit Christus
vereinigt wird, der in seiner Person unsere Gerechtigkeit ist (1 Kor 1, 30):
sowohl die Vergebung der Sünden, als auch die heiligende Gegenwart Gottes.
Weil Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, darum gilt:
(23) Wenn Lutheraner betonen, dass Christi Gerechtigkeit
unsere Gerechtigkeit ist, wollen sie vor allem festhalten, dass dem Sünder
durch den Zuspruch der Vergebung die Gerechtigkeit vor Gott in Christus
geschenkt wird und sein Leben nur in Verbindung mit Christus erneuert wird. Wenn
sie sagen, dass Gottes Gnade vergebende Liebe ("Gunst Gottes"12) ist,
verneinen sie damit nicht die Erneuerung des Lebens des Christen, sondern wollen
zum Ausdruck bringen, dass die Rechtfertigung frei bleibt von menschlicher
Mitwirkung und auch nicht von der lebenserneuernden Wirkung der Gnade im
Menschen abhängt.
(24) Wenn die Katholiken betonen, dass dem Gläubigen die
Erneuerung des inneren Menschen durch den Empfang der Gnade geschenkt
wird,13 dann wollen sie festhalten, dass die vergebende Gnade Gottes
immer mit dem Geschenk eines neuen Lebens verbunden ist, das sich im Heiligen
Geist in tätiger Liebe auswirkt; sie verneinen damit aber nicht, dass
Gottes Gnadengabe in der Rechtfertigung unabhängig bleibt von menschlicher
Mitwirkung [vgl. Quellen zu Kap. 4.2].
4.3 Rechtfertigung durch Glauben und aus
Gnade
(25) Wir bekennen gemeinsam, dass der Sünder durch den
Glauben an das Heilshandeln Gottes in Christus gerechtfertigt wird; dieses Heil
wird ihm vom Heiligen Geist in der Taufe als Fundament seines ganzen
christlichen Lebens geschenkt. Der Mensch vertraut im rechtfertigenden Glauben
auf Gottes gnädige Verheißung, in dem die Hoffnung auf Gott und die
Liebe zu ihm eingeschlossen sind. Dieser Glaube ist in der Liebe tätig;
darum kann und darf der Christ nicht ohne Werke bleiben. Aber alles, was im
Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht
Grund der Rechtfertigung und verdient sie nicht.
(26) Nach lutherischem Verständnis rechtfertigt Gott den
Sünder allein im Glauben (sola fide). Im Glauben vertraut der Mensch ganz
auf seinen Schöpfer und Erlöser und ist so in Gemeinschaft mit ihm.
Gott selber bewirkt den Glauben, indem er durch sein schöpferisches Wort
solches Vertrauen hervorbringt. Weil diese Tat Gottes eine neue Schöpfung
ist, betrifft sie alle Dimensionen der Person und führt zu einem Leben in
Hoffnung und Liebe. So wird in der Lehre von der "Rechtfertigung allein durch
den Glauben" die Erneuerung der Lebensführung, die aus der Rechtfertigung
notwendig folgt und ohne die kein Glaube sein kann, zwar von der Rechtfertigung
unterschieden, aber nicht getrennt. Vielmehr wird damit der Grund angegeben, aus
dem solche Erneuerung hervorgeht. Aus der Liebe Gottes, die dem Menschen in der
Rechtfertigung geschenkt wird, erwächst die Erneuerung des Lebens.
Rechtfertigung und Erneuerung sind durch den im Glauben gegenwärtigen
Christus verbunden.
(27) Auch nach katholischem Verständnis ist der Glaube
für die Rechtfertigung fundamental; denn ohne ihn kann es keine
Rechtfertigung geben. Der Mensch wird als Hörer des Wortes und Glaubender
durch die Taufe gerechtfertigt. Die Rechtfertigung des Sünders ist
Sündenvergebung und Gerechtmachung durch die Rechtfertigungsgnade, die uns
zu Kindern Gottes macht. In der Rechtfertigung empfangen die Gerechtfertigten
von Christus Glaube, Hoffnung und Liebe und werden so in die Gemeinschaft mit
ihm aufgenommen14. Dieses neue personale Verhältnis zu Gott
gründet ganz und gar in der Gnädigkeit Gottes und bleibt stets vom
heilsschöpferischen Wirken des gnädigen Gottes abhängig, der sich
selbst treu bleibt und auf den der Mensch sich darum verlassen kann. Deshalb
wird die Rechtfertigungsgnade nie Besitz des Menschen, auf den er sich Gott
gegenüber berufen könnte. Wenn nach katholischem Verständnis die
Erneuerung des Lebens durch die Rechtfertigungsgnade betont wird, so ist diese
Erneuerung in Glaube, Hoffnung und Liebe immer auf die grundlose Gnade Gottes
angewiesen und leistet keinen Beitrag zur Rechtfertigung, dessen wir uns vor
Gott rühmen könnten (Röm 3, 27) [vgl. Quellen zu Kap.
4.3].
4.4 Das Sündersein des Gerechtfertigten
(28) Wir bekennen gemeinsam, dass der Heilige Geist in der
Taufe den Menschen mit Christus vereint, rechtfertigt und ihn wirklich erneuert.
Und doch bleibt der Gerechtfertigte zeitlebens und unablässig auf die
bedingungslos rechtfertigende Gnade Gottes angewiesen. Auch er ist der immer
noch andrängenden Macht und dem Zugriff der Sünde nicht entzogen (vgl.
Röm 6, 12-14) und des lebenslangen Kampfes gegen die Gottwidrigkeit des
selbstsüchtigen Begehrens des alten Menschen nicht enthoben (vgl. Gal 5,
16; Röm 7, 7.10). Auch der Gerechtfertigte muss wie im Vaterunser
täglich Gott um Vergebung bitten (Mt 6, 12; 1 Joh 1, 9), er ist immer
wieder zu Umkehr und Buße gerufen, und ihm wird immer wieder die Vergebung
gewährt.
(29) Das verstehen Lutheraner in dem Sinne, dass der Christ
"zugleich Gerechter und Sünder" ist: Er ist ganz gerecht, weil Gott ihm
durch Wort und Sakrament seine Sünde vergibt und die Gerechtigkeit Christi
zuspricht, die ihm im Glauben zu Eigen wird und ihn in Christus vor Gott zum
Gerechten macht. Im Blick auf sich selbst aber erkennt er durch das Gesetz, dass
er zugleich ganz Sünder bleibt, dass die Sünde noch in ihm wohnt (1
Joh 1, 8; Röm 7, 17.20); denn er vertraut immer wieder auf falsche
Götter und liebt Gott nicht mit jener ungeteilten Liebe, die Gott als sein
Schöpfer von ihm fordert (Dtn 6, 5; Mt 22, 36-40 parr.). Diese
Gottwidrigkeit ist als solche wahrhaft Sünde. Doch die knechtende Macht der
Sünde ist auf Grund von Christi Verdienst gebrochen: Sie ist keine den
Christen "beherrschende" Sünde mehr, weil sie durch Christus "beherrscht"
ist, mit dem der Gerechtfertigte im Glauben verbunden ist; so kann der Christ,
solange er auf Erden lebt, jedenfalls stückweise ein Leben in Gerechtigkeit
führen. Und trotz der Sünde ist der Christ nicht mehr von Gott
getrennt, weil ihm, der durch die Taufe und den Heiligen Geist neugeboren ist,
in täglicher Rückkehr zur Taufe die Sünde vergeben wird, so dass
seine Sünde ihn nicht mehr verdammt und ihm nicht mehr den ewigen Tod
bringt15. Wenn also die Lutheraner sagen, dass der Gerechtfertigte
auch Sünder und seine Gottwidrigkeit wahrhaft Sünde ist, verneinen sie
nicht, dass er trotz der Sünde in Christus von Gott ungetrennt und seine
Sünde beherrschte Sünde ist. Im letzteren sind sie mit der
römisch-katholischen Seite trotz der Unterschiede im Verständnis der
Sünde des Gerechtfertigten einig.
(30) Die Katholiken sind der Auffassung, dass die Gnade Jesu
Christi, die in der Taufe verliehen wird, alles was "wirklich" Sünde, was
"verdammungswürdig" ist, tilgt (Röm 8,116), dass jedoch
eine aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung
(Konkupiszenz) im Menschen verbleibt. Insofern nach katholischer
Überzeugung zum Zustandekommen menschlicher Sünden ein personales
Element gehört, sehen sie bei dessen Fehlen die gottwidrige Neigung nicht
als Sünde im eigentlichen Sinne an. Damit wollen sie nicht leugnen, dass
diese Neigung nicht dem ursprünglichen Plan Gottes vom Menschen entspricht,
noch, dass sie objektiv Gottwidrigkeit und Gegenstand lebenslangen Kampfes ist;
in Dankbarkeit für die Erlösung durch Christus wollen sie
herausstellen, dass die gottwidrige Neigung nicht die Strafe des ewigen Todes
verdient17 und den Gerechtfertigten nicht von Gott trennt. Wenn der
Gerechtfertigte sich aber willentlich von Gott trennt, genügt nicht eine
erneute Beobachtung der Gebote, sondern er muss im Sakrament der Versöhnung
Verzeihung und Frieden empfangen durch das Wort der Vergebung, das ihm kraft des
Versöhnungswerkes Gottes in Christus gewährt wird [vgl. Quellen zu
Kap. 4.4].
4.5 Gesetz und Evangelium
(31) Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Glauben an das
Evangelium "unabhängig von Werken des Gesetzes" (Röm 3, 28)
gerechtfertigt wird. Christus hat das Gesetz erfüllt und es durch seinen
Tod und seine Auferstehung als Weg zum Heil überwunden. Wir bekennen
zugleich, dass die Gebote Gottes für den Gerechtfertigten in Geltung
bleiben und dass Christus in seinem Wort und Leben den Willen Gottes, der auch
für den Gerechtfertigten Richtschnur seines Handelns ist, zum Ausdruck
bringt.
(32) Die Lutheraner verweisen darauf, dass die Unterscheidung
und richtige Zuordnung von Gesetz und Evangelium wesentlich ist für das
Verständnis der Rechtfertigung. Das Gesetz in seinem theologischen Gebrauch
ist Forderung und Anklage, unter der jeder Mensch, auch der Christ, insofern er
Sünder ist, zeitlebens steht und das seine Sünde aufdeckt, damit er
sich im Glauben an das Evangelium ganz der Barmherzigkeit Gottes in Christus
zuwendet, die allein ihn rechtfertigt.
(33) Weil das Gesetz als Heilsweg durch das Evangelium
erfüllt und überwunden ist, können Katholiken sagen, dass
Christus nicht ein Gesetzgeber im Sinne von Mose ist. Wenn Katholiken betonen,
dass der Gerechtfertigte zur Beobachtung der Gebote Gottes gehalten ist, so
verneinen sie damit nicht, dass die Gnade des ewigen Lebens den Kindern Gottes
durch Jesus Christus erbarmungsvoll verheißen ist18 [vgl.
Quellen zu Kap. 4.5].
4.6 Heilsgewissheit
(34) Wir bekennen gemeinsam, dass die Gläubigen sich auf
die Barmherzigkeit und die Verheißungen Gottes verlassen können. Auch
angesichts ihrer eigenen Schwachheit und mannigfacher Bedrohung ihres Glaubens
können sie kraft des Todes und der Auferstehung Christi auf die wirksame
Zusage der Gnade Gottes in Wort und Sakrament bauen und so dieser Gnade gewiss
sein.
(35) Dies ist in besonderer Weise von den Reformatoren betont
worden: In der Anfechtung soll der Gläubige nicht auf sich, sondern ganz
auf Christus blicken und ihm allein vertrauen. So ist er im Vertrauen auf Gottes
Zusage seines Heils gewiss, wenngleich auf sich schauend niemals
sicher.
(36) Katholiken können das Anliegen der Reformatoren
teilen, den Glauben auf die objektive Wirklichkeit der Verheißung Christi
zu gründen, von der eigenen Erfahrung abzusehen und allein auf Christi
Verheißungswort zu vertrauen (vgl. Mt 16, 19; 18, 18). Mit dem Zweiten
Vatikanischen Konzil sagen Katholiken: Glauben heißt, sich selbst ganz
Gott anvertrauen,19 der uns aus der Finsternis der Sünde und des
Todes befreit und zum ewigen Leben erweckt.20 Man kann nicht in
diesem Sinn an Gott glauben und zugleich dessen Verheißungswort für
nicht verlässlich halten. Keiner darf an Gottes Barmherzigkeit und an
Christi Verdienst zweifeln. Aber jeder kann in Sorge um sein Heil sein, wenn er
auf seine eigenen Schwächen und Mängel schaut. In allem Wissen um sein
eigenes Versagen darf der Glaubende dessen gewiss sein, dass Gott sein Heil will
[vgl. Quellen zu Kap. 4.6].
4.7 Die guten Werke des Gerechtfertigten
(37) Wir bekennen gemeinsam, dass gute Werke - ein
christliches Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe - der Rechtfertigung folgen und
Früchte der Rechtfertigung sind. Wenn der Gerechtfertigte in Christus lebt
und in der empfangenen Gnade wirkt, bringt er, biblisch gesprochen, gute Frucht.
Diese Folge der Rechtfertigung ist für den Christen, insofern er zeitlebens
gegen die Sünde kämpft, zugleich eine Verpflichtung, die er zu
erfüllen hat; deshalb ermahnen Jesus und die apostolischen Schriften den
Christen, Werke der Liebe zu vollbringen.
(38) Nach katholischer Auffassung tragen die guten Werke, die
von der Gnade und dem Wirken des Heiligen Geistes erfüllt sind, so zu einem
Wachstum in der Gnade bei, dass die von Gott empfangene Gerechtigkeit bewahrt
und die Gemeinschaft mit Christus vertieft werden. Wenn Katholiken an der
"Verdienstlichkeit" der guten Werke festhalten, so wollen sie sagen, dass diesen
Werken nach dem biblischen Zeugnis ein Lohn im Himmel verheißen ist. Sie
wollen die Verantwortung des Menschen für sein Handeln herausstellen, damit
aber nicht den Geschenkcharakter der guten Werke bestreiten, geschweige denn
verneinen, dass die Rechtfertigung selbst stets unverdientes Gnadengeschenk
bleibt.
(39) Auch bei den Lutheranern gibt es den Gedanken eines
Bewahrens der Gnade und eines Wachstums in Gnade und Glauben. Sie betonen
allerdings, dass die Gerechtigkeit als Annahme durch Gott und als Teilhabe an
der Gerechtigkeit Christi immer vollkommen ist, sagen aber zugleich, dass ihre
Auswirkung im christlichen Leben wachsen kann. Wenn sie die guten Werke des
Christen als "Früchte" und "Zeichen" der Rechtfertigung, nicht als eigene
"Verdienste" betrachten, so verstehen sie gleichwohl das ewige Leben
gemäß dem Neuen Testament als unverdienten "Lohn" im Sinne der
Erfüllung von Gottes Zusage an die Glaubenden. [vgl. Quellen zu Kap.
4.7].
5 Die Bedeutung und Tragweite des erreichten
Konsenses
(40) Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis
der Rechtfertigungslehre zeigt, dass zwischen Lutheranern und Katholiken ein
Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht, in dessen Licht die
in Nr. 18 bis 39 beschriebenen, verbleibenden Unterschiede in der Sprache, der
theologischen Ausgestaltung und der Akzentsetzung des
Rechtfertigungsverständnisses tragbar sind. Deshalb sind die lutherische
und die römisch-katholische Entfaltung des Rechtfertigungsglaubens in ihrer
Verschiedenheit offen aufeinander hin und heben den Konsens in den
Grundwahrheiten nicht wieder auf.
(41) Damit erscheinen auch die Lehrverurteilungen des 16.
Jahrhunderts, soweit sie sich auf die Lehre von der Rechtfertigung beziehen, in
einem neuen Licht: Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der
lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils
getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht
die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen
Kirche.
(42) Dadurch wird den auf die Rechtfertigungslehre bezogenen
Lehrverurteilungen nichts von ihrem Ernst genommen. Etliche waren nicht einfach
gegenstandslos; sie behalten für uns "die Bedeutung von heilsamen
Warnungen", die wir in Lehre und Praxis zu beachten haben.21
(43) Unser Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre
muss sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewähren. Im
Blick darauf gibt es noch Fragen von unterschiedlichem Gewicht, die weiterer
Klärung bedürfen: sie betreffen unter anderem das Verhältnis von
Wort Gottes und kirchlicher Lehre sowie die Lehre von der Kirche, von der
Autorität in ihr, von ihrer Einheit, vom Amt und von den Sakramenten,
schließlich von der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Sozialethik. Wir
sind der Überzeugung, dass das erreichte gemeinsame Verständnis eine
tragfähige Grundlage für eine solche Klärung bietet. Die
lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche werden sich
weiterhin bemühen, das gemeinsame Verständnis zu vertiefen und es in
der kirchlichen Lehre und im kirchlichen Leben fruchtbar werden zu
lassen.
(44) Wir sagen dem Herrn Dank für diesen entscheidenden
Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung. Wir bitten den Heiligen Geist,
uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi
ist.
-~-
Vorsicht ! Bisher Tippfehlerkorrektur noch
nicht erfolgt !
(ABl. 1998 B 39)
Am 25. Juni, dem Gedenktag der Verlesung des Augsburger
Bekenntnisses, veröffentlichte der Vatikan seine Antwort auf die Gemeinsame
Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Die Stellungnahme aus Rom war mit
Spannung erwartet worden und brachte eine unvorhergesehene Wende. Dennoch - oder
gerade deshalb - ist die theologische Arbeit an dieser Erklärung um der
Sache willen weiterhin notwendig.
In letzter Zeit waren gelegentlich kritische Stimmen zu
hören, dass diese Gemeinsame Erklärung (vgl. ABl. 1997, B 57 ff.)
unsere Gemeinden kaum oder nur am Rande berühre. In der Tat ist der Text
eines solchen ökumenischen Dokuments nicht leicht zu lesen. Die
erforderliche Genauigkeit der Formulierungen ist wenig leserfreundlich. Aber die
Sache, die Arbeit an Schrift und Bekenntnis, geht uns als Kirche miteinander an.
Die Bekenntnisschriften sind eine "Erinnerungspotenz", da unsere
Verkündigung nicht ohne eine ernstliche Auseinandersetzung mit der
Tradition auskommt; sie sind ein "Fluchtgitter", d. h. sie wirken
häretischen Faktoren im eigenen theologischen Denken entgegen;
schließlich sind sie eine "Konzentrationsnötigung", d. h. sie stellen
einen Prioritätenkatalog dar und verweisen auf das Zentrum der Schrift. Wir
dokumentieren im Folgenden für die theologische Arbeit in Konventen oder
ökumenischen Arbeitskreisen und für das Gespräch in den
Gemeinden
1. die Erklärung der Kirchenleitung vom 16. Juli 1998;
2. die Antwort des Vatikans im vollen Wortlaut;
3. die Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland vom 17. Juli 1998.
Solche gemeinsamen Bemühungen sollten helfen, "eine
Sprache zu finden, die imstande ist, die Rechtfertigungslehre auch den Menschen
unserer Zeit verständlicher zu machen", wie die Antwort aus Rom
anregt.
Ein Zugang ist zu finden, wenn es gelingt, die seelsorgerliche
Ausrichtung allen Redens von der Rechtfertigung zu verdeutlichen.
In einer Welt der Leistung, in der zuerst das gilt, "was sich
rechnet", entscheidet die Weise, wie Christus und der Glaube im Ereignis der
Rechtfertigung zusammenstehen, über das Verständnis Gottes wie des
Menschen, über klare Verkündigung und den schriftgemäßen
Gebrauch der Sakramente.
"An Christus zu glauben ohne Werke" (M. Luther, WA 29, 481,17)
meint im Kern den Zuspruch und Trost wider die Angst, was aus mir wird, wenn ich
so bin, wie ich bin. Gott nimmt mich trotz meines missratenen oder gelingenden
Tuns an, d. h. obwohl ich so bin, wie ich bin.
Dass ich so bin, ist nicht ein "Ausrutscher" oder
"Kavaliersdelikt". Es reicht bis ins "Unterfutter" meines Wesens. Das ist auch
der Grund, dass nach reformatorischem Verständnis die Sünde nicht
vornehmlich in Tatsünden besteht. Es bedeutet schon eine heilsame
Ernüchterung, dass "auch in dem besten Leben" unser Tun unentrinnbar
untermischt ist mit Bösem und mit einer Unreinheit des Herzens, das in der
Tiefe nicht aus und in der Liebe Gottes lebt. Heilung kann geschehen, wo der
Krankheitsherd lokalisiert ist.
Bis ins Letzte tragende Heilsgewissheit ist nur im Blick auf
Christus und das Wort seiner Verheißung zu gewinnen, nicht auf das eigne
Tun. Christus ist nicht nur die Ursache, sondern auch die Gabe der
Rechtfertigung. Der "Effekt" der Rechtfertigung besteht nicht nur in der
Sündentilgung, sondern in der Christusgemeinschaft und darin, dass Christus
der Herr unseres Lebens ist. Die guten Werke sind die Folge, nicht die
Voraussetzung. Getrösteter Glaube kann darum nicht so folgenlos bleiben,
wie R. Huch kritisierte, "dass die meisten Menschen bereitwillig die Last der
guten Werke abschüttelten und das Wohlgefühl, das die Erleichterung
mit sich brachte, für göttliche Gnade hielten. Sie glaubten sich im
Schlaraffenland, wo die Seligkeit dem Faulsten in den Schoß fliege". Die
Zuordnung von Glaube und Werken, Rechtfertigung und Heiligung ist ein
"immergrünes" Thema christlichen Lebens und der Theologie
überhaupt.
Aus diesem Grunde ist das "simul iustus et peccator" keine
"Formel", sondern eine unaufgebbare Zustandbeschreibung einer realen
Glaubenserfahrung. Das Leben des Christen bleibt im Widerstreit (Röm 7):
ich gehöre durch die Taufe bleibend zu Gott - obwohl ich immer wieder von
Gott wegstrebe. Christus zu folgen oder ihm zu widerstreben reicht bis in die
Tiefe. Das bedeutet aber keinesfalls, dass alles beim Alten bleibt oder wir auf
der Stelle treten. "Auch der peccator ist iustus, denn er ist der
Rekonvaleszent, der auf die volle Genesung zugeht und dem Gott schon die
Gerechtigkeit zugesprochen hat." (R. Herrmann). Genau genommen schreiten wir
nicht zur Gesundheit vor, sondern sie ist schon da, ist in uns auf dem Wege.
Trotz der tiefen Gespaltenheit sind wir im Innersten nicht zwei Menschen. Der
"iustus" und der "Peccator" in uns "sind also nicht voneinander getrennt
vorzustellen, sondern sie sind wie die Morgendämmerung, die weder Tag noch
Nacht ist, aber dennoch beides genannt werden kann, mehr aber ist sie als Tag zu
bezeichnen, zu welchem sie sich von der Finsternis der Nacht hinbewegt" (M.
Luther, WA 2, 586,9 zu Gal 5,17).
1. Erklärung der Kirchenleitung der Ev.-Luth.
Landekirche Sachsens zur Antwort des Vatikans zur Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre
Die Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens hatte am
27. März 1998 der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre
zugestimmt. Damit war die Hoffnung verbunden, einen wichtigen Schritt zur
vertieften Gemeinschaft der Kirchen zu gehen, dem weitere Schritte folgen
sollten. Die Antwort des Vatikans auf die Gemeinsame Erklärung vom 25. Juni
1998 brachte jedoch eine unerwartet herbe Enttäuschung. Sie würdigt
zwar, dass es zwischen der katholischen und der lutherischen Position zahlreiche
Konvergenzpunkte gibt und ein hoher Grad an Übereinstimmung erreicht wurde.
Die Antwort lässt jedoch nicht erkennen, worin die katholische Seite den
Fortschritt im gegenseitigen Verständnis und in der Annäherung der
Dialogpartner sieht.
Die Gemeinsame Erklärung zielt darauf, die formulierten
Übereinstimmungen gemeinsam zu bejahen und festzustellen, dass die
Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts die in der Gemeinsamen Erklärung
vorgelegte Lehre der jeweils anderen Seite nicht treffen und verbleibende
Unterschiede tragbar sind. Dieses Ziel ist nicht erreicht.
Die Antwort aus Rom besteht darauf, dass erst andere
Divergenzen überwunden werden müssen, ehe "auf jene Wahrheiten,
über die ein Konsens erreicht worden ist, die Verurteilungen des Trienter
Konzils nicht mehr anzuwenden sind". Diese fundamentalen Einwände
überraschen. Sie waren nicht den Änderungswünschen der
katholischen Seite vor der Formulierung des endgültigen Textes der
Gemeinsamen Erklärung im Januar 1997 zu entnehmen. Besonders schwerwiegend
ist:
- Die Antwort aus Rom bekräftigt, "dass das ewige Leben
gleichzeitig sowohl Gnade als auch Lohn ist, der von Gott für die guten
Werke und Verdienste erstattet wird".
Sie geht damit hinter bereits gefundene
Übereinstimmungen zurück. Nach lutherischer Auffassung sind die guten
Werke als Früchte des Glaubens erforderlich. Sie gelten dem Nächsten
"aus reiner Liebe allein". Sie sind aber frei von der bangen Sorge, ob genug
geleistet ist, um die letztgültige Akzeptanz Gottes zu finden.
- Beschwerlich ist die Feststellung, dass die
Verurteilungen des Konzils von Trient weiterhin die Einsicht treffen, dass der
Christ "zugleich Gerechter und Sünder ist". Dieser reformatorische Kernsatz
nimmt das Zeugnis der Heiligen Schrift und die Erfahrung von Christen auf. Sie
erleben sich als Sünder, die Gottes Willen und Gebot zuwider handeln, und
dennoch auf den Zuspruch des Erbarmens Gottes vertrauen dürfen.
- Schmerzlich ist der grundsätzliche Zweifel an der
"tatsächlichen Autorität" des durch Synodenbeschlüsse erzielten
Konsenses im Leben und in der Lehre der lutherischen Gemeinschaft.
Die römisch-katholische Antwort muss in nächster
Zeit in der weltweiten Gemeinschaft der lutherischen Kirchen und mit den anderen
reformatorischen Kirchen sorgfältig geprüft und in ihren Auswirkungen
bedacht werden. Die tief gehende Kritik aus Rom kann nicht das Wirken derjenigen
schmälern, die sich auf katholischer und evangelischer Seite um Einigung im
Kern unseres Glaubens gemüht haben und weiterhin mühen.
Die Kirchenleitung bittet die Gemeinden, die ökumenischen
Kontakte weiter zu intensivieren trotz der Enttäuschung über die
Antwort aus Rom zur Gemeinsamen Erklärung. Wir halten weitere Schritte zu
einer vertieften Gemeinschaft der Kirchen für notwendig. Dazu gehört
auch die gegenseitige Einladung zur Feier des Heiligen Abendmahls in
Sonntagsgottesdiensten, die evangelischerseits seit langem ausgesprochen ist,
sowie die Verminderung der Belastungen für bekenntnisverschiedene
Ehen.
Wir bitten die Gemeinden, in ökumenischen Begegnungen die
Gemeinsamkeiten mit den katholischen Christen wahrzunehmen und zur Grundlage
gemeinsamen Handelns zu machen. Das gemeinschaftliche Bezeugen des Glaubens und
das gemeinsame Handeln in unserer Gesellschaft sind dringend erforderlich, zumal
unsere Umwelt die christliche Botschaft zunehmend fremd empfindet. Wir hoffen,
dass auch in Zukunft die Gemeinschaft beider Kirchen sich im gemeinsamen Zeugnis
und Dienst bewährt.
Dresden, am 16. Juli 1998
Landesbischof, Vorsitzender der
Kirchenleitung
Volker Kreß
2. Antwort der Katholischen Kirche auf die Gemeinsame
Erklärung zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund
über die Rechtfertigungslehre
ERKLÄRUNG
Die "Gemeinsame Erklärung zwischen der Katholischen
Kirche und dem Lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre"
("Gemeinsame Erklärung") stellt einen bemerkenswerten Fortschritt im
gegenseitigen Verständnis und in der Annäherung der Dialogpartner dar;
sie zeigt, dass es zwischen der katholischen und der lutherischen Position in
einer jahrhundertelang so kontroversen Frage zahlreiche Konvergenzpunkte gibt.
Man kann mit Sicherheit sagen, dass sowohl, was die Ausrichtung der
Fragestellung betrifft, als auch hinsichtlich der Beurteilung, die sie verdient,
ein hoher Grad an Übereinstimmung erreicht worden ist.(1) Die Feststellung,
dass es "einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre"(2) gibt, ist
richtig.
Trotzdem ist die katholische Kirche der Überzeugung,
dass man noch nicht von einem so weitgehenden Konsens sprechen könne, der
jede Differenz zwischen Katholiken und Lutheranern im Verständnis der
Rechtfertigung ausräumen würde. Die "Gemeinsame Erklärung" nimmt
selbst auf einige dieser Unterschiede Bezug. Tatsächlich sind die
Positionen in einigen Punkten noch unterschiedlich. Auf der Grundlage der
bereits unter zahlreichen Aspekten erzielten Übereinstimmung will die
katholische Kirche zur Überwindung der noch bestehenden Divergenzen dadurch
beitragen, dass sie im Folgenden eine Reihe von Punkten, nach ihrer Bedeutung
geordnet, vorlegt, die bei diesem Thema einer Verständigung in allen
Grundwahrheiten zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund
noch entgegenstehen. Die katholische Kirche hofft, dass die nachfolgenden
Hinweise ein Ansporn sein können, um das Studium dieser Fragen in demselben
brüderlichen Geist weiterzuführen, der den Dialog zwischen der
katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund in letzter Zeit geprägt
hat.
PRÄZISIERUNGEN
1. Die größten Schwierigkeiten, um von einem
vollständigen Konsens über das Thema Rechtfertigung zwischen den
beiden Seiten sprechen zu können, finden sich in Paragraph 4.4 "Das
Sündersein des Gerechtfertigten" (Nr. 28-30). Selbst unter
Berücksichtigung der in sich legitimen Unterschiede, die von
unterschiedlichen theologischen Zugangswegen zur Gegebenheit des Glaubens
herrühren, löst vom katholischen Standpunkt her schon allein die
Überschrift Erstaunen aus. Nach der Lehre der katholischen Kirche wird
nämlich in der Taufe all das, was wirklich Sünde ist, hinweggenommen,
und darum hasst Gott nichts in den Wiedergeborenen(3). Daraus folgt, dass die
Konkupiszenz, die im Getauften bleibt, nicht eigentlich Sünde ist. Deshalb
ist die Formel "zugleich Gerechter und Sünder" so, wie sie am Anfang von
Nr. 29 erklärt wird ("Er ist ganz gerecht, weil Gott ihm durch Wort und
Sakrament seine Sünde vergibt ... In Blick auf sich selbst aber erkennt er
..., dass er zugleich ganz Sünder bleibt, dass die Sünde noch in ihm
wohnt..."), für Katholiken nicht annehmbar. Diese Aussage erscheint
nämlich unvereinbar mit der Erneuerung und Heiligung des inneren Menschen,
von der das Trienter Konzil spricht. Der in Nr. 28-30 verwendete Begriff
"Gottwidrigkeit" wird von Katholiken und Lutheranern unterschiedlich verstanden
und wird daher tatsächlich zu einem mehrdeutigen Begriff. In demselben Sinn
ist für einen Katholiken auch der Satz in Nr. 22: "... rechnet ihm Gott
seine Sünde nicht an und wirkt in ihm tätige Liebe durch den Heiligen
Geist", nicht eindeutig genug, weil die innere Verwandlung des Menschen nicht
klar zum Ausdruck kommt. Aus all diesen Gründen gibt es Schwierigkeiten mit
der Aussage, diese Lehre über das "simul iustus et peccator" sei in der
aktuellen Fassung, in der sie in der "Gemeinsamen Erklärung" vorgelegt
wird, nicht von den Anathemata (Verurteilungen) der tridentinischen Dekrete
über die Ursünde und die Rechtfertigung betroffen.
2. Eine weitere Schwierigkeit findet sich in Nr. 18 der
"Gemeinsamen Erklärung", in der sich ein klarer Unterschied in Bezug auf
die Bedeutung herausstellt, welche die Rechtfertigungslehre für Katholiken
und Lutheraner als Kriterium für das Leben und die Praxis der Kirche hat.
Während für die Lutheraner diese Lehre eine ganz einzigartige
Bedeutung erlangt hat, muss, was die katholische Kirche betrifft,
gemäß der Schrift und seit den Zeiten der Väter die Botschaft
von der Rechtfertigung organisch in das Grundkriterium der "regula fidei"
einbezogen werden, nämlich das auf Christus als Mittelpunkt ausgerichtete
und in der lebendigen Kirche und ihrem sakramentalen Leben verwurzelte
Bekenntnis des dreieinigen Gottes.
3. Wie es in Nr. 17 der "Gemeinsamen Erklärung"
heißt, teilen Lutheraner und Katholiken die gemeinsame Überzeugung,
dass das neue Leben aus der göttlichen Barmherzigkeit und nicht aus unserem
Verdienst kommt. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass diese göttliche
Barmherzigkeit, wie es in 2. Kor 5,17 heißt, eine neue Schöpfung
bewirkt und damit den Menschen befähigt, in seiner Antwort auf das Geschenk
Gottes mit der Gnade mitzuwirken. In diesem Zusammenhang nimmt die katholische
Kirche mit Befriedigung zur Kenntnis, dass Nr. 21 in Übereinstimmung mit
can. 4 des Dekretes des Trienter Konzils über die Rechtfertigung (DS 1554)
sagt, dass der Mensch die Gnade zurückweisen kann; es müsste aber auch
gesagt werden, dass dieser Freiheit zur Zurückweisung auch eine neue
Fähigkeit zur Annahme des göttlichen Willens entspricht, eine
Fähigkeit, die man mit Recht "cooperatio" (Mitwirkung) nennt. Diese mit der
neuen Schöpfung geschenkte Neubefähigung gestattet nicht die
Verwendung des Ausdrucks "mere passive" (Nr. 21). Dass diese Fähigkeit
andererseits Geschenkcharakter hat, drückt das 5. Kapitel des
tridentinischen Dekretes (DS 1525) treffend aus, wenn es sagt: "ita ut tangente
Deo cor hominis per Spiritus Sancti illuminationen, neque homo ipse nihil omnino
agat, inspirationen illam recipiens, quippe qui illam et abicere potest, neque
tamen sine gratia Dei movere se ad iustitiam coram illo libera sua voluntate
possit" ["wenn also Gott durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes des Herz des
Menschen berührt, tut der Mensch selbst, wenn er diese Einhauchung
aufnimmt, weder überhaupt nichts - er könnte sie ja auch
verschmähen -, noch kann er sich andererseits ohne die Gnade Gottes durch
seinen freien Willen auf die Gerechtigkeit vor ihm zubewegen"].
In der Tat wird auch von lutherischer Seite in Nr. 21 ein
"volles personales Beteiligtsein im Glauben" festgehalten. Es bedürfte
jedoch einer Klarstellung über die Vereinbarkeit dieses Beteiligtseins mit
der Annahme der Rechtfertigung "mere passive", um den Grad der
Übereinstimmung mit der katholischen Lehre genauer festzustellen. Was
sodann den Schlusssatz von Nr. 24 - "Gottes Gnadengabe in der Rechtfertigung
bleibt unabhängig von menschlicher Mitwirkung" - betrifft, so muss er in
dem Sinne verstanden werden, dass die Gnadengaben Gottes nicht von den Werken
des Menschen abhängig sind, nicht aber in dem Sinne, dass die
Rechtfertigung ohne Mitwirkung des Menschen erfolgen könne. In analoger
Weise muss sich der Satz in Nr. 19, wonach die Freiheit des Menschen "keine
Freiheit auf sein Heil hin" ist, mit der Aussage über das Unvermögen
des Menschen, aus eigener Kraft die Rechtfertigung zu erlangen, verbinden
lassen.
Die katholische Kirche vertritt auch die Ansicht, dank die
guten Werke des Gerechtfertigten immer Frucht der Gnade sind. Doch gleichzeitig
und ohne irgendetwas von der totalen göttlichen Initiative aufzuheben (5),
sind sie Frucht des gerechtfertigten und innerlich verwandelte Menschen. Man
kann daher sagen, dass das ewige Leben gleichzeitig sowohl Gnade als auch Lohn
ist, der von Gott für die guten Werke und Verdienste erstattet wird (6).
Diese Lehre ist die Konsequenz aus der inneren Verwandlung des Menschen, von der
in Nr. 1 dieser Note die Rede war. Diese Klarstellungen verhelfen zu dem vom
katholischen Standpunkt aus angemessenen Verständnis von Paragraph 4.7 (Nr.
37-39) über die guten Werke des Gerechtfertigten.
4. Bei der Fortführung dieser Bemühung wird man auch
das Sakrament der Buße behandeln müssen, das in Nr. 30 der
"Gemeinsamen Erklärung" erwähnt wird. Denn durch dieses Sakrament
kann, wie das Konzil von Trient formuliert (7), der Sünder aufs Neue
gerechtfertigt werden (rursus
iustificari); das schließt die Möglichkeit ein,
durch dieses Sakrament, das sich von dem der Taufe unterscheidet, die verlorene
Gerechtigkeit wiederzuerlangen (8). Nicht auf all diese Aspekte wird in besagter
Nr. 30 ausreichend hingewiesen.
5. Diese Beobachtungen wollen die Lehre der katholischen
Kirche in Bezug auf jene Punkte präzisieren, über die keine
völlige Übereinstimmung erreicht wurde, und einige der Paragraphen,
die die katholische Lehre darlegen, ergänzen, um das Maß des
Konsenses, zu dem man gelangt ist, besser ins Licht zu rücken. Der hohe
Grad der erreichten Übereinstimmung gestattet allerdings noch nicht zu
behaupten, dass alle Unterschiede, die Katholiken und Lutheraner in der
Rechtfertigungslehre trennen, lediglich Fragen der Akzentuierung oder
sprachlichen Ausdrucksweise sind. Einige betreffen inhaltliche Aspekte, und
daher sind nicht alle, wie in Nr. 40 behauptet wird, wechselseitig miteinander
vereinbar.
Außerdem ist zu sagen: Auch wenn es stimmt, dass auf
jene Wahrheiten, über die ein Konsens erreicht worden ist, die
Verurteilungen des Trienter Konzil nicht mehr anzuwenden sind, müssen
dennoch erst die Divergenzen, die andere Punkte betreffen, überwunden
werden, bevor man geltend machen kann, dass - wie es in Nr. 41 ganz allgemein
heißt - diese Punkte nicht mehr unter die Verurteilungen des Konzils von
Trient fallen. Das gilt an erster Stelle für die Lehre über das "simul
iustus et peccator" (vgl. oben Nr. 1).
6. Schließlich ist unter dem Gesichtspunkt der
Repräsentativität auf den unterschiedlichen Charakter der beiden
Partner hinzuweisen, die diese "Gemeinsame Erklärung" erarbeitet haben. Die
katholische Kirche erkennt die vom Lutherischen Weltbund unternommene
große Anstrengung an, durch Konsultation der Synoden den "magnus
consensus" zu erreichen, um seiner Unterschrift echten kirchlichen Wert zu
geben: es bleibt allerdings die Frage der tatsächlichen Autorität
eines solchen synodalen Konsenses, heute und auch in Zukunft, im Leben und in
der Lehre der lutherischen Gemeinschaft.
PERSPEKTIVEN FÜR DIE KÜNFTIGE ARBEIT
7. Die katholische Kirche möchte ihre Erwartung
bekräftigen, dass diesem wichtigen Schritt hin zu einem Einvernehmen in der
Rechtfertigungslehre weitere Studien folgen mögen, die eine zufrieden
stellende Klärung der noch bestehenden Divergenzen erlauben.
Wünschenswert wäre insbesondere eine Vertiefung des biblischen
Fundamentes, das sowohl für die Katholiken wie für die Lutheraner die
gemeinsame Grundlage der Rechtfertigungslehre darstellt. Besagte Vertiefung
sollte dem ganzen neuen Testament und nicht nur den paulinischen Schriften
gelten. Denn auch wenn es zutrifft, dass der hl. Paulus der neutestamentliche
Autor ist, der am meisten über dieses Thema gesprochen hat, was eine
gewisse vorrangige Aufmerksamkeit verlangt, fehlt es auch in den anderen
Schriften des Neues Testamentes nicht an fundierten Bezugnahmen auf dieses
Thema. Was die von der "Gemeinsamen Erklärung" erwähnten verschiedenen
Formen betrifft, mit denen Paulus den neuen Zustand des Menschen beschreibt, so
könnte man die Kategorien der Sohnschaft und der Erbschaft (Gal 4,4-7;
Röm 8,14-17) hinzufügen. Die Betrachtung aller dieser Elemente wird
für das gegenseitige Verständnis sehr hilfreich sein und die
Lösung jener noch bestehenden Divergenzen in der Rechtfertigungslehre
ermöglichen.
8. Schließlich sollten sich Lutheraner und Katholiken
gemeinsam darum bemühen, eine Sprache zu finden, die imstande ist, die
Rechtfertigungslehre auch den Menschen unserer Zeit verständlicher zu
machen. Die Grundwahrheiten von dem von Christus geschenkten und im Glauben
angenommenen Heil, vom Primat der Gnade vor jeder menschlichen Initiative, von
der Gabe des Heiligen Geistes, der uns dazu fähig macht, unserem Stand als
Kinder Gottes entsprechend zu leben, usw. sind wesentliche Aspekte der
christlichen Botschaft, die die Gläubigen aller Zeiten erleuchten
sollten.
---
Diese Note, welche die offizielle katholische Antwort auf den
Text der "Gemeinsamen Erklärung" darstellt, ist in gemeinsamer
Verständigung zwischen der Kongretation für die Glaubenslehre und dem
Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen
ausgearbeitet worden und wird vom Präsidenten dieses Päpstlichen Rates
als direkt Verantwortlichem für den ökumenischen Dialog
unterzeichnet.
Anmerkungen
1 Vgl. "Gemeinsame Erklärung", Nr. 4: "ein hohes
Maß an gemeinsamer Ausrichtung und gemeinsamem Urteil".
2 Ebd., Nr. 5; vgl. Nr. 13-, 40; 43.
3 Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die Ursünde
(DS 1515).
4 Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die
Rechtfertigung, Kap. 8, "...iustifieatio. quae non est sola peccatorum remissio,
sed et sanctificatio et renovatio interioris hominis" ["...die
Rechtfertigung..., die nicht nur Vergebung der Sünden ist, sondern auch
Heiligung und Erneuerung des inneren Menschen"] (DS 1528); vgl. auch can. 11 (DS
1561).
5 Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die
Rechtfertigung, Kap. 16 (DS 1546), wo Joh 15,5, der Weinstock und die Reben,
zitiert wird.
6 Vgl. ebd. DS 1545; und can. 26 (DS 1576).
7 Ebd. Kap. 14 (vgl. DS 1542).
8 Vgl. ebd. can. 29 (DS 1579); Dekret über das
Sakrament der Buße, Kap. 2 (DS 1671); can. 2 (DS 1702).
(Übersetzt aus dem italienischen Original)
3. Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) zur Antwort aus Rom auf die Gemeinsame Erklärung zur
Rechtfertigungslehre
Am 25. Juni 1998 wurde die offizielle Antwort des Vatikans auf
die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre veröffentlicht. Da
diese Antwort den gesamte Protestantismus betrifft und sich auf das evangelisch
katholische Verhältnis insgesamt auswirkt, hat der Rat der EKD am 17. Juli
1998 auf seiner ersten der Veröffentlichung folgenden Sitzung über die
Antwort aus Rom eingehend beraten.
Er nimmt dazu wie folgt Stellung:
Unseren katholischen Freunden sagen wir: Wir bleiben zusammen.
Wir lassen uns von unseren katholischen Mit-Christen weder trennen noch
entfernen - auch nicht durch Signale aus dem Vatikan, die alte
Lehrverurteilungen bekräftigen.
Allen Gemeinden rufen wir zu: Die praktische Zusammenarbeit
zwischen evangelischen und katholischen Christen am Ort und darüber hinaus
bis zum Rat der EKD: und zur katholischen Deutschen Bischofskonferenz hat sich
bewährt. Über viele Jahre hin hat sie starke und lebendige
Gemeinsamkeit entstehen lassen. An ihr halten wir fest. Lasst sie uns weiter
vertiefen.
Um der Menschen willen, die sich nach Einheit im Glauben und
nach Gemeinschaft im Gottesdienst sehnen, bekräftigen wir: Auch
ärgerliche Rückschläge können uns nicht von dem Versuch
abbringen, kirchliche Lehrfragen zu klären.
Im Einzelnen erklären wir:
1. Uns verbindet viel mehr, als uns trennt: Diese
Überzeugung bestimmt auch weiterhin das Verhältnis zwischen den
evangelischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche. Ein Herr,
ein Glaube, eine Taufe, eine Hoffnung (Epheser 4) - aus der
Bindung an diese fundamentalen Gemeinsamkeiten wachsen auch in der Zukunft die
Kräfte, die andauernden schmerzlichen Folgen der Trennung zu
überwinden und bleibende Differenzen in versöhnter Verschiedenheit
auszuhalten. Die Überzeugung, dass uns viel mehr verbindet, als uns trennt,
hilft auch dabei, Rückschläge im Bemühen um eine Vertiefung der
ökumenischen Beziehungen zu verkraften.
2. Die Gemeinsame Erklärung hat zwei Ziele verfolgt: Auf
der Grundlage der in der Erklärung beschriebenen Übereinstimmungen
einen "Konsens in Grundwahrheiten" der Rechtfertigungslehre zu erzielen und
zugleich festzustellen, dass die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts die in
der Gemeinsamen Erklärung vorgelegte Lehre der jeweils anderen Seite nicht
treffen. Die Antwort des Vatikans nötigt auf Grund der in den
"Präzisierungen" vorgenommenen Einschränkungen zu der Deutung: Aus
seiner Sicht sind im Ergebnis beide Ziele nicht erreicht.
3. Auch auf der evangelischen Seite hat es Kritik an der
Gemeinsamen Erklärung gegeben. In der jetzt eingetretenen Lage hilft es
nicht weiter, eine Auseinandersetzung darüber zu führen, wer in diesem
Streit Recht hatte oder Recht behält. Beide Aspekte müssen zur Geltung
gebracht werden: Das Bemühen um eine ökumenische Hermeneutik, die in
der Ausdrucksweise einer anderen Tradition die Gemeinsamkeit in der Sache
wahrnimmt, und das beharrliche Dringen auf sachliche Klarheit, das sich
nicht zufrieden gibt mit mehrdeutigen und widersprüchlichen
Kompromissformulierungen.
4. Die Antwort aus Rom vermeidet es, von den lutherischen
Kirchen als Kirchen zu sprechen. Dies hat auf der Seite der evangelischen
Kirchen schon bei der Beschäftigung mit der Gemeinsamen Erklärung
selbst erheblichen Anstoß erregt. Es ist bedauerlich, dass in dieser Frage
nach wie vor Positionen festgehalten werden, die in der Sache unangemessen sind
und dem Verhältnis zwischen unseren beiden Kirchen nicht gerecht
werden.
5. Die römische Antwort stellt darüber hinaus die
Frage, welche tatsächliche Autorität der unter den lutherischen
Kirchen über die Gemeinsame Erklärung erzielte Konsens "heute und auch
in der Zukunft im Leben und in der Lehre der lutherischen Gemeinschaft" hat.
Auch der evangelischen Seite ist der Weg fremd, auf dem in der
römisch-katholischen Kirche Lehrentscheidungen zustande kommen. Aber
ökumenischer Dialog setzt voraus, dass man den Weg von Lehrentscheidungen
wechselseitig respektiert. Deshalb kann, wenn das ökumenische Miteinander
gedeihlich bleiben soll, der Weg der römisch-katholischen Kirche nicht zum
Bewertungsmaßstab für das Zustandekommen von Entscheidungen in den
reformatorischen Kirchen gemacht werden.
6. Der Vorschlag, die Rechtfertigungsbotschaft, wie sie uns
insbesondere in den Briefen des Paulus entgegentritt, in den weiteren Horizont
des gesamten Neuen Testaments zu rücken, verdient Zustimmung. Dies kann
jedoch in evangelischem Verständnis nicht bedeuten, dass dadurch die
Bedeutung der Rechtfertigung allein aus Gnade und allein durch Glauben als
maßgebliches Kriterium für Lehre und Leben der Kirche
abgeschwächt wird. Soweit die Antwort die Darstellung der
römisch-katholischen Lehre in der Gemeinsamen Erklärung für
ergänzungsbedürftig hält, muss die innerkatholische Diskussion
weitere Klärung erbringen. Die Antwort stellt jedoch auch Kernstücke
der reformatorischen Rechtfertigungslehre in Frage, die nach unserem Urteil
unaufgebbar sind. So hat die Aussage, der Glaubende sei "gerecht und Sünder
zugleich", ihren bleibenden Sinn gerade darin, herauszustellen, dass die
überlegene göttliche Gnade ihn von der "Mitwirkung" an seiner
Rechtfertigung entlastet und zugleich von der Illusion befreit, er könne
das ewige Leben "auch" als Lohn für die guten Werke und Verdienste
erwarten.
7. Die Antwort aus Rom stützt sich auf Gründe, die
schon bei der Ausarbeitung der Gemeinsamen Erklärung hätten vorgelegt
werden können, die aber durch den gemeinsamen Abschluss der Arbeiten als
überwunden betrachtet werden mussten. Es ist ein ökumenisch
unakzeptables Verfahren, dass der Vatikan sie erst jetzt, nach dem
Urteilsbildungs- und Entscheidungsprozess im Lutherischen Weltbund und seinen
Mitgliedskirchen, vorbringt. Jeder künftige Arbeitsprozess zur Gewinnung
eines Lehrkonsenses muss auf den Grundsatz aufgebaut sein, dass
gleichberechtigte und gleichverpflichtete Partner in zeitlicher Abstimmung zu
verlässlichen Zwischenergebnissen und verbindlichen Entscheidungen
gelangen.
8. Die evangelischen Kirchen müssen im ökumenischen
Dialog nicht anders als die römisch-katholische Kirche in langen
Zeiträumen denken. Das gilt für die Dialoge auf Weltebene wie für
die Verständigungsprozesse auf regionaler Ebene. Das Dokument
"Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" liegt seit 1985 auf dem Tisch. Jede
weitere ökumenische Verständigung über Lehrverurteilungen der
Vergangenheit ist darauf angewiesen, dass eine verbindliche
römisch-katholische Antwort auf dieses Dokument gegeben wird.
9. Es wäre falsch, jetzt die Bemühungen um
Lehrkonsense aufzugeben. Nur mit ihrer Hilfe lässt sich Kirchengemeinschaft
theologisch begründen und förmlich erklären. Kirchliche Lehre
muss klären, in welchen Grundaussagen des Glaubens eine
Übereinstimmung unabdingbar ist und in welchen Fragen Unterschiede und
Gegensätze nicht kirchentrennend sind oder auch kirchentrennend bleiben.
Die Einigung in Lehrfragen stellt als solche allerdings die Kirchengemeinschaft
noch nicht her. Auch sind Lehrkonsensgespräche keineswegs der stärkste
Motor des ökumenischen Prozesses. Die Kirchen wachsen von unten her
zusammen. Wir ermutigen Gemeinden und Gruppen, in der Pflege und dem Ausbau der
Beziehungen zwischen den evangelischen Kirchen und der römisch-katholischen
Kirche nicht nachzulassen.
10. Die Antwort aus Rom schließt mit der Aufforderung,
sich gemeinsam darum zu bemühen, "eine Sprache zu finden, die imstande ist,
die Rechtfertigungslehre auch den Menschen unserer Zeit verständlicher zu
machen". Das sollte rasch und energisch geschehen. Auf diesem Wege können
wir viel dazu beitragen, die historischen Gegensätze zu überwinden. Es
besteht heute die ernste Gefahr, dass wir zurückfallen in die Wiederholung
alter Kontroversen. Nur das entschlossene, um gegenseitiges Verstehen
bemühte Fragen nach der Wahrheit des Evangeliums und das gemeinsame Gebet
bringen uns ökumenisch voran.
Kloster Wülfinghausen, den 17. Juli 1998
Pressestelle der EKD
-~-
Vorsicht ! Bisher Tippfehlerkorrektur noch
nicht erfolgt !
Vom 11. Juni 1999 (ABl. 1999 B 45)
Am 31. Oktober 1999 soll in Augsburg die "Gemeinsame
Erklärung zur Rechtfertigungslehre" unterzeichnet werden. Damit soll nach
monatelangen Abstimmungsgesprächen der im Jahre 1995 begonnene Prozess der
Rezeption dieses Dokuments (vgl. Amtsblatt Teil B, 1997, S. 57 ff.; 1998, S. 27
ff., 39 ff.) abgeschlossen werden. In der Gemeinsamen offiziellen Feststellung
des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche wird
erklärt, dass die gegenseitigen Lehrverurteilungen die Lehre der anderen,
wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt ist, nicht mehr treffen und
dass ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht. Ein
erläuternder "Annex" zeigt, wie die strittigen Fragen geklärt worden
sind. Nachfolgend werden beide Dokumente abgedruckt.
Der Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des
Lutherischen Weltbundes hat den Mitgliedskirchen des DNK/LWB die Anregung
gegeben, am Reformationsfest die Unterzeichnung in Augsburg mit ihren Gebeten zu
begleiten, und diesen wichtigen Schritt der Annäherung zwischen unseren
Kirchen in den Gottesdiensten, möglichst auch in ökumenischen
Gottesdiensten zu feiern, und die Botschaft von der Rechtfertigung in den
Mittelpunkt zu stellen.
Gemeinsame offizielle Feststellung des Lutherischen
Weltbundes und der Katholischen Kirche
vom 11. Juni 1999
1. Auf der Grundlage der in der Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre (GE) erreichten Übereinstimmungen erklären der
Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche gemeinsam: "Das in dieser
Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, dass
zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der
Rechtfertigungslehre besteht" (GE 40). Auf der Grundlage dieses Konsenses
erklären der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche gemeinsam:
"Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird
nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen
der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung
vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche" (GE 41).
2. Im Blick auf den Beschluss des Rates des Lutherischen
Weltbundes über die Gemeinsame Erklärung vom 16. Juni 1998 und die
Antwort der Katholischen Kirche auf die Gemeinsame Erklärung vom 25. Juni
1998 sowie die von beiden Seiten vorgebrachten Anfragen wird in der (als
"Anhang" bezeichneten) beigefügten Feststellung der in der Gemeinsamen
Erklärung erreichte Konsens weiter erläutert; so wird klargestellt,
dass die früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen die Lehre der
Dialogpartner, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht
treffen.
3. Die beiden Dialogpartner verpflichten sich, das Studium der
biblischen Grundlagen der Lehre von der Rechtfertigung fortzuführen und zu
vertiefen. Sie werden sich außerdem auch über das hinaus, was in der
Gemeinsamen Erklärung und in dem beigefügten Anhang behandelt ist, um
ein weiterreichendes gemeinsames Verständnis der Rechtfertigungslehre
bemühen. Auf der Basis des erreichten Konsenses ist insbesondere zu
denjenigen Fragen ein weiterer Dialog erforderlich, die in der Gemeinsamen
Erklärung selbst (GE 43) besonders als einer weiteren Klärung
bedürftig benannt werden, um zu voller Kirchengemeinschaft, zu einer
Einheit in Verschiedenheit zu gelangen, in der verbleibende Unterschiede
miteinander "versöhnt" würden und keine trennende Kraft mehr
hätten. Lutheraner und Katholiken werden ihre Bemühungen
ökumenisch fortsetzen, um in ihrem gemeinsamen Zeugnis die
Rechtfertigungslehre in einer für die Menschen unserer Zeit relevanten
Sprache auszulegen, unter Berücksichtigung der individuellen und der
sozialen Anliegen unserer Zeit.
Durch diesen Akt der Unterzeichnung bestätigen die
Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund die Gemeinsame Erklärung
zur Rechtfertigungslehre in ihrer Gesamtheit.
ANHANG (ANNEX)
1. Die folgenden Erläuterungen unterstreichen die in der
Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) erreichte
Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre; so wird
klargestellt, dass die früheren wechselseitigen Verurteilungen die
katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der Gemeinsamen
Erklärung dargestellt sind, nicht treffen.
2. "Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die
Heilstat Christi, nicht aufgrund unseres Verdienstes, werden wir von Gott
angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns
befähigt und aufruft zu guten Werken." (GE 15)
A. "Wir bekennen gemeinsam, dass Gott aus Gnade dem Menschen
die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden
Macht der Sünde befreit (...)" (GE 22). Rechtfertigung ist
Sündenvergebung und Gerechtmachung, in der Gott "das neue Leben in Christus
schenkt" (GE 22). "Gerechtfertigt aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott"
(Röm 5, 1). "Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es" (1 Job 3, 1).
Wir sind wahrhaft und innerlich erneuert durch das Wirken des Heiligen Geistes
und bleiben immer von seinem Wirken in uns abhängig. "Wenn jemand in
Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen,
Neues ist geworden." (2 Kor 5, 17). Die Gerechtfertigten bleiben in diesem Sinne
nicht Sünder.
Doch wir würden irren, wenn wir sagten, dass wir ohne
Sünde sind (1 Joh 1, 8-10; vgl. GE 28). Wir "verfehlen uns in vielen
Dingen" (Jak 3, 2). "Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Verzeihe mir meine
verborgenen Sünden!" (Ps 19, 13). Und wenn wir beten, können wir nur,
wie der Zöllner, sagen: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" (Luk 18,
13). Unsere Liturgien geben dem vielfachen Ausdruck. Gemeinsam hören wir
die Mahnung: "Daher soll die Sünde euren sterblichen Leib nicht mehr
beherrschen, und seinen Begierden sollt ihr nicht gehorchen" (Röm 6, 12).
Dies erinnert uns an die beständige Gefährdung, die von der Macht der
Sünde und ihrer Wirksamkeit im Christen ausgeht. Insoweit können
Lutheraner und Katholiken gemeinsam den Christen als simul iustus et
peccator verstehen, unbeschadet ihrer unterschiedlichen Zugänge zu
diesem Themenbereich, wie dies in GE 29-30 entfaltet wurde.
B. Der Begriff "Konkupiszenz" wird auf katholischer und auf
lutherischer Seite in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. In den lutherischen
Bekenntnisschriften wird Konkupiszenz verstanden als Begehren des Menschen,
durch das der Mensch sich selbst sucht und das im Lichte des geistlich
verstandenen Gesetzes als Sünde angesehen wird. Nach katholischem
Verständnis ist Konkupiszenz eine auch nach der Taufe im Menschen
verbleibende, aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende
Neigung. Unbeschadet der hier eingeschlossenen Unterschiede kann aus
lutherischer Sicht anerkannt werden, dass die Begierde zum Einfallstor der
Sünde werden kann. Wegen der Macht der Sünde trägt der ganze
Mensch die Neigung in sich, sich gegen Gott zu stellen. Diese Neigung entspricht
nach lutherischem und katholischem Verständnis nicht "dem
ursprünglichen Plan Gottes vom Menschen" (GE 30). Die Sünde hat
personalen Charakter und führt als solche zur Trennung von Gott. Sie ist
das selbstsüchtige Begehren des alten Menschen und mangelndes Vertrauen und
mangelnde Liebe zu Gott.
Die Wirklichkeit des in der Taufe geschenkten Heils und die
Gefährdung durch die Macht der Sünde können so zur Sprache
kommen, dass einerseits die Vergebung der Sünden und die Erneuerung des
Menschen in Christus durch die Taufe betont und andererseits gesehen wird, dass
auch der Gerechtfertigte "der immer noch andrängenden Macht und dem Zugriff
der Sünde nicht entzogen (vgl. Röm 6, 12-14) und des lebenslangen
Kampfes gegen die Gottwidrigkeit (...) nicht enthoben" ist (GE 28).
C. Rechtfertigung geschieht "allein aus Gnade" (GE 15 und 16),
allein durch Glauben, der Mensch wird "unabhängig von Werken"
gerechtfertigt (Röm 3, 28; vgl. GE 25). "Die Gnade ist es, die den Glauben
schafft, nicht nur, wenn der Glaube neu im Menschen anfängt, sondern
solange der Glaube währt" (Thomas von Aquin, S. Th. II/II 4, 4 ad 3).
Gottes Gnadenwirken schließt das Handeln des Menschen nicht aus: Gott
wirkt alles, das Wollen und Vollbringen, daher sind wir aufgerufen, uns zu
mühen, (vgl. Phil 2, 12 f.). "(...)... alsbald der Heilige Geist, wie
gesagt, durchs Wort und heilige Sakrament solch sein Werk der Wiedergeburt und
Erneuerung in uns angefangen hat, so ist es gewiss, dass wir durch die Kraft des
Heiligen Geistes mitwirken können und sollen (...)" (FC SD II, 64 f.; BSLK
897, 37 ff.).
D. Gnade als Gemeinschaft des Gerechtfertigten mit Gott in
Glaube, Hoffnung und Liebe wird stets vom heilsschöpferischen Wirken Gottes
empfangen (vgl. GE 27). Doch der Gerechtfertigte ist dafür verantwortlich,
die Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben. Die Aufforderung, gute
Werke zu tun, ist die Aufforderung, den Glauben zu üben (vgl. BSLK 197, 45
f.). Die guten Werke des Gerechtfertigten soll man tun, "nämlich dass wir
unsern Beruf fest machen, das ist, dass wir nicht wiederum vom Evangelio fallen,
wenn wir wiederum sundigeten" (Apol. XX, 13, BSLK 316, 18-24; unter Bezugnahme
auf 2 Petr 1, 10. Vgl. auch FC SD IV, 33; BSLK 948, 9-23). In diesem Sinn
können Lutheraner und Katholiken gemeinsam verstehen, was über das
"Bewahren der Gnade" in GE 38 und 39 gesagt ist. Freilich, "alles, was im
Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht
Grund der Rechtfertigung und verdient sie nicht" (GE 25).
E. Durch die Rechtfertigung werden wir bedingungslos in die
Gemeinschaft mit Gott aufgenommen. Das schließt die Zusage des ewigen
Lebens ein: "Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann
werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein" (Röm 6, 5;
vgl. Joh 3, 36; Röm 8, 17). Im Endgericht werden die Gerechtfertigten auch
nach ihren Werken gerichtet (vgl. Mt 16, 27; 25, 31-46; Röm 2, 16; 14, 12;
1 Kor 3, 8; 2 Kor 5, 10 etc.). Wir sehen einem Gericht entgegen, in dem Gott in
seinem gnädigen Urteil alles annehmen wird, was in unserem Leben und Tun
seinem Willen entspricht. Aber alles, was unrecht in unserem Leben ist wird
aufgedeckt und nicht in das ewige Leben eingehen. Die Konkordienformel stellt
ebenfalls fest: "Wie dann Gottes Wille und ausdrücklicher Befehl ist, dass
die Gläubigen gute Werk tuen sollen, welche der heilige Geist wirket in den
Gläubigen, die ihnen auch Gott um Christi willen gefallen lässt, ihnen
herrliche Belohnung in diesem und künftigen Leben verheißet" (FC SD
IV, 38; BSLK 950, 18- 24). Aller Lohn aber ist Gnadenlohn. auf den wir keinen
Anspruch haben.
3. Die Rechtfertigungslehre ist Maßstab oder
Prüfstein des christlichen Glaubens. Keine Lehre darf diesem Kriterium
widersprechen. In diesem Sinne ist die Rechtfertigungslehre ein "unverzichtbares
Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf
Christus hin orientieren will" (GE 18). Als solche hat sie ihre Wahrheit und
ihre einzigartige Bedeutung im Gesamtzusammenhang des grundlegenden
trinitarischen Glaubensbekenntnisses der Kirche. Gemeinsam haben wir "das Ziel,
in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als
dem einen Mittler (1 Tim 2, 5 f.), durch den Gott im Heiligen Geist sich selbst
gibt und seine erneuernden Gaben schenkt" (GE 18).
4. In der Antwortnote der Katholischen Kirche soll weder die
Autorität lutherischer Synoden noch diejenige des Lutherischen Weltbundes
in Frage gestellt werden. Die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund
haben den Dialog als gleichberechtigte Partner ("par cum pari") begonnen und
geführt. Unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen von der Autorität
in der Kirche respektiert jeder Partner die geordneten Verfahren für das
Zustandekommen von Lehrentscheidungen des anderen Partners.
11. Juni 1999
-~-
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