Eine motorische Interpretation des McGurk-Effekts: Evidenz aus einem Reaktionszeitparadigma

Dirk Kerzel & Harold Bekkering

Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung
Leopoldstr. 24, 80802 Muenchen
E-Mail: kerzel@mpipf-muenchen.mpg.de

Im McGurk-Effekt verschmelzen visuelle Mundbewegungen und auditorische Silben zu einem einzigen phonetischen Perzept. Zwei Erklärungen des McGurk-Effekts wurden in einem Reaktionszeitparadigma getestet. Die Motorische Theorie der Sprachwahrnehmung behauptet, daß motorische Strukturen an der Sprachwahrnehmung beteiligt sind. Perzeptuelle Sprachtheorien machen keine solche Annahme. Die beiden Theorien wurden überprüft, indem Vpn [ba] oder [da] aussprechen mußten und gleichzeitig die Bewegung eines Mundes beobachteten, der entweder eine korrespondierende oder eine nicht korrespondierende Silbe artikulierte. In Experiment 1 verwendeten wir die geschriebenen Silben "Ba" oder "Da" als imperative Stimuli. Ein starker Interferenzeffekt wurde beobachtet, der entweder auf perzeptuellen Konflikt oder eine Aktivierung der motorischen Sprachprogramme zurückzuführen war. Indem die Ähnlichkeit von relevanter und irrelevanter Stimulusdimension verringert wurde (Experiment 2) und der relevante vor dem irrelevanten Stimulus gezeigt (Experiment 3) wurde, konnte eine Erklärung, die auf perzeptuellem Konflikt beruht, ausgeschlossen werden. Die Resultate liefern vielmehr Evidenz für die These, daß die beobachteten Mundgesten zu einer direkten Aktivierung der motorischen Programme führen, wie die Motorische Theorie der Sprachwahrnehmung annimmt. In einem weiteren Experiment konnten wir zeigen, daß der Interferenzeffekt nicht durch einfache räumliche Eigenschaften der Stimuli, wie z.B. die Richtung der Mundbewegung, sondern nur durch die präsentierte Sprachgeste erklärt wird.

Poster in der Gruppe Sprache, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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