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Das Timkat-Fest in Gondar (Athiopien)

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

Während das Weihnachtsfest in Äthiopien keine große Rolle spielt, es ist weder arbeitsfrei noch gibt es Geschenke, ist Timkat (Epiphanias) das vielleicht eindrucksvollste Fest der dortigen, koptischen Christenheit. In Gondar dauert es zwei Tage, 19./20. Januar.

Früher ging es über drei Tage, dann nahm man noch den Tag des heiligen Michael dazu, also den darauf folgenden Tag, aber der ist heute Arbeitstag. Überhaupt leidet Äthiopien unter der Vielzahl seiner Feiertage, da nicht nur die christlichen sondern auch die muslimischen Feiertage arbeitsfrei sind. Timkat ist eine symbolische Erneuerung des Taufgelöbnisses (der Taufe Jesu im Jordan), also keine echte Wiedertaufe, sondern ein Erinnerungsfest.

In der Stadt versammeln sich die Priester und Anhänger der Kirchen aus der Umgebung (wie viele es ursprünglich sind, weiß ich nicht, aber letztlich ziehen 5 – 6 Gruppen von Gläubigen zum  „Fasilidas Bad“, das an diesem Tag für den Publikumsverkehr geöffnet wird. 253

Das Bad (Lustschloß?) wurde 1650 vom Kaiser Fasilidas, dem ersten der Gondarkaiser erbaut, und besteht aus einem Bassin (50 x 30 m groß und 2,5 m tief), an dem seitlich ein kleines, zweigeschossiges Gebäude steht. Das ganze ist umgeben von einer Mauer (ca. 400 x 400 m), die mit Tid (abyssinischer Wacholder, ein einheimischer Baum) bewachsen ist.

Das Bassin ist nur etwa 50 cm mit Wasser gefüllt, denn in der Trockenzeit (Ende November bis Anfang Mai) stellt Wasser eine Kostbarkeit dar, und wird aus einer Quelle über einen Graben in das Bad geleitet. Ich habe es aber auch erlebt, dass die Quelle so unergiebig war, dass man eine Flasche als Wasserspender benutzte.

Das Bad und seine Umgebung ist mit Menschen überfüllt, dann ziehen die Priester mit ihren Diakonen ein, eine riesige Menge Volks begleiten den Zug, überall bilden sich spontan Gruppen zum Tanzen, viel Fröhlichkeit und eine nicht zu übersehende gläubige Inbrunst. Dazu kommen eine große Anzahl amharischer Männer mit einem eigentümlich eintönigen Singsang. Der Rhythmus dazu kommt von Sistren und einer großen Trommel, die je nach dem ob man sie oben oder unten anschlägt, dumpfe oder hellere Töne hervorbringt, und einem ganz schön in die Beine geht.

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253Die Priester tragen baldachinartig auf dem Kopf in brokatene Tücher eingehüllt die Tabots. Diese stellen Kopien der in Axum aufbewahrten Bundeslade dar. Jede Kirche besitzt solche Kopien, niemand darf sie sehen (außer den Priestern), sie werden im Allerheiligsten jeder Kirche aufbewahrt und nur bei hohen kirchlichen Feiertagen verdeckt mitgeführt. – Die Sage sagt, dass der Sohn der „love story“ von Salomon und Saba, der legendäre Gründer Athiopiens Menelik I, seinem Vater die Bundeslade (nach anderen Überlegungen sind es die Gesetzestafeln von Moses) geraubt hat, die nun in „Maria Zion“ in Axum aufbewahrt werden.

Jedenfalls ziehen die Priester mit ihren Diakonen in das Badgebäude oder in errichtete Zelte ein. Hier sieht man Glanz und Elend der äthiopischen Kirche dicht beieinander: Oben die gold- und silberbrokatene Schirme, mit Glöckchen behängte Kronen, die silbernen und goldenen Vortragskreuze, die Tabots und ihre Umhüllungen (an dem Schultern befestigt und mit den Händen abgestützt) und darunter zerschlissene Hosen, die Füße sind barfuss oder sie stecken in senkellosen Volleyballschuhen. Die Priester und ihre Diakone beten die ganze Nacht durch. Die gläubige Jugend verbringt die Nacht tanzend und singend.

Etwa um zwei Uhr morgens soll die Eucharistie zelebriert worden sein. 253Bei Sonnenaufgang (gegen 6 Uhr) versammeln sich alle dicht gedrängt beim Bassin, und es werden lange Predigten von den einzelnen Popen gehalten, dann lässt der Bischoff (ganz in Gold gekleidet) ein Binsengeflecht in Form eines Kreuzes mit einigen brennenden Kerzen auf das Wasser setzen, die Geistlichen singen dazu. Langsam brennen die Kerzen herunter, das Binsengeflecht saugt sich voll Wasser und sinkt tiefer und tiefer. Als die letzte Kerze erloschen ist, steigt der Bischoff zu Wasser hinab und weiht es mit dem Kreuz, das nun den heiligen Jordan symbolisiert. Dann springen die Messdiener an das Wasser und beginnen die Umstehenden zu bespritzen. Die Kinder reißen sich ihre Kleider vom Leib, springen ins Wasser und spritzen kräftig mit, die Männer und Frauen füllen mitgebrachte Flaschen und Gefäße (auch für die daheimgebliebenen), und spritzen sich gegenseitig ins Gesicht, auch die Kleinkinder an der Hand und die Säuglinge im Tragesack auf dem Rücken werden nicht vergessen und fangen an zu plärren.

Nach etwa zwei Stunden lustigen Planschens – man sollte nicht an die Anzahl von Parasiten und Keimen im Wasser denken – erfolgt dann der Auszug der Priester ähnlich wie der Einzug am Vortag.

Alles macht den Eindruck eines christlichen Festes, das aber von alt-testamentarischen und auch heidnischen Bräuchen durchsetzt ist – auf jeden Fall uns zutiefst anrührt.

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