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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

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Äthiopische Essgewohnheiten und die Kaffeezeremonie

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

Über das „national food“ der Äthiopier, über injera und wot und die nationalen Getränke wie Tella und Tetch wurde bereits kurz berichtet. Hier soll dieser Eindruck noch etwas vertieft werden, was wichtig sein könnte, sollte man einmal von Einheimischen zu einer Mahlzeit eingeladen werden.

 

Asmussen

Injera-Tisch

 

Die Prozedur beginnt mit dem Hände waschen, dazu wird aus einer Karaffe oder Kanne (so man hat, nimmt man auch fließendes Wasser) über die Hände gegossen und diese (grob) gereinigt. Getrocknet werden die Hände mit einem „sauberen“ Tuch (Toilettenpapier ist deshalb sehr empfehlenswert). Serviert wird das Ganze auf einem Injeratisch (mesop) mit einer flachen Metallschale darin, und der ebenfalls einen Deckel hat. Als ich nach meinem zweiten Besuch über Wien wieder in die DDR reiste, hatte ich einen derartigen mesop bei mir, und trug ihn nach Landessitte auf dem Kopf. Ich hatte sonst keine Hand frei, allerdings war meine Sicht stark eingeschränkt. Mit diesem Aufzug löste ich bei den dortigen Zollbeamten ein derartiges Gelächter aus, dass sie vergaßen mich zu kontrollieren, zum Glück denn ich hätte einiges zu deklarieren gehabt. Und dann sah ich sie wieder, die „Volks“polizisten, den Daumen in das Koppel eingehakt, da wusste ich, dass ich zu Hause angekommen war.

Gegessen wird immer mit der rechten Hand. Die rechte Hand dient der Nahrungsaufnahme, die linke Hand dem Gegenteil – davon konnte ich mich leicht überzeugen. Einer meiner Mitstreiter – ein Hygieniker – hat einen Händeknetversuch durchgeführt. Dazu werden die rechte und die linke Hand jeweils in separate Nährlösungen getaucht und ausgeknetet. Dann wird jeweils eine Probe entnommen, ausgestrichen und bebrütet, dann kann man leicht sehen, welche Hand zum Essen gedient hat (wurde wiederholt abgeleckt) und welche der Hygiene.

Gegessen wird injera und wot (das zugrunde liegende Gewürz heißt berberi). Dazu reißt man ein Stück injera ab, formt eine Tüte, tunkt es in wot und isst das Ganze. Damit ist die Prozedur auch schon vollständig beschrieben. Als Grundlage des wot dienen Huhn und Eier (doro), Rindfleisch (bare), Lamm (beg), Ziege (fijel) oder fetfet (eine Fleischsoße hinter deren Beschaffenheit ich nicht gekommen bin). Manchmal wird auch Fisch oder Gemüse dazu gegessen – das hängt von der Region ab und ist eher selten. Das Ganze geht für den Ungewohnten an die Schmerzgrenze und wird mit kleinen, roten und grünen Paprikaschoten (hot pepper) verspeist. Weniger scharf ist Alicha, weil es grundsätzlich ohne berberi zubereitet wird, erkennbar an der gelblichen Soße, eigentlich eine Fastenspeise. Dazu trinkt man tella (ein lokales Bier – ich mag es nicht – es schmeckt allzu sehr nach Carbolineum). Es wird mit den Blättern des Geshobaumes fermentiert und in großen Tongefäßen aufbewahrt.

Getrunken wird ferner tetch (ein Honigbier oder –wein, sehr wohlschmeckend und ebenfalls mit gescho fermentiert); es wird in kleinen, langhalsigen Kugelflaschen serviert. Außerdem gibt es noch Wasser oder Bier. Wein wird dagegen weniger getrunken, obwohl eine ganze Vegetationszone danach benannt wurde – die woina dega, die Weinregion. An Weißweinen gibt es awach critall und kemila, an Rotweinen dukam und guder (die beiden letzteren Sorten hat man kurzzeitig auch in der DDR verkauft). An härteren Getränken gibt es, neben allen möglichen Schnäpsen (nachgemacht und daher nicht zu empfehlen), katikala oder araki (Kornschnäpse), die von uns „kill me quickly“ genannt wurden.

Die Brauereien waren (als ich 1979/80 in Gonder war) fest in „deutscher Hand“. Es gab drei Brauereien in Äthiopien: Zunächst die Melotti-Brauerei in Asmara, hier saß ein Brauer aus Sternburg. Das war aber eine italienische Firma und es musste immer mit Frau Melotti in Mailand telefoniert werden, wenn es um Ersatzteile ging. Dann war da die Meta-Brauerei in Addis Abeba, der Brauer kam aus Köthen, war aber schon lange im „Westen“ und somit ein verbotener Kontakt. Dann kam noch die St-Georgs-Brauerei auch in Addis. Der Brauer kam aus Leipzig – ihn haben wir aufgesucht – und es ist mir unvergesslich, wie er das Bier aus dem Geldschrank holte, nicht weil es besonders kostbar war, sondern weil das der kühlste Ort in seinem „office“ war. Das Bier wurde auf der Landstraße transportiert (war also lange unterwegs), es war hoch stabilisiert (mit Vitamin C, und Formaldehyd), es wird beim stehen bleiben auch nicht schlecht, schmeckt aber sonst recht gut.

Sehr verbreitet ist auch der Genuss von rohem Fleisch (raw meat) entweder im Stück oder als Hack, das kann gefährlich sein, wegen des Bandwurms der überall lauert (wurde schon erwähnt), aber man kommt kaum drum herum, wenn man in Äthiopien zum Essen eingeladen wird. Wir hatten aber genügend Wurmmittel bei uns, sodass die Gefahr sich in Grenzen hielt. Das rohe Fleisch wird direkt mit den Messer vor dem Mund abgeschnitten, was sehr gefährlich aussieht. Verbreitet ist ferner, dass Vorkosten der Speisen – das ist nicht ungewöhnlich für ein Land in dem der Giftmord eine gewisse Tradition hat. Verbreitet ist auch das Füttern eines (vornehmen) Gastes mit Leckerbissen (gurscha). Leider waren wir oft derartige Gäste und Anzeichen, dass man genug habe, nützen dann wenig, sondern fordern den Gastgeber zu verstärkter Tätigkeit geradezu heraus. Man muss dann zu deutlicheren Zeichen des körperlichen Unwohlseins greifen.

 

ASmussen Kaffeezeremonie: Das Rösten der Bohnen

 

Am Ende jeder Einladung steht die Kaffeezeremonie, und ich habe sie unzählige Mal mitgemacht (besonders in Erinnerung ist mir die Kaffeezeremonie geblieben, die die Studenten am Ende des ersten Jahres zelebrierten, dazu ihre zu Herzen gehenden Reden). Sie wird immer nur von Frauen (auch wenn Männer dabei sind) durchgeführt – und oft sind auch nur Frauen anwesend, wenn die Nachbarinnen zu einem „Weiberklatsch“ eingeladen werden. Äthiopien ist ja das Ursprungsland des Kaffees, welcher aus der Region um Kaffa kommen soll, aber ubiquitär in Äthiopien wächst (wurde schon geschildert). Der Legende nach hatten Mönche die belebende Wirkung des Kauens von Kaffeebohnen entdeckt, und die Einführung des Aufbrühens gerösteter Kaffeebohnen stammt aus dem 13. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert erscheint dann der Kaffee im Jemen, quahwa genannt, ob daher unser Wort für Kaffee herkommt? Oder doch von der Region „Kaffa“? Jedenfalls breitet er sich über das Osmanische Reich bis nach Europa aus, er wurde oft als Türkentrank bezeichnet, und es kennt wohl jeder das Lied aus Bachs Kaffeekantate: „Ei! Wie schmeckt der Coffee süße …“ und von der jemenitischen Stadt Al-Mukha stammt unser Wort „Mokka“ ab.

 

Asmussen Kaffeezeremonie: Das Aufkochen

 

Bei der Kaffeezeremonie selbst, sitzt die Frau (oder ein weibliches Kind) auf einem niedrigen Schemel, manchmal wird auch der Fußboden mit frischem Gras bestreut. Dann wird der Kaffee gewaschen und von schlechten Bohnen befreit. Anschließend wird das Ganze geröstet. Dabei ist es üblich dem Gast den Geruch des frisch gerösteten Kaffee ins Gesicht zu blasen, worauf der die Hausfrau ordentlich zu preisen hat. Dann wird der Kaffee in einem Mörser zerstoßen (einmal habe ich dafür auch eine alte Granatkartusche gesehen). Danach wird der frisch gemahlene Kaffee in eine kugelige Kanne (jabana) gefüllt und dreimal aufgekocht, so dass der Kaffee sich absetzt. Sodann wird der Kaffee in kleinen Tassen serviert, dazu gibt geröstetes Getreide oder Kichererbsen. Die Prozedur wird mehrfach wiederholt – die erste Portion bekommen die Gäste, dann die Eltern, dann die Kinder und Verwandten (je nach ihrer Stellung) und der letzte Aufguss ist für die Dienstboten – je mehr Leute anwesend sind, um so dünner wird der letzte Aufguss.


Juni 2014

 



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