uni

Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

Berichte über Erlebnisse

Was wir wollen | Berichte schreiben | Chronik | Aktuelles | Impressum

Unsere Urlaubsgestaltung zu DDR-Zeiten

Ein Bericht von Dr. Gerlinde Fellmann, Leipzig

Urlaub ist ein Höhepunkt, der Höhepunkt des Jahres. Auch in der DDR gönnte man sich frei nach dem Motto „Urlaub machen, das ist wunderbar…“, ein paar abwechslungsreiche und erholsame Tage mit „Tapetenwechsel“, denn verreist wurde eigentlich immer, wenn auch nicht in die ganze Welt. Unsere Familie fuhr - wie die meisten anderen  auch-  zweimal im Jahr in die Ferien.
Das Urlaubmachen war die eine Seite, wesentlich komplizierter war die Organisation und Vorbereitung.

Zur Vorbereitung des Urlaubs

Vorausschicken möchte ich, dass unsere Familie viele schöne Urlaube verlebt hat, natürlich nicht im Sterne- Hotel,  eben einfach, aber –vielleicht auch auf Grund manchmal notwendiger  Improvisation- voller Erlebnisse. Pannen gab es allerdings auch.
 Die Vorbereitung fing schon damit an, dass im Herbst als kaum der Sommerurlaub vorbei war, einige Kollegen vehement die Abstimmung des Urlaubstermins für das nächste Jahr forderten, um Terminüberschneidungen zu vermeiden. Die eigentliche Urlaubsplanung im Betrieb erfolgte aber erst im Januar/Februar. Der Grund für diese Eile waren Anmelde- bzw. Vergabetermine z.B. für Zeltplätze an der Ostsee oder für  Reisen mit dem Reisebüro der DDR. Unsere Familie ging das immer sehr locker an und erst recht als die Kinder nicht mehr mit uns verreisten- das war in der DDR im allgemeinen am Ende der Schulzeit-  und wir dann nicht mehr auf die Zeit der Schulferien angewiesen waren. Gefunden bzw. organisiert haben wir immer etwas.
Urlaubsreisen waren in der DDR bekanntermaßen  nur im Inland oder sozialistischen Ausland möglich. Selbst  im sozialistischen Ausland gab es Einschränkungen, so war z. B. ein Individualtourismus in der Sowjetunion schwer möglich.

Urlaub mit dem FDGB   (1)

Die bereits in den 50iger Jahren eingerichteten FDGB- Reisen waren immer sehr gefragt,
da sie sehr preiswert waren und man in der Regel sich um nichts kümmern musste. Sie standen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung und wir kamen nur zweimal in den Genuss einer solchen Reise. Wir bewarben uns allerdings auch kaum, da unsere Familie zu den Besserverdienenden gehörte und vor allem Arbeiterfamilien vorrangig berücksichtigt
wurden.
 Die Vergabe der Plätze erfolgte über die Gewerkschaftsorganisationen der Betriebe nach entsprechender Bewerbung. Bei der Auswahl wurden  die Leistungen im Betrieb und auf gesellschaftlichem Gebiet sowie soziale Gesichtspunkte berücksichtigt. Diese Form der Urlaubsreisen machte einen Urlaub für alle Schichten der Bevölkerung möglich.
 Die Unterbringung erfolgte bei einer solchen Reise in einem Heim oder Bungalow des FDGB oder außer Haus in einem Privatquartier, was meist nicht  gerade komfortabel war, mit zentraler Versorgung. So hatten wir in einem Winterurlaub im Thüringer Wald ein Quartier, in dem es kein fließendes Wasser im Zimmer gab und das Wasser im Krug morgens gefroren war. Im Schlafzimmer waren die Scheiben (bei -20°C Außentemperatur) bis obenhin zugefroren. Wir gingen mit Socken und Wärmflasche ins Bett  Dafür wurden wir noch im gleichen Jahr bei einem Aufenthalt – allerdings außerhalb der Saison-  in einem Heim mit Interhotelcharakter mit allem Komfort einschließlich eines hauseigenen Schwimmbades entschädigt.

(1)  FDGB ist die Abkürzung von Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, der in jedem Betrieb eine Betriebsgewerkschaft hatte
Verdienstvolle Gewerkschaftsmitglieder konnten auch Urlaub auf einem der 3 Kreuzfahrtschiffe der DDR (Völkerfreundschaft, Fritz Heckert oder Arkona) machen, was uns leider nicht vergönnt war.

Betriebseigene Ferienobjekte

Einen  wesentlichen Anteil an der Urlaubsgestaltung hatten die betriebseigenen Einrichtungen wie Ferienhäuser, Bungalows, Wohnwagen auf Zeltplätzen oder angemietete Zimmer bzw. Ferienwohnungen. Diese befanden sich in begehrten Urlaubsgebieten  wie an der Ostsee, der Mecklenburger Seenplatte, im  Thüringer Wald oder dem Erzgebirge. Am besten ausgestattet mit entsprechenden Einrichtungen waren natürlich Großbetriebe aber auch Kleinbetriebe und  Institute hatten solche Einrichtungen. Sie wurden mit betrieblichen Mitteln errichtet, gemietet oder gekauft  und betrieben. Auch mein Institut verfügte über drei Bungalows. Jedes Jahr übernahmen Kollegen dort den Frühjahrsputz, die Winterfestmachung und anfallende kleinere Reparaturen. Das war für Manche eine willkommene Abwechslung vom Berufsalltag. Natürlich musste dafür kein Urlaub oder unbezahlte Freistellung in Anspruch genommen werden.
Diese Urlaubsmöglichkeit von den Betriebsangehörigen sehr begehrt, da der Komfort gut  und der zu zahlende Preis nicht zu hoch war. Einen Nachteil hatten diese Urlaube, wenn es sich nicht um ein Objekt handelte, bei dem man allein wohnte, dass man immer mehr oder weniger liebe Kollegen nun auch noch im Urlaub um sich hatte.
Die Vergabe der Plätze erfolgte durch die Betriebsgewerkschaftsleitung, wobei nach Arbeits- und gesellschaftlichen Leistungen und nach  sozialen Belangen entschieden wurde. Unsere
Familie hat diese Plätze relativ wenig in Anspruch genommen. Als die Kinder noch mitfuhren und wir nur in der Ferienzeit fahren konnten, gab es natürlich viele Bewerber, die aus sozialen Gründen eher berücksichtigt wurden.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich auch zwischen Betrieben der DDR und Betrieben anderer ehemaliger sozialistischer Länder vor allem   Polens, der CSSR und Ungarns ein Austausch derartiger Ferienplätze.

Urlaub mit dem Reisebüro der DDR

 Eine weitere Form der Urlaubsgestaltung waren Reisen mit dem Reisebüro der DDR.  Es handelte sich dabei um eine staatliche Einrichtung. Gefragter als die Plätze im Inland  waren die Angebote im Ausland- bekanntermaßen allerdings nur im sozialistischen Ausland-, die natürlich mit den heutigen Möglichkeiten und dem heutigen Niveau nicht zu vergleichen sind. Sie wurden immer als Gruppenreisen durchgeführt. Für die damaligen Verhältnisse waren es aber für uns schon „gehobene“ Urlaube. Allerdings waren die Reisen für DDR- Bürger nicht gerade billig und für Familien mit Kindern kaum erschwinglich.
Die Nachfrage nach bestimmten Reisen z.B. in ausgesprochene Ferienregionen konnte vom Angebot nicht ausreichend befriedigt werden. Deshalb nahm man auch erhebliche Strapazen auf sich, um eine Reise zu ergattern, so stellte man sich am ersten Tag des Verkaufs an- und die Schlangen waren lang- da es auch nur wenige Filialen gab. Der Stichtag war im November/ Dezember für die kommende Saison Frühjahr/ Sommer/ Herbst. Dieser unhaltbare Zustand wurde später geändert; man konnte dann auf ausgegebenen Anmeldeformularen seine Wünsche äußern, musste dabei allerdings auch auf den Stichtag achten.
Jedenfalls haben wir persönlich uns nur ein einziges Mal diesem Prozedere unterworfen (schriftliche Anmeldung) und eine Reise in die damalige Sowjetunion unternommen: Moskau- Leningrad- Tallin- Kiew. Unterkünfte und Verpflegung waren zufrieden stellend. Allerdings fiel uns eines auf. Wir waren Touristen 2. Klasse. Wir bekamen deutlich zu spüren, dass wir nicht in „harter“ Währung bezahlten. In Leningrad und Tallin erlebten wir, dass Gäste aus Devisengebieten in gesonderten Räumen speisten, in den Hotels die Bars besuchen und in den Shops einkaufen durften. Da wir keine Devisen hatten, blieb uns das verwehrt, denn vor der Bar und dem Shop wurde man sehr direkt darauf hingewiesen, dass man nur in frei konvertierbarer Währung bezahlen kann. So mussten wir in der Hotelhalle verweilen.
Das war für uns sehr diskriminierend, noch dazu, wo wir uns ja im Land unserer „sozialistischen Freunde“  befanden und  viele DDR – Bürger Mitglieder der Gesellschaft für Deutsch- Sowjetische- Freundschaft waren.

Begehrt waren insbesondere Reisen an die bulgarische und sowjetische Schwarzmeerküste.
Erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass es auch Reisen über gesellschaftliche Organisationen oder als besondere  staatliche Auszeichnung  gab, letztere sogar auch in das nicht-sozialistische Ausland.

Jugendtourist

Eine besondere Form der Urlaubsgestaltung  im Inn- und sozialistischen Ausland war über Jugendtourist möglich (Reisebüro für Jugendliche). Hier wurde Jugendlichen (die Altersgrenze nach oben war jedoch flexibel und wurde vom Auslastungsgrad der Reise bestimmt) in Gruppen bis zu ganzen Touristenzügen - auch Freundschaftszüge genannt - ein preiswerter Urlaub im In- und Ausland unter jugendgemäßen, anspruchsloseren Bedingungen angeboten.

Kinderferienlager

An dieser Stelle muss eine großartige Ferienmöglichkeit – die Kinderferienlager- für unsere Kinder genannt werden. Sie wurden von den Betrieben der Eltern mit viel Aufwand organisiert und betrieben. So stellten die Betriebe Kollegen (mein Mann war auch mal dabei) als Betreuungspersonal ab. Diese Form der Feriengestaltung der Kinder ( in der Regel
3 Wochen) war sehr beliebt und es gibt nur sehr wenige Kinder der DDR, die daran nicht teilgenommen haben.
Da dies sehr preiswert war ( 15,- bis 20,- DDR- Mark für Fahrt, Unterkunft Verpflegung usw.) , fuhren manche Kinder sogar zweimal, einmal vom Betrieb der Mutter zum anderen vom Betrieb des Vaters.
Auch die Organisationen Junge Pioniere und FDJ unterhielten derartige zentrale Lager.

Urlaub privat organisiert

Von der Möglichkeit den Urlaub privat zu organisieren machten wir am meisten Gebrauch.
Dazu nutzten wir den Austausch von Adressen für Unterkünfte von Freunden, Bekannten und Kollegen, das Annoncieren in lokalen Zeitungen oder Quartiere bei Freunden.
So ideal wie heute bei der Suche nach Quartieren im Internet ging es eben früher nicht zu.  .
Speziell in den Saisonzeiten und in den Urlauberzentren (z.B. Ostsee), waren die angebotenen privat genutzten Quartiere immer mit einer gewissen Skepsis zu betrachten, da alles vermietet wurde, was ein Dach hatte. Unsere Familie hatte eigentlich kein ausgesprochenes Pech,  aber in einer Garage, die im Sommer als Unterkunft genutzt wurde, haben wir auch schon mal unseren Urlaub verbracht. Wenn man jung ist, hat auch dieses seinen Reiz.
Sehr beliebt waren in der DDR Camping- Urlaube, die wir aber nicht gemacht haben. Dafür musste man sich im Vorjahr bereits anmelden, sonst hatte man keine Chance, denn meist wurde der von den Stammgästen genutzte Platz für das nächste Jahr bereits festgemacht, wie das auch immer ging.
Unsere Familie verbrachte so selbst organisiert Ferien in privaten Bungalows, auf einem Bauernhof, in  Bootshäusern oder in Pensionen. Im Sommer zog es uns meist
an die Mecklenburger Seenplatte. Dort war es noch nicht so überfüllt wie an der Ostsee und Baden und Wassersport treiben konnte man auch hervorragend.
Dreimal haben wir die Gastfreundschaft unserer ungarischen Freunde in Budapest und am Balaton genossen. Die Familie besuchte uns dann im Gegenzug in der DDR. Wir hatten somit das große Glück für unsere Unterkunft und z. T. auch für die Verpflegung keine ungarischen Forint ausgeben zu müssen. Man durfte pro Tag und Person im Ausland nur eine begrenzte
Menge Geld tauschen und in Ungarn betrug dieser 30.- Mark der DDR. Davon konnte man
kaum Unterkunft und Verpflegung bestreiten. Wir halfen uns damit, dass wir größere Gastgeschenke mitnahmen und auch mit Verpflegung bevorrateten wir uns.
Allerdings musste man dabei beachten, dass es sehr restriktive Zollbestimmungen gab, die die Aus- und Einfuhr von zahlreichen Artikeln zwischen den sozialistischen Ländern verbot. So mussten wir uns doch jedes Mal etwas einfallen lassen. Die neue Bettwäsche wurde zunächst als Eigenbedarf angegeben, von uns dann aber dort gelassen. Dabei versuchte man Waren, die im Gastland nicht oder nur teuer zu haben waren, „auszuspähen“ und dann mitzunehmen. Jedenfalls befanden sich im Kofferraum unseres Autos immer Sachen, die wir dort lassen wollten.
Von den o. g. Tagessatz wollten wir uns natürlich auch etwas kaufen, was es in der DRR nicht gab. So konnte man z.B.  West- Kosmetikartikel kaufen. In Ungarn waren auch Bekleidungsartikel sehr gefragt.  Nicht umsonst existierten am Balaton so genannte  Pullovermärkte  z.B. in Siofok. Hier trafen sich die DDR- Urlauber zum Einkauf. Es waren eben einmal andere, chicere  Modelle. Allerdings sah man ihnen auch an, wo sie gekauft waren, und zu Hause erkannte man dann, wer wo den Urlaub verbracht hatte.
Auf jeden Fall waren unsere finanziellen Mittel sehr begrenzt und deshalb gehörten Gaststättenbesuche zur Ausnahme. So war es für uns ein Hochgenuss, nach der Wende auch diese Facette des Urlaubs erleben zu können.
Wir haben die Urlaube in Ungarn sehr genossen, auch schon des schönen warmen Wetters wegen. Heute fahren wir nur noch selten hin, denn für uns gibt es ja noch viel anderes zu sehen. Dafür laden wir unsere ungarischen Freunde gern als Dank für ihre immer sehr herzliche Gastfreundschaft ein. Wir freuen uns, ihnen jetzt bei uns etwas bieten zu können. Im Übrigen kommen nun schon die Enkelkinder zu uns, um Deutsch zu lernen.
Auf private Vermittlung sind auch Auslandsreisen nach Polen (Danzig), nach Bulgarien
(Nessebar)  und in die CSSR (heute Tschechien) in das Riesengebirge zustande gekommen.
Hier waren es Quartiere bei privaten Vermietern, die  nicht immer ganz unseren Vorstellungen entsprachen. Andere Länder haben eben auch andere Vorstellungen von Ausstattung, Sauberkeit und Ordnung.
In Danzig hatten wir eine ganze Neubauwohnung für uns. Allerdings war unsere Umgebung nicht gerade deutsch- freundlich (wir wurden von Jugendlichen als Nazis beschimpft).

Die Reise, die wir Anfang August 1979 - wie immer mit unserem Auto- nach Bulgarien unternahmen, war besonders abenteuerlich. Dass sie anstrengend wird, wussten wir (volles Auto, Hitze, weite Strecke, Zwischenübernachtung im Zelt) aber dass sie so aufregend wird, hatten wir nicht vermutet. Die sozialistischen Bruderländer hatten gerade wieder mal Streit mit Rumänien, das daraufhin harte Währung für Benzin von Durchreisenden verlangte. Als uns die Nachricht erreichte, waren wir bereits in Budapest, um dort einen kurzen Zwischenstopp bei unseren ungarischen Freunden zu machen. Wie die Reise weiter ging und was wir alles erlebten, wird in einem weiteren Bericht geschildert.



     Seitenanfang
Website der AG Zeitzeugen
Templates