I. Apparate und Methoden.

    Die Dauer eines psychischen Vorganges direkt zu messen, ist bekanntlich unmöglich. Man muss vielmehr die Zeit bestimmen, welche vergeht zwischen der Erzeugung eines äußeren Reizes, welcher Gehirnprozesse auslöst, und der Ausführung einer Bewegung, die auf diese Prozesse folgt. Ein Apparat, welcher diese Zeit bestimmen soll, muss drei Bestandteile enthalten.: l) ein Instrument, um den äußeren Reiz, welcher Gehirnprozesse veranlassen soll, hervorzubringen und um den Moment des Hervorbringens zu registrieren, 2) ein solches, um den Zeitpunkt einer Bewegung zu registrieren, welche ausgeführt wird, nachdem die Gehirnprozesse vorüber sind, 3) ein weiteres, um die Zeit zu messen, welche zwischen diesen beiden Vorgängen verflossen ist. Die beiden ersten Instrumente sind verschieden je nach dem Reiz, welcher hervorgebracht, und je nach der Bewegung, welche registriert werden soll. Zur Zeitmessung habe ich überall das Chronoskop angewandt, welches von Hipp in Neuchâtel konstruiert ist. Dasselbe misst, wenn es richtig kontrolliert wird, die Zeiten so genau als irgend eine der bis jetzt für ähnliche Zwecke angewandten chronographischen Methoden, es ist aber viel einfacher und bequemer zu handhaben. Das Chronoskop ist ein Uhrwerk, welches durch ein Gewicht in Bewegung versetzt und durch eine vibrierende Feder reguliert wird. Die Feder macht 1000 Schwingungen in der Sekunde und bei jeder Schwingung kann ein Zahn eines Zahnrades vorübergehen, etwa nach dem Prinzip der Unruhe in der Taschenuhr. Diese Methode, das Uhrwerk zu regulieren, ist geistreich und genau, lässt aber besonders bei dem Chronoskop in seiner neuen Gestalt zuweilen zu, dass es in Unordnung gerät. Die Brauchbarkeit des Chronoskops beruht auf der Anwendung eines Elektromagneten. Die Zeiger stehen nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Uhrwerk und bewegen sich daher nicht ohne weiteres , wenn es in Gang versetzt wird. Sobald aber ein galvanischer Strom durch die Windungen des Elektromagnetes geschickt wird, wird der Anker desselben angezogen und ein System von Hebeln bringt die Zeiger in Verbindung mit dem Uhrwerk, so dass sie an der Bewegung desselben teilnehmen: wird der Strom wieder unterbrochen; so reißt eine Feder den Anker wieder los, und die Zeiger stehen still. Es wird so die Zeit gemessen, während der der Strom durch den Elektromagneten geht. Ein zweiter Elektromagnet ermöglicht die Umkehrung des ganzen Vorganges, gestattet also die Zeit zu messen, während der ein Strom unterbrochen ist. Die Zeiger zeigen Tausendstelsekunden an.1) Das Chronoskop fungiert sehr genau; die einzige wesentliche Schwierigkeit bei seiner Anwendung besteht darin, dass die Länge der Zeiten, welche wir an den Zifferblättern ablesen, variiert mit der Stärke des Stromes, welcher durch den Elektromagneten geht. Wir wollen voraussetzen, die Spannung der Feder, welche den Anker zurückzieht; bleibe konstant. Ist dann, wenn wir den zuerst genannten Elektromagneten benutzen, der angewandte Strom sehr schwach, so wird es ziemlich lange dauern, bevor der im weichen Eisen erzeugte Magnetismus stark genug wird, um den Anker anzuziehen, und es wird mehr Zeit zwischen dem Schließen des Stromes und dem Anziehen des Ankers durch den Magneten vergehen, als zwischen dem Unterbrechen des Stromes und dem Losreißen des Ankers durch die Feder. In Folge dessen geben die Zeiger die Zeit, während der der Strom durch die Rolle des Magnetes geht, zu kurz an. Ist andererseits der Strom stark, so wird das weiche Eisen sehr rasch genügend magnetisch und der Anker wird schnell angezogen, aber der Magnetismus verschwindet erst eine ziemliche Zeit, nachdem der Strom unterbrochen ist; es vergeht also mehr Zeit zwischen dem Öffnen des Stromes und dem Losreißen des Ankers durch die Feder als zwischen dem Schließen des Stromes und dem Anziehen des Ankers. Die von der Uhr angezeigte Zeit ist dann länger als die, während der der Strom durch die Uhr ging. Wenn die Stromstärke nicht richtig gewählt ist, können die erhaltenen Zeiten um mehr als eine Zehntelsekunde zu kurz oder zu lang sein, ein Fehler, der fast eben so groß ist als die ganze Reaktionszeit. Es ist nun immer möglich, das Verhältnis der Stromstärke so zu regulieren, dass gleiche Zeiträume liegen zwischen Stromschließen und Anziehen des Ankers durch den Magneten und zwischen Stromunterbrechen und Losreißen des Ankers durch die Feder; nur in diesem Falle geben aber die Zeiger genau die Zeit an, während der der Strom durch die Windungen des Elektromagnetes gegangen ist. Man kann das empirisch ausführen, indem man die Zeit misst, während der der Strom geschlossen ist, und Stromstärke und Federkraft so abgleicht, dass die abgelesene Zeit gleich der anderweitig gemessenen wird. Zu diesem Zwecke (und für andere, später beschriebene) habe ich einen Apparat2) gebraucht, welcher mit Rücksicht auf seine ursprüngliche Bestimmung ein Fallchronometer genannt werden kann.
 
 

1) In dieser Abhandlung ist sowohl im Text als in den Tabellen durchgängig 0,001" als Zeiteinheit gebraucht. Als Symbol dafür gebrauche ich wie früher a analog dem bereits von Anderen gebrauchten µ = 0,001mm.

2) S. Philos. Studien III, l. — Brain, Oct. 1885. — Der beschriebene Apparat wurde unter meiner Leitung in der mechanischen Werkstatt von Carl Krille in Leipzig gebaut; derselbe kann Duplikate liefern. Der Apparat kann angesehen werden im Psychologischen Institut der Universität Leipzig und im Army Medical Museum zu Washington.

    Der Apparat (Fig. l) besteht aus zwei massiven messingenen Säulen von 30 cm Höhe, welche 10 cm von einander entfernt sind und senkrecht auf der Grundfläche stehen. Die Säulen können genau senkrecht gestellt werden durch drei Stellschrauben, auf denen der Apparat steht. In die Säulen, eingeschnitten sind dreikantige Rinnen, in welchen ein massiver Schirm aus Weicheisen ohne merkliche Reibung gleitet. Dieser Schirm wird in der Schwebe gehalten durch einen Elektromagneten, welcher in jeder beliebigen Höhe angebracht werden kann. Wird der den Elektromagneten umkreisende Strom unterbrochen, so fällt der Schirm und zwar legt er denselben Fallraum immer in derselben Zeit zurück. An einer der Säulen können kleine Stromschlüssel (Fig. 2 und Fig. 3) befestigt werden, die resp. einen Strom schließen und öffnen. Beide bestehen aus einem Hartgummibassin, welches mit Quecksilber gefüllt ist; das Quecksilber steht mit einer Klemmschraube in leitender Verbindung. Ein Hebel mit Platinspitze, der vermittelst einer Platinspirale mit einer zweiten Klemmschraube in Verbindung steht, taucht in das Quecksilber. An dem einen Schlüssel (Fig. 2) ist der Hebel so angebracht, dass die Spitze das Quecksilber nicht berührt, aber, wenn der Schlüssel an der Säule des Fallchronometers befestigt ist und der Hebel durch den Schirm heruntergedrückt wird, in das Quecksilber hineintaucht. An dem zweiten Schlüssel (Fig. 3) taucht ebenfalls ein Hebel in das Quecksilber, wird aber (wie in der Figur dargestellt) herausgehoben, wenn der Schirm darauf drückt. Die Schlüssel werden an einer der Säulen befestigt, so dass der Schlüssel (Fig. 2), bei welchem der Strom unterbrochen ist, sich oben befindet. Der Uhrstrom durchläuft also beide Schlüssel, die Leitung ist aber im oberen Schlüssel unterbrochen. Man lässt nun den Schirm fallen, indem man den Strom durch den Elektromagneten des Fallchronometers (Fig. l) unterbricht. Nachdem der Schirm eine beträchtliche Fallgeschwindigkeit erlangt hat, trifft er auf den Hebel des oberen Schlüssels und bringt ihn zum Eintauchen in das Quecksilber; hierdurch wird der Uhrstrom geschlossen, also die Zeiger in Bewegung versetzt. Hat der Schirm den Raum, welcher zwischen beiden Schlüsseln liegt; durchfallen, so trifft er auf den Hebel des zweiten Schlüssels und hebt ihn aus dem Quecksilber; der Uhrstrom wird also jetzt unterbrochen und die Zeiger stehen wieder still. Der Schirm durchfällt den Raum zwischen beiden Schlüsseln immer in genau derselben Zeit, und die an der Uhr abgelesenen Zeiten sind ebenfalls konstant, können aber, wie wir oben sahen, um mehr als eine Zehntelsekunde länger oder kürzer sein als die Zeit, während der der Strom wirklich geschlossen war. Die Zeit, welche der Schirm braucht, um den Raum zwischen beiden Schlüsseln zu durchfallen (d. h. die Zeit, während der der Strom wirklich geschlossen ist), wird bestimmt mit Hülfe einer Stimmgabel von bekannter Schwingungszahl, welche auf dem mit berußtem Papier bedeckten Schirme schreibt. Diese Zeit kann auch theoretisch berechnet werden; diese für den freien Fall eines Körpers im leeren Raume berechnete Zeit ist nur wenig kürzer als die mit Hülfe der Stimmgabel gefundene. Kennen wir nun die Zeit, welche vergeht zwischen dem Schließen des Stromes im oberen Schlüssel und dem Unterbrechen desselben im unteren, so können wir die Stärke des Uhrstromes und die Federkraft leicht so regulieren, dass die Zeiger gerade die richtige Zeit angeben. Je stärker Strom und Feder genommen werden, um so kürzer ist die Zeit, welche nach dem Stromschließen vergeht, bis der Anker angezogen wird, und desto kürzer die Zeit, welche nach dem Öffnen vergeht, bis er losgerissen wird. Die Bestimmung mit der Stimmgabel braucht nur so oft wiederholt zu werden, bis man sicher ist, dass bei der Messung selbst kein Fehler gemacht wurde. Man wird übrigens gut tun, wenn man den Abstand beider Schlüssel variiert und untersucht, ob die an der Uhr abgelesenen Zeiten in jedem Falle dieselben sind wie die direkt gefundenen. Trotzdem muss das Chronoskop täglich durch das Fallchronometer oder durch ein empfindliches Galvanometer kontrolliert werden, damit man den Strom wieder abgleicht, wenn er sich geändert hat. Zu diesem Zwecke kann auch der von Hipp gelieferte Fallapparat benutzt werden, wenn man genügende Vorsichtsmaßregeln trifft. Die Stärke des Stromes wird abgeglichen mit Hülfe eines Rheostaten R (Fig. 8), und seine Richtung wird umgekehrt (um die Entstehung von permanentem Magnetismus im Elektromagneten der Uhr unmöglich zu machen) mit Hülfe eines Stromwenders C. Es versteht sich von selbst, dass man eine möglichst konstante Batterie anwenden muss. Nach mannigfachen Versuchen habe ich mich für eine Form der Zinkkupferbatterie entschieden, in welcher sich die Flüssigkeiten nach dem spezifischen Gewichte übereinander lagern. Ich benutzte sechs große Elemente, die ungefähr einmal monatlich gereinigt wurden, sonst stets unter sich verbunden blieben, nur dass natürlich der Schließungsbogen der Batterie außer bei den Versuchen unterbrochen war.

    Wenn das Chronoskop in der geeigneten Weise kontrolliert wird, misst es die Zeiten sehr genau. Bei derselben Stromstärke ist die mittlere Variation der abgelesenen Zeiten (einschließlich der Fehler, welche das Fallchronometer erzeugt), kleiner als 2s . Diese unbedeutende Variation korrigiert sich selbst so gut wie vollständig bei einer Reihe von Versuchen. Eine zweite ungefähr gleich große Variation entsteht dadurch, dass der Strom nicht völlig genau abgeglichen ist oder sich nach dem Abgleichen ändert. Auch dieser Fehler hat die Tendenz, sich selbst zu eliminieren. Eine dritte Fehlerquelle besteht darin, dass das Chronoskop zu langsam oder zu schnell laufen kann. Dieselbe ist durch genaue Regulierung der schwingenden Feder fast vollkommen zu eliminieren.

    Das Fallchronometer diente bei fast allen meinen Versuchen dazu, den Sinnesreiz hervorzubringen und in demselben Moment den Uhrstrom zu schließen. War die Reaktionszeit für Licht zu bestimmen, so wurde der Zwischenraum zwischen beiden Säulen mit schwarzem Karton bedeckt; so dass der Schirm für den Beobachter vollständig unsichtbar war. In den Karton (unterhalb des Schirmes: der Magnet befand sich höher als in der Figur) war ein Spalt von 2 cm Höhe und 3 cm Breite eingeschnitten, und der Reagierende fixierte eine schwarze Fläche, die mehrere mm hinter dem Spalte stand. Der Ablesende ließ den weiß überklebten Schirm fallen, indem er den Strom, der durch die Windungen des Elektromagnetes ging, unterbrach. Plötzlich und ohne vorher bemerkt zu werden erscheint an dem vom Reagierenden fixierten Punkte eine weiße Fläche, und in demselben Augenblick, bis auf ls genau, trifft der Schirm auf den Hebel des Schlüssels (Fig. 2) und schließt den Uhrstrom. Der Schirm fällt ohne jedes Geräusch, bis er aufgehalten wird durch den Druck der Hemmfeder f und die Gummipolster cc, und dieses Geräusch kommt zu spät nach dem Licht-eindrucke, als dass es die Reaktionszeit verlängern oder verkürzen könnte. Die Feder f ist so eingerichtet, dass sie einerseits den fallenden Schirm aufhält, andererseits ihn verhindert, wieder hoch zu springen, nachdem er auf die Gummistücke aufgefallen ist. Waren andere psychische Vorgänge als die in der Reaktionszeit enthaltenen zu untersuchen, so war das Objekt, welches jene Vorgänge veranlassen sollte, z. B. ein gedrucktes Wort, auf einem Karton von 15 cm Breite und 3 cm Höhe aufgeklebt. Dieser Karton wurde in bestimmter Lage festgehalten durch die Klemmfedern gg und ist dem Reagierenden verborgen durch den schwarzen Schirm. Der Reagierende fixiert einen grauen Punkt auf dem Schirme, der sich ganz genau vor dem auf den Karton geklebten Objekt befindet. (Fig. l zeigt die Rückseite, Fig. l S. 97 der Phil. Stud. die Vorderseite des Apparates.) Ein gebogener Kupferdraht w, dessen eine Spitze länger ist als die andere, ist am Schirme befestigt. Fällt der Schirm, so tauchen die amalgamierten Spitzen in zwei Vertiefungen in der Bodenfläche, welche mit Quecksilber angefüllt sind. Jedes dieser Quecksilbernäpfchen steht in Verbindung mit einer der Klemmschrauben hh und diese resp. mit der Batterie und dem Chronoskop, so dass der Strom an dieser Stelle unterbrochen ist. Fällt der Schirm, so verbindet der Kupferdraht w die beiden Quecksilbernäpfchen und der ganze Apparat ist nun derart eingerichtet, dass (bis auf l s genau) in dem Moment, in welchem das auf dem Karton befindliche Objekt dem Reagierenden sichtbar wird, die kürzere Spitze des Drahtes in das Quecksilber taucht und der Uhrstrom geschlossen wird. Diese Methode ist auf jeden Fall besser als die bisher angewandte, Objekte durch ein elektrisches Licht zu beleuchten. Sie umgeht vollständig die Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten, welche sich hei der Anwendung eines Induktionsstromes einstellen, z. B. das Licht konstant zu erhalten, zu genau gleicher Zeit einen Induktionsstrom und einen galvanischen Strom zu schließen und andere Schwierigkeiten, die derjenige am besten kennt welcher einmal versucht hat, sie zu überwinden. Ferner eliminiert sie die Zeit, welche das Auge braucht um sich einem Lichteindruck von unerwarteter Intensität zu adaptieren, eine Zeit die viele Experimentatoren sehr groß geschätzt haben. Schließlich setzt sie den Reagierenden in den Stand, ganz genau den Punkt zu fixieren, an welchem das Objekt sichtbar wird, so dass Wörter etc. benutzt werden können.

    Drei verschiedene Apparate waren es, welche dazu dienten, den Uhrstrom zu unterbrechen in dem Moment, wo der Reagierende eine Bewegung machte. Der erste derselben war ein Telegraphenschlüssel; den der Reagierende mit einem oder mehreren Fingern geschlossen hielt und den er öffnete durch eine Bewegung der Hand. Der benutzte Schlüssel muss sehr empfindlich sein, muss den Strom instantan unterbrechen und darf nur geringen Druck erfordern, um geschlossen zu sein. Die beiden anderen Apparate waren bestimmt, einen Strom zu unterbrechen, sobald die Sprachorgane bewegt wurden. Der erste von beiden (Fig. 4) kann Lippenschlüssel genannt werden. Die Klemmschrauben BB sind verbunden resp. mit Batterie und Chronoskop. Der Platinkontakt c ist geschlossen, wenn der Reagierende die Elfenbeinenden TT zwischen den Lippen hält; sobald aber die Lippen geöffnet werden, unterbricht die Feder S den Kontakt und damit den Strom, welcher durch das Chronoskop ging. Die einzige Schwierigkeit bei der Anwendung dieses Lippenschlüssels besteht darin, dass der Reagierende möglicherweise die Lippen bewegt, bevor er die zu registrierende Bewegung der Stimmorgane ausführt. Diese Schwierigkeit wird vermieden bei dem in Fig. 5, 6 und 7 gezeichneten Apparate, den man Schallschlüssel nennen kann.

    Der Uhrstrom wird unterbrochen, wenn der Reagierende in das Mundstück M (Fig. 5) hineinspricht. Um den Apparat in Tätigkeit zu versetzen, muss noch ein neuer galvanischer Strom hinzukommen, zu welchem ich vier Daniell'sche Elemente gebrauchte. Dieser Strom geht durch einen Stromwender, die Windungen eines Elektromagneten (Fig. 7) und durch den in Fig. 5 und 6 gezeichneten Apparat. Dieser letztere besteht aus einem Mundstück, einem Trichter und einem Ring (Fig. 6), der in das Trichterende hineinpasst und mit ungegohrenem Lammleder überspannt ist. Spricht der Reagierende in das Mundstück, so versetzen die Schallwellen das Leder in Schwingungen und der Platinkontakt c wird unterbrochen. Auch durch das mit dem Sprechen verbundene Ausatmen wird der Kontakt aufgehoben. Der Strom, welcher den Elektromagneten (Fig. 7) umkreist, geht nun durch diesen Kontakt; wenn also dieser unterbrochen wird, wenn auch nur auf einen Augenblick, verliert das weiche Eisen seinen Magnetismus, und der Anker wird mit Hilfe der Feder F losgerissen. Die Stärke dieser Feder kann mit Hülfe der Schraube N reguliert werden. Die Klemmschrauben BB sind resp. verbunden mit dem Chronoskop und der zugehörigen Batterie, so dass der Uhrstrom durch den bei C befindlichen Kontakt geht. Dieser Kontakt ist so lange geschlossen, als der Anker vom Magneten festgehalten wird, wird aber in dem Augenblick unterbrochen, wo der Magnetismus im weichen Eisen verschwindet oder soweit vermindert wird, dass die Feder den Anker losreißen kann. Der Anker wird nicht bis unmittelbar an den Magneten herangezogen, weil der Kontakt C es verhindert. Der Druck wird konstant gehalten durch Regulierung der Kraft der Feder F. Man wird erkennen, dass, wenn der Kontakt im Schalltrichter unterbrochen ist, keine merkliche Zeit vergeht, bis der Uhrstrom ebenfalls unterbrochen ist; der Kontakt im Schalltrichter aber wird bei der leisestes Bewegung der Sprachorgane unterbrochen, also wird der Augenblick dieser Bewegung registriert.

    In Fig. 8 ist die Anordnung der Apparate gegeben für den Fall, dass man die Zeit bestimmen will, in welcher z. B. ein Wort erkannt und benannt wird. Der so Reagierende sitzt in natürlicher Haltung und in deutlicher Sehweite von dem zu erkennenden Objekt, und er kann bequem in das Mundstück des Schallschlüssels F hineinsprechen oder (bei anderen Versuchen) den Telegraphenschlüssel geschlossen halten. Der Ablesende sitzt so, dass er bequem alle Apparate erreichen kann, mit denen er zu arbeiten hat. Der Uhrstrom geht von der Batterie B zum Stromwender C, durch die Rheostaten R (wenn nötig noch zuvor durch eine Bussole) und durch das Chronoskop Ch. Weiter geht er durch das Fallchronometer G, wo er unterbrochen ist so lange das Quecksilber in beiden Näpfchen nicht verbunden ist, sodann durch den Kontakt des Unterbrechers S (Apparat Fig. 7), wieder durch den Stromwender C und nach der Batterie zurück. Der Strom welcher den Elektromagneten des Fallchronometers umkreist, geht von der Batterie B" nach dem Stromwender C', durch den Schlüssel K" und durch das Fallchronometer zurück zum Stromwender und der Batterie. Der dritte Strom, welcher durch den Schallschlüssel geht, läuft von der Batterie B' zum Stromwender C", durch den Kontakt des Schallschlüssels F, den Elektromagneten des Unterbrechers S (Fig. 7) und zurück zum Stromwender und zur Batterie.

    Nehmen wir also den Fall, wir wollten die Zeit messen, welche man braucht, um ein Wort zu erkennen und zu benennen. Der Ablesende steckt einen Karton, auf welchen ein gedrucktes Wort geklebt ist, in die Klemmfedern des Fallchronometers; darauf sagt er »Jetzt!« und setzt das Uhrwerk des Chronoskops in Bewegung. Der Reagierende fixiert den Punkt auf dem Schirme, welcher sich unmittelbar vor dem Wort befindet. Jetzt lässt der Ablesende (oder der Reagierende selbst) den Schirm fallen, indem er den Strom unterbricht, welcher durch den Elektromagneten von G geht und den Schirm festhält. Plötzlich erscheint dem Reagierenden das Wort an der fixierten Stelle und in demselben Moment werden die beiden Quecksilbernäpfchen durch den Kupferdraht verbunden; der Uhrstrom wird also geschlossen, und die Uhrzeiger setzen sich in Bewegung. Der Reagierende spricht möglichst rasch das Wort aus; sobald er zu sprechen beginnt, wird der durch den Elektromagneten von S gehende Strom unterbrochen und der Anker losgerissen. Der Uhrstrom ist also unterbrochen und die Zeiger stehen still. Der Ablegende hält dann das Uhrwerk ein und liest an den Zifferblättern die Zeit ab, die erforderlich war , um das Wort zu erkennen und zu benennen.

    Die speziellen Methoden und die Vorsichtsmaßregeln, welche notwendig sind, wenn man mit Hülfe der hier beschriebenen Apparate genaue Resultate erzielen will, lassen sich am besten betrachten, wenn ich über die verschiedenen einzelnen psychischen Vorgänge rede, deren Zeitdauer ich zu bestimmen versucht habe. Es wird indes angebracht sein, zwei Punkte schon hier zu erwähnen, welche für alle meine Versuche gemeinsam gelten. Es handelt sich erstens um die Methode, aus den verschiedenen Einzelversuchen den richtigen Mittelwert zu berechnen. Gebräuchlich sind hier zwei Methoden: entweder aus allen gemessenen Reaktionen das Mittel zu nehmen, oder die Zeiten, welche der Experimentator für zu kurz oder zu lang hält, bei der Berechnung des Mittels einfach wegzulassen. Gegen beide Methoden sind wesentliche Einwürfe zu machen. Die erste liefert ungenaue Resultate; da in Folge gewisser abnormer Umstände eine Reaktion. vom Mittelwerte der übrigen soweit abweichen kann; dass sie das Resultat der ganzen Reihe falsch machen würde. Man kann behaupten, dass dieser Fehler eliminiert werden kann, wenn man die Gesamtzahl der Versuche genügend groß macht; das erfordert aber einen großen Aufwand von Zeit und Arbeit, ohne den Fehler vollständig zu korrigieren. In physikalischen Experimenten können die Messungen, welche vom Mittelwert am meisten abweichen, eben so leicht nach der einen als nach der anderen Seite hin liegen, das ist aber nicht der Fall bei unseren Versuchen. Reaktionen, welche so kurz sind, dass sie den Mittelwert ernstlich beeinflussen könnten, können kaum vorkommen, aber in Folge innerer oder äußerer Störungen werden die Reaktionen zuweilen abnorm lang. In Folge dessen ist auch, wenn wir den Mittelwert aus einer unendlich großen Anzahl von Reaktionen nehmen, das Resultat nicht genau, sondern immer etwas größer als das Mittel der unter normalen Umständen ausgeführten Reaktionen. Die von Exner eingeführte Methode, Reaktionen, welche zu lang oder zu kurz zu sein scheinen, einfach wegzulassen, kann ja möglicherweise richtige Resultate ergeben, sie ist aber zweifellos unsicher. Der Experimentator glaubt den richtigen Wert gefunden zu haben und lässt dann, vielleicht ohne sich dessen klar bewusst zu werden, bei der Berechnung diejenigen Reaktionen weg, welche diesen Wert ändern könnten. Merkel3) z. B. gibt 15 Mittel, in denen seine Apperzeptionszeit zwischen 22 und 25s liegt, und die Zeiten in 120 anderen Reihen, welche mit 8 verschiedenen Personen angestellt sind, stimmen genau damit überein, da sie nur zwischen 19 und 26s variieren. Diese Mittel stimmen bis zu einer vollständig unmöglichen Genauigkeit überein; wir werden uns daher nicht wundern dürfen, wenn wir die angegebene Zeit vollständig falsch finden. Die Arbeit von v. Kries und Auerbach4) verliert viel von ihrem Wert durch den Umstand, dass bei der Berechnung ihrer Resultate sehr viele der gefundenen Zeiten weggelassen sind.

3) Philos. Stud. II, l.

4) Du Bois-Reymond's Archiv, 1877.
 
 

    Ich habe eine andere und, so weit ich weiß, neue Methode angewandt. Wenn der Apparat nicht gehörig funktionierte, wurde natürlich keine Reaktion gemessen, aber aus allen gemessenen Reaktionen wurde das Mittel berechnet. In einer Reihe wurden entweder 13 oder 26 Reaktionen gemacht; daraus wurde das Mittel berechnet und die Abweichung jeder Reaktion von diesem Mittel. Dann wurde die Reaktion, welche die größte Variation hatte, weggelassen; das Mittel der übrigen 12 oder 25 berechnet und wiederum die am meisten von diesem Mittel abweichende Reaktion weggelassen. Dies Verfahren wurde wiederholt, bis die 3 oder 6 schlechtesten Reaktionen weggelassen waren; ich behielt dann die 10 oder 20 besten Reaktionen und ihre Abweichungen von ihrem Mittel. In der Praxis braucht man so viele Mittel nicht wirklich zu berechnen, da es nur notwendig ist, diejenigen 3 oder 6 Reaktionen wegzulassen, die von dem korrigierten Mittelwert am meisten abweichen, und da dieser bei einiger Übung meist von vornherein zu erkennen ist. Ich gebe in dieser Abhandlung sowohl das Mittel aus allen Versuchen als auch das nach der eben beschriebenen Methode korrigierte Mittel. Man wird bemerken, dass die beiden Werte nur unbedeutend von einander abweichen; die Versuchsbedingungen waren nämlich derart, dass wirklich abnorme Reaktionen selten vorkommen konnten.

    Der zweite hier zu erwähnende Punkt ist der Einfluss der Übung, Aufmerksamkeit und Ermüdung auf die Länge der gemessenen Zeiten. An späteren Stellen dieser Abhandlung werde ich eine Anzahl von Versuchen mitteilen, welche ich nach dieser Richtung hin angestellt habe. Bei den sonstigen Versuchen war dafür gesorgt, dass die Ursachen der Variation möglichst ausgeschlossen wurden. Die beiden Versuchspersonen (Dr. G. O. Berger und Schreiber dieser Abh.), mit denen die Versuche angestellt wurden, hatten in psychologischen Arbeiten bereits viele Übung. Ihr körperliches Befinden war gut, ihre Lebensweise regelmäßig, sie vermieden sogar morgens den Genuss von Kaffee. Die Versuche wurden jeden Morgen (mit Ausnahme des Sonntags) von 8—l Uhr angestellt. Nach jeder Reihe von 26 Versuchen verging eine beträchtliche und konstante Zeit, bevor dieselbe Person wieder zu reagieren hatte. Die Versuchsperson hielt ihre Aufmerksamkeit möglichst konstant und wurde nicht gestört durch Lärm oder die Anwesenheit dritter Personen im Zimmer.

    Diese Versuche sind in Amerika begonnen, aber im wesentlichen im psychologischen Institut der Universität Leipzig ausgeführt worden.