Über die Anwendung des Gravitationsgesetzes auf die Atomenlehre 1)

von

M. G. Fechner, akad. Dozent zu Leipzig.

    §. l. Wenn wir die Ansicht verteidigen wollen, daß die Körper ein System von Atomen oder Molekülen2) sind, die durch keine andere Kraft, als ihre wechselseitige Gravitationskraft zum Gleichgewicht oder zur Bewegung bestimmt werden3), so müssen wir zeigen, daß sich die Grunderscheinungen der Materie wirklich auf eine dem Gesetz dieser Kraft entsprechende und unter sich harmonierende Weise erklären lassen. Wir werden daher im Nachstehen und in einer späteren Abhandlung folgende Probleme zu lösen versuchen:

    1) Auf welche Weise kann das Bestehen materieller Punkte (der ponderabeln Atome) in stabilen4) Entfernungen von einander gedacht werden5), wenn diese Punkte durch keine andere Kraft als die gegenseitige Gravitattionskraft sollizitiert werden?

    2) Auf welche Weise läßt sich, ohne Zuziehung spezifischer abstoßender Kräfte, die Zusammenziehung und Ausdehnung der Körper und der Übergang der verschiedenen Aggregatzustände in einander durch bloße gegenseitige Gravitation ihrer Teichen erklären?

    3) Welches Verhältnis muß den sogenannten Imponderabilien zu den ponderabeln Teilen beigemessen werden und wie lassen sich die gleichzeitigen Veränderungen, welche sich in Ponderabilien und Imponderabilien wechselseitig bedingen, durch bloße Wirkung des Gravitationsgesetzes erklären?

1) Diese Abhandlung schließt sich an die früher in diesem Archiv (Bd. IX. H.3. S.257.) gegebene an, und ist mit Bezug darauf geschrieben. Ich wiederhole nicht die auch hier geltenden Vorerinnerungen, daß alles hier gegebene so lange als problematisch gelten muß, bis es einer genauen mathematischen Analyse gelingt, sich desselben zu bemächtigen, was jedoch für jetzt noch unüberwindlichen Schwierigkeiten zu unterliegen scheint.

2) Am angemessensten scheint es mir zu sein, sich die Körperatome ganz nach der Analogie mit den Weltkörpern (die man auch als Atome eines größeren Körpers denken könnte) zwar nicht als absolut unteilbar, aber doch als unteilbar in Bezug zu einander vorzustellen, insofern alle Prozesse zwischen ihnen, wie zwischen Ganzen vorgehen und nichts Ponderables vom einen zum anderen übergeht. Diese hier vorläufig aufgestellte Analogie wird sich übrigens durch das Folgende noch mehr entwickeln.

3) Daß die Atome dem Gravitationsgesetze unterworfen seien, ist eigentlich eine Folgerung, die so wesentlich in der Beschaffenheit des, für jede Größe und Kleinheit materieller Massen allgemein geltenden, Gravitationsgesetzes selbst begründet liegt, daß nur ganz bestimmte, in der Erfahrung begründete, Gegenbeweise uns veranlassen dürften, dies Gesetz für bestimmte Grenzen materieller Masse zu limitieren. Dies hieße jedoch einen Widerstreit zwischen Erfahrung und Mathematik setzen, der sonst nirgends Statt findet; und wie wäre es auch möglich, bei Annahme einer solchen Limitation, doch durch Integration aus der Schwerewirkung der kleinsten Teilchen die Schwerewirkung eines ganzen Körpers zu berechnen, Allerdings steht immer noch die Möglichkeit offen, daß außer der Gravitation bei den Atomen noch andere Kräfte auftreten können, welche die Wirkung jener überbieten. Zur Annahme solcher vires occultae dürften wir jedoch nur dann berechtigt sein, wenn gar kein Weg vorhanden wäre, die Erscheinungen der Materie durch Kräfte, die ihr als solcher wesentlich sind, zu erklären, was eben hier versucht werden soll.

4) Oder solchen Entfernungen, wo die Atome nur bis zu gewissem Grade um die Lagen ihres gegenseitigen Gleichgewichts oszillieren; denn in der Tat werden wir auf solche geführt werden.

5) Nimmt man einmal Atome an, so macht in der Tat die Zusammendrückbarkeit und Ausdehnbarkeit der Körper und das Verhältnis der verschiedenen Aggregatszustände zu einander, eine Annahme von veränderlichen Entfernungen (die aber für denselben Zustand des Körpers stabil sind) unerläßlich. Die Schwierigkeit, diese nach bloßen Anziehungskräften zu erklären, ist bis jetzt eine der Hauptursachen für die Annahme von Abstoßungskräften gewesen.
 
 

    §. 2. So viel läßt sich ohne weitläufige Deduktion einsehen, daß ein ruhiger Abstand sämtlicher Atome eines Körpers durch bloße Anziehungskräfte unerklärbar sein würde. In der Tat betrachten wir eine, aus 5 gleichen, in einer gleichen Entfernung geradlinig disponierter Atomen a, b, c, d, e, bestehende Reihe, so wird zwar das mittlere Atom c seine Stelle nicht verändern, weil die Anziehungen sich von beiden Seiten gleich sind; allein die nach den Enden zu liegenden Atome müssen sich nach der Mitte hinbewegen und können nicht eher zur Ruhe kommen, bis sie sämtlich zur Berührung gelangt sind.

    Begreiflich muß solchergestalt auch in jedem anderen System Bewegung der Atome erfolgen, weil sich die Anziehung höchstens für einige derselben nach entgegengesetzten Richtungen in der Mitte kompensieren kann. Keineswegs aber ist erforderlich, daß sich, bei anderer anfänglicher Disposition als einer gradlinigen, welche wir oben setzten, die Atome durch ihre gegenseitige Anziehung zur Berührung nahe kommen, vielmehr wird dieses bloß für einzelne spezielle Fälle der Fall sein können. Im Allgemeinen, wenn drei oder mehrere sich anziehende Körper vorhanden sind, wird es nicht einmal eines ablenkenden Impulses bedürfen, um diese Körper von Annäherung zur Berührung abzuhalten; denn es werden zwar immer zwei derselben sich in gerader Linie nach einander hinzubewegen streben; allein die zugleich anziehende dritte Masse sie stetig aus dieser geraden Linie ablenken und so jede Masse kontinuierlich störend für die Annäherung je zweier anderen wirken. Wenn nun nicht in irgend einer Zeit die Mittelkräfte der Anziehungen und schon erlangten Bewegungsgeschwindigkeiten sämtlicher Massen in Einem Punkte zusammentreffen, welches nur in einzelnen Fällen anfänglicher Bewegungsumstände geschehen kann, so wird eine dauernde, wiewohl veränderliche, oder, wie wir sie nennen können, bewegte Entfernung derselben bis ins Unendliche dauern können6).

6) Es läßt sich hieran eine, wenn auch nicht fruchtbare, doch interessante Bemerkung knüpfen. Zwei Atome sind durch sich allein keiner steten Bewegung fähig und bestimmen, wenn sie durch eine fremde Kraft in einen Abstand von einander gehalten werden, stets nur durch ihre Zahl eine gerade Linie. Drei oder mehr Atome reichen hin, durch sich selbst eine ins Unbestimmte dauernde Bewegung hervorzurufen und durch ihre Zahl jederzeit eine krumme Linie zu bestimmen. Sollte diese nicht in einem Bezuge zur binären Zusammensetzung, der Leblosigkeit und geradlinigen Form der unorganischen Körper einerseits und zur ternären oder mehrfachen Zusammensetzung, dem inneren selbsttätigen lebendigen Wechsel und den krummlinigen Gestalten der organischen Körper andrerseits stehen?
 
 
    §. 3. Wir sehen also, daß zwar eine bleibende, aber stets wechselnde, Entfernung der Atome vermöge bloßer Attraktion derselben wohl möglich ist. Nun aber berechtigt uns nichts dazu, uns z. B. einen Kristall als eine Art gleichsam gärender Masse vorzustellen, wo sich je ein ponderables Atom um alle übrige Atome bewegte und gegenseitig beitrüge sie zur Bewegung zu bestimmen; vielmehr läßt uns Alles schließen, daß sich die ponderabeln Atome bei demselben Körperzustande in relativ fixen Stellungen, höchstens mit nicht merklichen Oszillationen um die Lagen ihres Gleichgewichts zu einander befinden, und so scheint die Erfahrung selbst der Möglichkeit unserer Ansicht einer alleinig wirksamen Anziehungskraft zu widersprechen, und man hat in der Tat von diesem Standpunkt aus die Sache bis jetzt immer betrachtet. Allein es ist noch ein, bis jetzt unberücksichtigt gebliebener, Fall übrig, in welchem wir die Lösung unseres Problems finden können. Zu ihm wenden wir uns jetzt.

    Es lassen sich Systeme von Massen denken, bei welchen sich Ruhe (oder nur geringe Oszillation) eines Teils dieser Massen und kontinuierliche Bewegung des anderen Teils dieser Massen wechselseitig bedingen.

    Von diesem Satze aus, dessen Erörterung sogleich folgen wird, scheint sich mir die Ruhe der ponderabeln Atome in den Körpern durch eine gehörig kombinierte Bewegung der imponderabeln Atome7) in völliger Einstimmung sowohl mit der Beschaffenheit des Gravitationsgesetzes selbst, als den Erscheinungen erklären zu lassen.

7) Nur uneigentlich und der Unterscheidung wegen können sie jedoch dann noch den Namen imponderable Atome führen, da ihre Anziehung so gut als die der anderen in Betracht kommt. Wir werden sie im Folgenden öfters als planetare Atome im Gegensatz der ponderabeln oder solaren Atome, welche so zu sagen das Gerippe der ponderabeln Masse ausmachen, bezeichnen.
 
 
    §. 4. In der Tat wollen wir erst zeigen, welche Anordnung der Materie für eine solche Ruhe einzelner Massen bei Bewegung der übrigen im Allgemeinen erforderlich sei; dann, wie durch die Wirkung des Anziehungsgesetzes selbst solche Anordnungen, die dem ersten Anblick nach nur als ganz spezielle, kaum in der Wirklichkeit mögliche, Fälle erscheinen könnten, mit großer Wahrscheinlichkeit von selbst hervorgerufen werden müssen.

    Gesetzt, wir hätten zwei größere (solare oder ponderable) Atome A, B, in Taf. 111. fig. 1., um welche sich in geschlossenen Bahnen eine unbestimmte Zahl kleinerer (planetarer oder sog. imponderabler) Atome8) a, b, c..... auf solche Art bewegten, daß zu jeder Zeit eine größere Anzahl derselben im gemeinschaftlichen Umfang von A und B, als durch ihren Zwischenraum liefe9), so werden diese planetaren Atome, während A und B sich vermöge ihrer eigentümlichen Anziehungskraft zu nähern streben, dieser Näherung entgegenwirken, indem sie die Massen A und B nach sich anziehen und es würde Gleichgewicht für A und B bestehen können, wenn das Verhältnis der Massengrößen und Entfernungen sämtlicher solarer und planetarer Atome so abgemessen wäre und (durch wechselseitige Kompensation) während der Bewegung bliebe, daß die Summe der Anziehungen, welche die Massen a, b, c, d, e nach der Seite, wo sie sich befinden, auf A äußern, stets im Gleichgewicht bliebe mit der Summe der Anziehungen, welche nach entgegengesetzter Richtung von f, g, h, i, k, l, m, n und der anderen ruhenden10) Masse B geäußert werden. Nun dürfte allerdings ein solches strenges Gleichgewicht der Massen A und B während der ganzen Revolution der planetaren Massen um sie selten oder gar nicht statt finden. Sehr wahrscheinlich aber wird durch die weiteren Betrachtungen werden, daß die Bewegung der planetaren Atome um die solaren sich so anordnet, um bloß kleine Oszillationen der Annäherung und Entfernung derselben zuzulassen11), ja es scheint dies beinahe eine notwendige Folgerung des Anziehungsgesetzes zu sein. Jedoch hiervon nachher.

8) Gebundenes Licht, Wärme, Elektrizität. 9) Dies findet z.B. in Fig. l. nach der Beschaffenheit der dort verzeichneten Bahnen statt; dagegen in Fig. 4. im Allgemeinen immer eine gleich große Menge imponderable Atome durch den Zwischenraum, als den Außenraum sich bewegen.

10) Allerdings steht die Gesamtheit der Massen a, b, c, d, e hinsichtlich der Massengröße gegen die Massen f, g, h... B im Nachtheil, hinsichtlich der Nähe aber im Vorteil und nichts hindert, sich beide Umstände kompensiert zu denken. Übrigens scheint mir die Möglichkeit, daß bei einer hinreichenden Anzahl von wechselseitig sich anziehenden Körpern zwei oder mehrere derselben sich in Ruhe oder angenäherter Ruhe befinden können, bei Bewegung der übrigen, schon dadurch zu erhellen, daß man, thoretisch genommen, jederzeit den Ausdruck für die Geschwindigkeit  für eine gewisse Anzahl von Körpern null setzen und aus den sich so ergebenden Gleichungen Verhältnisse ableiten können muß, welche in die Formeln für die übrigen Körper substituiert, die Bewegungsart derselben so determinieren müssen, wie sie wirklich nötig ist, um diese Ruhe jener Körper zur Folge zu haben. Dies erfordert keineswegs, daß die Kräfte jedes der übrigen Körper für sich null seien (in welchem Fall das Problem unmöglich sein würde, da die übrigen Massen solchergestalt selbst verschwinden), denn der Differenzialausdruck für die Geschwindigkeit ist dv = jdt, wo j die auf den Körper wirkende Gesamtkraft bedeutet. Damit nun dv = 0 werde; wird bloß erfordert, daß auch j gleich 0 sei. Dieses j aber kann ebenso gut durch Entgegensetzung der einzelnen Kräfte, welche die übrigen Massen äußern, als durch das Verschwinden der einzelnen Kräfte selbst, d. h. der Massen, von denen sie geäußert werden, null werden. Die Ausführung von Berechnungen dieser Art aber möchte, so weit ich den gegenwärtigen Zustand der Analyse übersehe, bis jetzt noch unüberwindlichen Schwierigkeiten unterliegen.

11) Dieser Umstand führt auf eine überraschende Analogie, indem sich solchergestalt der in der ganzen Natur sichtbare Puls, der Wechsel der Expansion und Kontraktion, selbst im Atomenreich als etwas wesentlich Begründetes wieder fände.
 
 

    §. 5. Hier sehen wir nun schon einen Weg, die abstoßende Wirkung der Wärme auf bloße Anziehungskräfte zurückzuführen. In der Tat, je mehr im gemeinschaftlichen Umkreise zweier solaren oder ponderabeln Atome die Wärmeatmosphäre, d. i. die Masse der sich bewegenden planetaren Atome zu nimmt, um so weiter müssen diese dadurch aus einander gezogen werden; so daß sich sonach wirklich diese anziehende Wirkung der Wärme, gegen die ponderabeln Atome, einer abstoßenden Wirkung zwischen den ponderabeln Atomen selbst assimilieren ließe12). Übrigens wird man nach dem Vorstehenden leicht einsehen, wie auch etwa drei oder noch mehr Massen dadurch in Ruhe oder geringere Oszillation gegen einander gehalten werden können, daß sich in gehörigen Verhältnissen eine größere Anzahl planetarer Massen in ihrem Umkreis, als durch ihren Zwischenraum bewegt, wozu wir ein oberflächliches Schema in den Fig. 2 und 3. gegeben haben13). 12) Hier müssen sich allerdings sogleich verschiedene Einwände darbieten: wenn die Imponderabilien eine anziehende Wirkung auf die ponderabeln Atome äußern sollen, so müssen sie auch Schwere besitzen, zur Schwere der Körper beitragen und sich mit beschleunigter Geschwindigkeit nach der Erde bewegen, welches Alles nicht der Fall scheint. Ich glaube indes diese Einwände in §. 15. genügend gehoben zu haben.

13) Es kommt uns bei diesen Schematen, wo immer je ein, je zwei, je drei Atome gemeinschaftliche Bahnen um sich haben, nur darauf an, das Verhältnis der Bewegung im Umfang zu der Bewegung durch den Zwischenraum der solaren Massen anzudeuten, nicht die eigentliche Gestalt der Bahnen, die noch weit mannigfaltigere Kurven in sich schließen muß. Man würde übrigens, während man das im Inneren eines Atomensystems um je ein, zwei, drei oder mehrere, ponderable Atome sich gemeinschaftlich bewegende Imponderabile gebundne Wärme nannte, das im gemeinschaftlichen Umkreis aller, d. h. an der Oberfläche des Systems, laufende, natürliche Elektrizität nennen können.
 
 

    §. 6. Um nun aber zu zeigen, auf welche Weise solche Anordnungen zu Stande kommen können, schicken wir folgende Betrachtung voraus. Man denke sich zwei solare Atome erst in sehr weiter Entfernung von einander; dann wirkt jedes derselben als ein einzelner Mittelpunkt für sich und alle planetaren Atome werden, je nachdem sie in die Nähe des einen oder des andern kommen, darum Ellipsen, Parabeln oder Hyperbeln nach Beschaffenheit ihrer ursprünglichen Bewegungsumstände beschreiben, in der Art, daß, wenn man beide solare Atome durch eine gerade Linie verbunden denkt, im Allgemeinen jederzeit eben so viel planetare Atome diese Zwischenlinien schneiden, oder durch den Zwischenraum beider Atome, als durch ihren Außenraum, laufen werden, wenn. man nicht gleich anfänglich eine besondere Verteilung der Imponderabilien setzen will.

    Man denke sich nun dieselben solaren Atome unendlich genähert; dann wird, weil sie Eine Masse ausmachen, gar kein planetares Atom mehr ihre Zwischenlinie schneiden können, vielmehr alle sich bloß in ihrem Umfang bewegen müssen.

    Hieraus nun folgt notwendig, daß wenn zwei anfangs sehr entfernte solare Atome sich allmälig durch eigene Anziehung oder durch irgend eine Ursache nähern, die planetaren Atome, welche um jedes derselben besonders laufen, allmälig ihre Bahnen in der Art ändern müssen, daß sie ihre Bewegung, wodurch sie zwischen beiden Atomen hindurchgeführt werden, in solche wandeln, wodurch sie bloß um beide Atome geführt werden, oder mit anderen Worten, die monozentrale Bewegung muß mit mehr Näherung der anziehenden Mittelpunkte für immer mehr planetare Atome in eine bizentrale übergehen, bis sie bei völliger Näherung derselben für alle bizentral geworden ist, wo jedoch die zwei Zentra zusammenfallen.

    §. 7. Betrachten wir nun zwei solare oder pondorable Atome A und B, die anfangs sich in sehr großer Entfernung befinden, in einem Raume, durch den eine gewisse Quantität freies Imponderabile nach unbestimmten Richtungen strömt, und nehmen an, daß jedes dieser ponderabeln Atome aus diesem freien Imponderabile, das in seine Nähe gekommen, eine gewisse Quantität gebunden, d. h. zu geschlossenen Bewegungen um sich bestimmt habe. Unter Voraussetzung, daß alle Umstände für beide Atome anfänglich gleich waren, werden wir die Anordnung derselben mit ihren imponderabeln Atmosphären durch das Schema Fig. 4. vorstellen können.

    Man sieht leicht, daß bei dieser sehr großen Entfernung, wo im Allgemeinen gleich viel imponderable Atome die Zwischenlinie von A und B als ihrem Außenraum schneiden, die eigne imponderable Atmosphäre jedes Atoms ohne Einfiuß auf dessen Bewegung sein muß, weil der Anziehung von f, g, h, i, k nach B hin das Gleichgewicht gehalten wird durch die gleich große Anziehung der planetaren Massen a, b, c, d, e nach der entgegengesetzten Seite; mithin wird A definitiv bloß durch die Anziehung von B und dessen imponderabler Atmosphäre zur Bewegung bestimmt werden, wiewohl wegen der sehr großen Entfernung mit schwacher Kraft und so umgekehrt B von A. Beide werden sich also zu nähern anfangen.

    §. 8. In dem Maße nun aber, als dieses geschieht, werden sich die Bahnen der imponderabeln Atome um A und B auf die oben angezeigte Weise ändern müssen, indem das Schema der Fig. 4. sich immer mehr in das Schema der Fig. 1. umwandelt; indem nämlich imponderable Atome, die erst monozentral um A oder B allein ließen, nun sich bizentral um beide zu bewegen anfangen und solchergestalt sich, immer mehr aus dem Zwischenraum beider Atome in ihren Außenraum begeben, wobei ein Teil in unendlichen Linien fortgeht, wie wir dies in unserer früheren Abhandlung (Bd. IX. S. 268) erörtert haben und dadurch das Phänomen des bei jeder Annäherung von Körpermolekülen frei werdenden Lichts oder Wärme bedingt; während zugleich von dem etwa vorhandenen freien Imponderabile des Raums, durch den sich die ponderabeln Atome bei ihrer Annäherung hindurch bewegen, anderseits im Verhältnis ihrer Annäherung ein immer größerer Teil von beiden gemeinschaftlich, als von jedem besonders gebunden werden muß.

    §. 9. Da nun solchergestalt das Verhältnis des Imponderabile's im Außenraume beider ponderabeln Atome gegen das in ihrem Zwischenraum mit ihrer Annäherung immer mehr zunimmt, so muß in entsprechendem Grade der Gegenzug, den sie nach der von einander abgekehrten Seite erfahren, immer mehr wachsen; und wiewohl auch die Anziehungskraft des Systems A zum System B mit ihrer Näherung immer zunimmt, so kann doch diese Zunahme teils durch den Verlust, den beide Systeme durch das Freiwerden eines Teils ihrer imponderabeln Masse vermöge deren Freiwerden erfahren, zum Teil kompensiert werden, teils aber, und dies ist die Hauptsache, läßt sich immer ursprünglich eine solche Anzahl von planetaren Atomen um jedes der solaren Atome voraussetzen, daß das Verhältnis der in dem Außenraum tretenden planetaren Massen bei der Näherung so groß wird, um durch seinen Gegenzug in irgend einem Augenblicke die weitere Näherung beider Systeme zu hindern; mit einem Worte, es läßt sich ganz die Anordnung hervorzurufen, welche wir §. 4. als zur Bewirkung stabiler Abstände der solaren Atome, vermöge des Gravitationsgesetzes erforderlich erklärten.

    §. 10. Es werden hiernach zwei ponderable Atome, wofern sie nur eine hinreichende Anzahl planetarer Massen um sich haben, welche zur Repräsentation der Erscheinungen beliebig anzunehmen nichts hindert, sich durch wechselseitige Anziehung nicht ins Unbestimmte nähern können, sondern bei einem gewissen, durch ihre eigne Massen und die Massenverhältnisse ihrer planetaren Atmosphären bestimmten Grade der Näherung wird der Gegenzug der in ihrer gemeinschaftlichen Peripherie laufenden planetaren Atome diesem Zuge das Gleichgewicht halten und die solaren oder ponderabeln Atome werden dann nicht näher aneinander rücken. Doch wird man dann kein eigentliches fixes Stillstehen derselben annehmen können, sondern die ponderabeln Atome werden noch in Bezug auf ihren und ihrer Atmosphären gemeinschaftlichen Schwerpunkt, je nach der veränderlichen Lage der planetaren Atome (bei der jedoch stetig die Anhäufung im Außenraume überwiegend bleibt) hin und wieder in gewissen Grenzen oszillieren. Diese Oszillationen können jedoch von Erreichung jenes GIeichgewichtspunkts an nicht mehr groß werden; weil bei weiterer Näherung derselben sogleich mehr planetare Atome in den Außenraum treten und dadurch die pondorabeln Atome zurückrufen müssen, bei Entfernung derselben aber mehr Atome in den Zwischenraum und dadurch wieder Näherung der ponderabeln Atome veranlassen.

    §. 11. Es leuchtet ein, daß die Grenzen, wo die ponderabeln Atome einander sich zu nähern aufhören, um so eher eintreten müssen, je mehr jedes Atom planetare Materie um sich hat; weil um so mehrere planetare Atome dann, bei Näherung der ponderabeln oder solaren Atome, sich nach der Außenseite wenden und einen um so stärkeren Gegenzug mithin äußern werden, und es ist durchaus kein Umstand, welcher verhindert, in den Fällen, wo solche bleibende Abstände sich äußern, wirklich dies einer hinreichenden Anzahl planetarer Masse beizumessen. Andrerseits könnte auch wirklich in änderen Fällen so wenig planetare Masse vorhanden sein, daß eine Grenze der Näherung niemals eintrete, indem die mit der Näherung zunehmende Anziehungskraft der ponderabeln Atome das Übergewicht über den Einfluß der veränderten Atomenverteilung erhielte. In diesem Fall würden sie sich im Allgemeinen zwar nicht bis zur Berührung nähern, weil sie von ihrer gradlinigen Anziehung doch immer mehr oder weniger durch ihre planetare Masse abgelenkt werden müßten, aber wohl um einander oder ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt sich bewegen; indem sie so zu sagen immer wechselseitig über einander hinausgeführt würden.

    §. 12. Von dem bis jetzt Angeführten aus, läßt sich nun eine sehr einfache Erklärung von der Fortpflanzung der Bewegung durch die Körper und der Elastizität derselben geben und zeigen, wie sie nur von dem nämlichen Prinzip abhängen.

    Der Umstand, daß zwei pondorable Atome, die sich gegenseitig anziehen, doch bei einem gewissen Grade der Näherung stehen bleiben, im Fall sie hinreichende planetare Atmosphären besitzen, setzt voraus, daß in diesem Fall der Einfluß, welchen die mit der Näherung bedingte andere Anordnung der planetaren Atmosphären zur Entfernung beider Atome äußert, in einem stärkeren Verhältnis zunimmt, als der Einfluß, den die Näherung der Atome selbst zur Verstärkung ihrer Anziehung äußert; mithin umgekehrt auch, daß bei Entfernung zweier ponderabeln Atome von einander durch irgend eine Ursache - der erste Einfluß in einem stärkeren Verhältnisse abnimmt, als der andre14).

14) Immer hierbei vorausgesetzt, daß ursprünglich eine solche Masse planetarer Atome vorhanden war, daß die solaren Atome in gewisser Entfernung von einander stationär bleiben mußten.     Gesetzt also zwei ponderable Atome A und B befinden sich vermöge der Anordnung ihrer gemeinschaftlichen planetaren Atmosphären im Gleichgewichte; nun aber werde A dem B durch irgend eine Kraft gewaltsam genähert, so wird vermöge der entsprechend zunehmenden Anhäufung der planetaren Atmosphären, im Außenraum das Streben zur Abstoßung zwischen A und B hindurch verstärkt werden. Nun sind zwei Fälle möglich. Entweder vermag B auszuweichen; dann wird es vermöge der erwähnten Abstoßung sich soweit von A entfernen, daß es wieder in den vorigen, zum Gleichgewicht zwischen beiden erforderlichen Abstand kommt, und so wird folglich das ganze System von A und B durch die bloß auf A allein wirkende Kraft fortgerückt werden. Dasselbe wird der Fall sein, wenn in einem System von drei oder mehr pond. Atomen A, B , C... eine Kraft bloß auf A wirkt, die es dem B zu nähern strebt, indem hierdurch B, um in den Gleichgewichtsabstand von A zu kommen, sich dem C nähert und dieses sich aus demselben Grunde, warum sich B von A entfernte, seinerseits bis zum ursprünglichen Abstand von B entfernt, so daß sich solchergestalt die Bewegung durch die ganze Atomenreihe fortpflanzen muß.

    Der andere Fall ist der, wo B durch einen Widerstand gehindert wird, beim Einwirken einer Kraft auf A auszuweichen. Dann wird es, so lange die Kraft anhält, in einem gezwungenen Zustande der Näherung erhalten; allein beim Nachlassen der Kraft muß nun A ans demselben Grunde in seine ursprüngliche Entfernung von B zurückschnellen (was durch eine gewisse Anzahl von Oszillationen geschieht), aus welchem sich im vorigen Fall, wo B nicht am Ausweichen verhindert war, dasselbe von A zum ursprünglichen Abstand entfernte.

Wie sich nach demselben nahmhaft gemachten Prinzip die Fortpflanzung der Bewegung und die Elastizität beim Zuge erklären läßt, wird hiernach keiner Erörterung bedürfen.

    §. 13. Ein Umstand, der dazu beitragen muß, dieser Theorie Gewicht zu geben, ist, daß jede Mitteilung der Bewegung Zeit erfordert; wie denn in der Tat erhellt, daß die veränderte Atmosphärenanordnung, d. i. die Veränderung im Laufe der planetaren Massen, welche diese Atmosphären zusammensetzen, nicht in einem unteilbaren Augenblicke erfolgen kann.

    §. 14. Um nicht die Grenzen des Umfangs einer für diese Zeitschrift passenden, Abhandlung zu überschreiten, übergehe ich die weitere Anwendung des, wie ich hoffe jetzt klar vorliegenden, Prinzips auf andere Erscheinungen der Materie, um noch einige Einwürfe, die man von verschiedenen Umständen gegen die Statthaftigkeit desselben entnehmen kann, zu berücksichtigen. In einer folgenden Abhandlung denke ich auf diese Anwendungen, namentlich in Bezug zur Wärmelehre, den chemischen Erscheinungen und den Aggregatzuständen, zurückzukommen; hier genügt es mir, die Fruchtbarkeit des Prinzips für den vorliegenden Zweck im Allgemeinen gezeigt zu haben.

    §. 15. Unsere ganze Theorie setzt voraus, daß die sogenannten Imponderabilien mit Anziehungskraft begabte Materie gleich aller ponderabeln Materie selbst sind, bloß durch die verhältnismäßige Größe ihrer Atome davon verschieden, welche macht, daß die ponderabeln Atome sie zur Bewegung um sich bestimmen und nicht umgekehrt. Nur scheint die Erfahrung einer Schwere der Imponderabilien überhaupt zu widersprechen, da einerseits eine Zunahme oder Abnahme derselben in einem ponderabeln Körper mit keiner bemerklichen Gewichtsveränderung begleitet ist, andrerseits das Licht durch die Anziehung der Erde in keine beschleunigte Bewegung versetzt zu werden scheint, wie doch unter Voraussetzung seiner Schwere der Fall sein müßte. Bedenkt man jedoch, daß es schon empfindliche Waagen erfordert, die Zunahme und Abnahme der Luft in einem festen Körper zu messen, daß aber die freien Imponderabilien im Verhältnis zur Luft unstreitig noch weit dünner sind, als die Luft zu den festen Körpern, so wird man leicht die Unzugänglichkeit unserer mechanischen Hilfsmittel zu Messungen dieser Art überhaupt anerkennen; um so mehr, da wahrscheinlich bei jedem Entweichen von Licht oder Wärme das Entweichende nur einen kleinen Bruchteil des zurückbleibenden Imponderabile's beträgt, wie auch die Masse der Kometen bei ihrer Annäherung zur Sonne durch das Entweichen der Schweifteilchen nicht beträchtlich vermindert zu werden scheint. Was aber den Umstand anlangt, daß das Licht keine beschleunigte Bewegung, keine Fallbewegung zur Erde zeige, so würde das Wahrnehmen einer solchen, wiewohl sie in aller Strenge Statt fände, doch bei der ungeheuren Anfangsgeschwindigkeit, die man bei dem Lichte vorauszusetzen genötigt ist, zu den strickten Unmöglichkeiten gehören, wie ich dies in meiner Abhandlung über das Licht (XII. a 2 ff. dies. Arch.) durch Rechnung gezeigt habe.

    §. 16. Wir kommen jetzt auf einen anderen Einwand, der sich nur durch eine, dem ersten Anblick nach paradoxe, Annahme heben läßt, welche aber, bei genauerer Betrachtung durch eine sich dabei darbietende auffallende Analogie, unserer Theorie vielmehr zur Stütze dienen kann, da sie diese Analogie eben zu ihrem Bestehen fordert.

    Soll unsere Theorie überhaupt Statt finden können, so müssen, wie wir sofort zeigen werden, die ponderabeln Atome eine viele milliardenmale größere Dichtigkeit besitzen und in dem entsprechenden Entfernungen sich miteinander befinden, als die ponderabeln Körper, deren Grundlage sie ausmachen, oder die Dichtigkeit eines Atoms wird sich zur Dichtigkeit des Körpers worin es eingeht, ungefähr eben so erhalten müssen, wie die Dichtigkeit der Sonne oder eines Planets zur Dichtigkeit des Systems von tausend und mehr Sonnensystemen, worein es eingeht, so daß solchergestalt die Atome im Kleinen die Verhältnisse der Weltkörper im Großen, mit denen sie ohnehin durch gleiche Kräfte belebt werden, nachahmen, und jeder Körper sich gleichsam als ein System von unzähligen kleinen, in verhältnismäßig großen Entfernungen von einander schwebenden Sonnen, die je einzeln oder mehrere gemeinschaftlich von planetaren Atomen umkreist werden, ansehen läßt. Es bedarf keiner Erörterung, daß diese Ansicht viel Schönes, ja Poetisches hat, indem sie das Leben bis in das scheinbar Starrste herabzuführen scheint und indem sie das Bestehen aller Körper durch die feinste Abwägung des Gleichgewichts allwaltender Kräfte ermittelt. Der Naturphilosoph, der sich dieser Ansicht bemächtigt, wird durch sie einen großen Schritt vorwärts dringen können und ihre Möglichkeit vielleicht schon durch die Schönheit der damit anziehenden Folgerungen und durch die sich von allen Seiten anschließenden Analogien gerechtfertigt glauben; der Physiker abstrahiert jedoch billig von solchen Gründen.

    §. 17. Betrachten wir den Umstand selbst, welcher uns zu der aufgestellten Annahme einer so ungeheuren Dichtigkeit der Atome im Verhältnis zu den aus ihnen bestehenden Körpern nötigt.

    Es ist gewiß nach dem Gravitationsgesetz, daß sich alle Körper anziehen, zwei Steine auf unserer Erde mithin an sich eben so gut, als sie selbst von der Erde; nur daß der Größe nach die Anziehung der Steine unter einander gegen die der Erde verschwindet, wegen des Massenübergewichts der letzteren. Wenn nun, wird man schließen müssen, dieser Umstand schon bei zwei verhältnismäßig noch großen Steinen macht, daß ihre wechselseitige Anziehung als null betrachtet werden kann, wie viel mehr wird dies bei den fast unendlich kleinen Atomen der Fall sein müssen, und wenn ein Stein den anderen, der neben ihm von einer Höhe herabfällt, eben wegen dieses Umstands nicht zur Bewegung bestimmen kann, wie viel weniger wird ein Atom das andere zur Bewegung bestimmen können, da ihre wechselseitige Anziehung so unendlich von der gemeinschaftlichen Anziehung zum Erdkörper überwogen werden muß. Nun zeigt uns aber die Erfahrung, daß die Cohäsion, welche wir von Anziehung der Atome nach dem Gravitationsgesetz abhängig machten, eine Kraft ist, welche die Schwere sogar beträchtlich überwiegt, indem sonst z. B. jeder Körper, den wir an seinem oberen Ende anfassen, mit seinem unteren Ende in Trümmern herabfallen müßte. Mithin scheint die Cohäsion (und eben so die chemische Anziehung) durch das Gravitationsgesetz überhaupt nicht erklärbar.

    Mehrere Physiker haben sich daher auch bewogen gefunden, für die Cohäsion eine, nach einem höheren als dem quadratischen Verhältnisse der Nähe zunehmende Kraft anzunehmen. Uns scheint jedoch dies nicht unumgänglich nötig zu sein, wenn wir Folgendes berücksichtigen.

In das Gravitationsgesetz gehen zwei Elemente ein, die Masse, aber auch die Nähe der angezogenen Körper. Nun kann bei verhältnismäßig größerer Nähe zweier Körper allerdings ihre anziehende Wirkung auf einander fast verschwinden, wenn ein dritter, wiewohl entfernterer anziehender Mittelpunkt ein unverhältnismäßiges Massenübergewicht über beide besitzt, wie im obigen Falle zweier Steine und bei den Erscheinungen der Planetenanziehung gegen die Sonne. Allein so wie hier das Element der Masse das Übergewicht über das Element der Nähe hat und dadurch die Anziehung bestimmt, so lassen sich auch umgekehrt Fälle denken, wo das Element der Nähe in einem solchen Grade das Element der Masse überwiegt, daß die Anziehung eines Körpers (der Erde oder des Erdmittelpunkts) wiewohl von größerer Masse doch gegen die wechselseitige Anziehung zweier Körper von kleinerer Masse (Atome), die sich aber unverhältnismäßig näher, als an diesem Körper (dem Erdmittelpunkte) sind, verschwindet. So ziehen sich schon zwei Kugeln an der Erdoberfläche, die jede nur den millionsten Teil der Erdmasse besitzen, einander stärker an, als sie vom Erdmittelpunkte angezogen werden, wofern ihre Mittelpunkte einander näher als um den tausendsten Teil des Erdradius sind.

    Wir sehen, daß auf solche Weise ein Weg sich offenbart, das Bestehen der Cohäsion, ungeachtet der gegen die Erde so unverhältnismäßigen Kleinheit der Atome mit dem Gravitationsgesetz zu vereinbaren, indem wir nämlich die Nähe der Atome in Verhältnis zu ihrer Masse, zur Masse der Erde und zur Entfernung vom Erdmittelpunkt, worin die Erdmasse vereinigt gedacht werden muß, so annehmen, daß der Einfluß dieser Nähe den Einfluß der Masse der Erde in einem solchen Grade überbietet, als es die Erscheinungen der Cohäsion notwendig machen. - An sich kann es nichts Unwahrscheinliches haben, und manche Philosophie würde es vielleicht a priori schließen, daß die Natur von zwei Fällen, die beide in der Formel eines ihrer Gesetze als möglicherweise realisierbar liegen, nicht bloß den einen realisiert haben werde, und daß daher, während sie in den Erscheinungen der Schwere und den Bewegungen der Planeten den Einen Fall verwirklicht hat, wo die Masse den Ausschlag für die Anziehung gibt, auch noch ein anderes Reich Statt finden werde, wo dieser von der Nähe abhängt.

    §. 18. Diese allgemeine Betrachtung scheint indes doch bei näheren Eingehen in die dabei zu berücksichtigenden Umstände auf Widersprüche zu führen. Man findet nämlich, daß, wenn zwei kleine Atome sich bei Berührung oder naher Berührung ihrer Oberflächen (wobei ihre anziehenden Mittelpunkte, auf welche die Entfernung beim Gravitationsgesetz zu beziehen ist, jedenfalls noch um die Summe ihrer Halbmesser von einander entfernt bleiben) stärker anziehen sollen, als sie von der überwiegenden Erdmasse angezogen werden, ihre Dichtigkeit schon viele milliardenmale größer sein müsse, als die der Erde15), mithin natürlich noch viel größer, wenn sie sich stärker und aus Entfernungen, welche jedenfalls tatsächlich für die Atome Statt finden, anziehen sollen. Wenn wir aber annehmen wollten, die Körper beständen wirklich aus so dichten Atomen und nun berechneten, in welchen Entfernungen sich diese Atome befinden müßten, damit die mittlere Dichtigkeit der aus ihnen zusammengesetzten Körper, wie wir solche beobachten, herauskäme, so würden wir wieder sehen, daß diese Entfernungen so groß würden, daß die Anziehungen der Atome nur ein sehr geringer Bruchteil von der Anziehung, die sie durch die Erde erfahren, werden könnten, und so scheint uns die Annahme sehr dichter Atome, die wir doch erst zur Erklärung der Cohäsion einführten, wieder zu nichts zu führen, indem sie, uns zugleich nötigt, um nicht mit dem beobachteten mittleren Dichtigkeitsgrade der Körper in Widerspruch zu kommen, durch Vergrößerung der Abstände den Gewinn wieder zu verlieren, den wir den Atomen durch Vergrößerung ihrer Dichtigkeit zu erwerben suchten; oder mit Einem Worte: Unsre Annahme, indem sie die Eine Erscheinung erklären will, scheint dadurch in unausweichlichen Widerspruch mit einer anderen zu verfallen.

15) Nämlich die Entfernung ihrer anziehenden Mittelpunkte würde sonst immer noch zu groß bleiben, um bei ihrer kleinen Masse ein Überwiegen oder nur Gleichkommen mit der Erdkraft zuzulassen, wenn nicht eben durch die Annahme einer großen Dichtigkeit für sie dieser Umstand ausgeglichen würde, indem hierdurch eine verhältnismäßig große Masse in einen kleinen Raum zusammengedrängt wird. So muß, wie sich leicht berechnen läßt, ein kugelförmiges Atom von  rhein. Fuß Halbmesser schon eine 2 Billionen 3371 Millionenmal größere Dichtigkeit haben, als die mittlere Dichtigkeit, der Erde ist, um nur auf seiner Oberfläche eine der Schwere gleiche Attraktion zu äußern, oder um von der Beschaffenheit zu sein, daß ein materieller Punkt, der sich unmittelbar an seiner Oberfläche befände, eben so stark von ihm, als von der Erde angezogen würde. Es ist aber  Fuß Halbmesser offenbar bei weitem noch zu groß für die Größe eines Atoms angenommen und wiederum läßt sich zeigen, daß, je kleiner man die Atome annimmt, auch um so mehr ihre Dichtigkeit wachsend gesetzt werden muß; wenn sie noch bei Berührung ihrer Oberflächen eine der Erdkraft gleiche Kraft äußern sollen, weil mit Verkleinerung ihrer Halbmesser zwar die Nähe ihrer Mittelpunkte und mithin im quadratischen Verhältnis dieser Näherung die Anziehungskraft der Atome wächst, allein zugleich die Masse der Atome, und entsprechend die Anziehungskraft, im kubischen Verhältnis abnimmt; so daß also definitiv die Anziehungskraft der Atome bei steter Berührung ihrer Oberflächen nach dem einfachen Verhältnis ihrer Stadien abnimmt, welche Abnahme nun durch eine entsprechende Zunahme der Dichtigkeit zu kompensieren ist.
 
 
    §. 19. Dieser Widerspruch läßt sich jedoch heben, wenn wir, in Übereinstimmung mit allem früheren, die Cohäsion und überhaupt Anziehungserscheinungen der Atomenwelt nicht bloß von den solaren relativ fixen Atomen abhängig machen, sondern auch und hauptsächlich von der Anziehung der planetaren, oder sog. gebundnen, sich bewegenden imponderabeln Atome. Das solare Atom A wird dadurch in Entfernung und relativem Gleichgewicht gegen das Atom B erhalten, daß eine größere Menge planetarer Masse sich an der Außenseite des Systems von A und B, als durch ihren Zwischenraum bewegt. Nun können wir A und B sehr wohl in solche Entfernungen von einander versetzen, daß ihre wechselseitige Anziehung für sich von der Erde weit überwogen würde, weil die beobachtete Dichtigkeit der Körper in der Tat dieses fordert, wofern wir nur diejenige Anziehung bedeutend stärker setzen, die zwischen jedem der beiden Atome und seiner es zunächst umgebenden planetaren Masse Statt findet. Denn:

    1) Können wir dann, ohne für das ganze System der Atome eine ungeheure Dichtigkeit zu erhalten, die Dichtigkeit aller einzelnen sowohl solarer als planetaren Atome sehr groß setzen, weil dann die Dichtigkeit der Masse bloß in der Umgebung jedes einzelnen solaren Atoms ungeheuer sein muß, diese selbst aber entsprechend entfernt sein können.

    2) Läßt sich einsehen, wie die Schwere keine Störung in den Bewegungen der planetaren Atome um die solaren hervorbringen kann, wenn die gegenseitige Anziehung derselben in ihrer Nähe wirklich sehr viel stärker, als die der Erde ist; weil dann die planetaren Massen von den solaren Atomen eine solche Geschwindigkeit mitgeteilt erhalten müssen, daß auch, wenn sie in größere Entfernungen von ihren solaren Atomen kommen, die Anziehung der Erde ihre Richtung nicht merklich verändern kann (wie wir am Licht ein solches Beispiel sehen).

    §. 20. Als einen direkten Beweis für die ungeheure Anziehungsstärke der Atome in ihrer Nähe läßt sich übrigens der Umstand anführen, daß das Licht, welches von der Gesamtmasse der Erde in Betracht seiner Geschwindigkeit nicht merklich aus seiner gradlinigen Bahn abgelenkt zu werden vermag, doch wenn es nahe an den Massen der so viel kleineren Atome hingeht, eine namhafte Ablenkung nach diesen Atomen zu erfährt.

    §. 21. Wir sind also jetzt dahin geführt, die Körper, als Systeme von einerseits relativ fixen größeren, andererseits sich um diese bewegenden kleineren Atomen zu betrachten, welche Atome sämtlich eine ungeheure Dichtigkeit besitzen und die Anordnung haben, daß die fixen Mittelpunkte sich in verhältnismäßig sehr weiten Abständen von einander befinden, die beweglichen Atome aber sich am meisten in der Nähe dieser fixen Mittelpunkte zusammen drängen.

    Es wird nicht unzweckmäßig sein, die sich so von selbst darbietende Analogie mit der Anordnung der Himmelskörper von der anderen Seite aus etwas zu verfolgen, nicht als ob wir etwas daraus folgern wollten, sondern weil wir einige interessante Vergleichungen hierbei anstellen können.

    Betrachten wir also die Weltkörper als eben so viel Atome eines großeren Systems oder Riesenkörpers (oder mehrerer solcher) und sehen zu, welches Verhältnis die Dichtigkeit eines solchen einzelnen Weltatoms zur mittlern Dichtigkeit des Systems hat, in dem es enthalten ist, etwa die Dichtigkeit der Sonne oder Erde zur Dichtigkeit eines Systems einer beliebigen Menge von Sonnensystemen (die Masse der einzelnen Sonnensysteme auf den Raum, den ihr Gesamtsystem einnimmt, verteilt gedacht16). Um dies genau leisten zu können, müßten wir freilich eigentlich die gegenseitigen Entfernungen der Sonnensysteme und die Masse, die ein jedes derselben enthält, kennen, was nicht der Fall ist; allein zu unserem Zweck reicht es hin, die Masse unseres Sonnensystems und die Entfernung desselben vom nächsten Fixstern als etwas Allgemeines zum Grunde zu legen. Nun kennen wir freilich auch nicht einmal die Entfernung des nächsten Fixsterns von uns, wissen aber, daß sie ungeheuer ist. Nach ihrer Lichtstärke berechnet würden die Sterne erster Größe, im Fall sie mit unserer Sonne gleicher Beschaffenheit wären, 320000mal so weit von uns entfernt sein, als die Erde von der Sonne; und dies Verhältnis wollen wir als ein mindestens wahrscheinliches annehmen; ohnehin kommt es hierbei, wo bloß die Größe der Zahlen im Allgemeinen gezeigt werden soll, auf Tausende, ja Millionen mehr oder weniger nicht an.

16) Denn es versteht sich, daß wir, um die Analogie festzuhalten, nicht bloß die Dichtigkeit der Erde oder Sonne mit der mittlern Dichtigkeit ihres eigenen einzelnen Systems, welches ja bloß Ein solares Atom mit seiner planetaren Atmosphäre vorstellt, vergleichen dürfen.
 
 
    Nach Laplace Bestimmungen wurde die gesamte Masse unseres Sonnensystems gleich sein einer Kugel vom 71,03fachen Erddurchmesser von der mittleren Dichtigkeit der Erde. Verteilen wir diese Masse auf einen Durchmesser, der 320000mal so viel als die Entfernung unserer Erde von der Sonne beträgt, so wird sich die Dichtigkeit der, diese Kugel ausfüllenden, Masse zur Dichtigkeit unserer Erde verhalten umgekehrt wie der Kubus von 71,03 Erddurchmessern zum Kubus von 320000 Erdweiten, oder (da 1 Erdweite = 12130 Erddurchmesser) wie der Kubus von 71,03, wofür wir lieber 72 setzen wollen17), zum Kubus von 12130mal 320000, d. i. (mittelst 7 ziffriger Logarithmen berechnet) wie 1 zu 156634 Trillionen 1 Billion. Dies also das Verhältnis der Dichtigkeit eines Atoms im großen Weltraum, wenn wir in Bezug zu diesem einen Weltkörper als solches betrachten wollen, zur Dichtigkeit eines Systems aus mehreren solchen Weltatomen. 17) Die hinter dem Uranus noch Planeten sein könnten.
 
 
    §. 22. Sollen nun wirklich die uns vorliegenden Körper Systeme mit analogen Verhältnissen der Atome sein, so bietet sich folgender Einwurf dar: Es scheint, als wenn uns dann die ponderabeln Körper als etwas höchst Dünnes erscheinen, ja die Atome in dem Leeren, was sie trennt, sich gewissermaßen verlieren müßten. Allein es ist in Obacht zu nehmen, daß in den Körpern die Lücken der höheren Atomenschichten immer durch die Atome der tieferen zum Teil ausgefüllt werden, indem man sie durch dieselben hindurchsieht und daß, da die absolute Entfernung der Atome jedenfalls, wie auch das Verhältnis derselben zu ihren eignen Atomen beschaffen sein mag, nur unmerklich gegen alle von uns meßbare Entfernungen sein kann, der Raum, in welchem dieses sukzessive Denken der Zwischenräume für unser Auge bis zu einer anscheinenden Kontinuität vollendet ist (in Betracht der Entfernung, aus welcher wir die Körper stets mit unserem Auge betrachten müssen, wenn überhaupt Sehen derselben statt finden soll), so gering sein kann, um uns noch als eine Schicht von unmerklicher Dicke zu erscheinen. Ganz auf ähnliche Weise sehen wir ja auch die Milchstraße beinahe als Eine zusammenhängende Masse, ungeachtet der wahrscheinlich ungeheuern Entfernung ihrer Sonnensysteme von einander. Überdies müssen wir immer berücksichtigen, daß in unseren Sinnesorganen dieselben Verhältnisse der Atome statt finden, als in den Körpern, die wir dadurch wahrnehmen und Wesen, deren Hände selbst aus Sonnensystemen in den zugehörigen Entfernungen beständen, würden auch die Milchstraße als eine dichte Masse fühlen können, wie wir die Atomensysteme; denn Dichtigkeit und Dünnheit sind bloß Relationen, bei denen wir uns selbst als Maßstab anlegen, wenn wir von groß oder klein sprechen; ein Maßstab, der natürlich, wenn wir auf andere Stufen der Natur treten, ganz wegzuwerfen ist. Was ist überhaupt natürlicher, als daß Größen, deren Zusammenhang durch Ein Gesetz vermittelt scheint, beim Übergang auf andere Stufen sich in entsprechendem Grade ändern. Vielleicht steht die Dichtigkeit der Atome, die Dichtigkeit der aus ihnen zusammengesetzten Weltkörper und die Dichtigkeit der Riesenkörper, die erst durch eine Kombination vieler Weltkörper wieder hervorgehen, in einer geometrischen Progression, deren Exponent jedoch physisch unendlich gesetzt werden müßte.

    §. 23. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch die Sonnen gleich unseren Atomen sich zu verschiedenen Aggregatzuständen anzuordnen vermögen; von welchen wir jedoch bloß Eine Art beobachten können. Die Vereinzelung, in der wir unsere Sonne erblicken, scheint auf eine dem Gaszustand analoge Konstitution des Körpers, dem sie angehört, zu deuten, was ich bloß erwähne, um dem Einwand zu begegnen, den man von der eben durchgeführten Analogie hernehmen könnte, daß Anordnungen, wie wir sie zur Repräsentation der Cohäsion aufgestellt haben, am Himmel nicht (andeutungsweise jedoch vielleicht in den Doppelsternen) erblickt werden.

    §. 24. Wir glauben endlich noch einen unendlich oft wiederholten Einwand, den eine philosophische Schule der Möglichkeit, daß in der Materie bloße illimitierte Anziehungskräfte statt finden, gemacht hat, berücksichtigen zu müssen. Kant sagt: Wollte man solche ohne eine limitierende Abstoßungskraft annehmen, so müßten sich alle Teilchen der Materie bis ins Unendliche nähern und in Einen Punkt zusammenfließen; es könnten also keine wirklichen begrenzten Körper statt finden, wie sie uns die Erfahrung zeigt.

    Kant's Beweis wäre ganz richtig, wenn man sich in der durch den Weltraum anfangs verteilt gedachten Materie18) alle Anziehung beständig und alleinig gegen einen bestimmten Punkt gerichtet denken dürfte; denn da der Bewegung sämtlicher Teilchen nach dieser Richtung dann nichts entgegenwirkte, so könnten sämtliche Teilchen in der Tat erst in diesem Mittelpunkt zur Ruhe kommen. Allein wie konnte wohl Kant übersehen, 1) daß im unendlichen Weltraum an sich kein Punkt als Mittelpunkt gesetzt werden kann, mithin in keinem Punkte vorzugsweise ein solches Zusammenfließen erfolgen könne; 2) was die Hauptsache ist, daß die Limitation, welche Kant verlangt, damit kein Zusammenfließen in Einem Punkte statt finde, schon darin liegt, daß die nach demselben zuströmenden Körper sich auch wechselseitig anziehen, mithin stetig mit ihren Richtungen zu diesem Punkt ablenken und zu Bewegungen um einander bestimmen müssen, wie wir solche tatsächlich an den Himmelskörpern wahrnehmen.

18) Kant läßt allerdings die Mat. erst durch die Anziehungs- und Abstoßungskraft entstehen, sie sind ihm mithin ein prius der Materie; im Grunde aber fallen sie nach ihm damit zusammen, da er keine anderen Merkmale in ihr findet, als die jener Kräfte und des Raums, worin sie wirken, selbst.
 
 
    Übrigens bleibt bei Kant's Ansicht der wichtige Umstand unerörtert, worin denn die wechselseitige bestimmte Limitation der Anziehungs- und Abstoßungskraft an verschiedenen Stellen des Raums liege, die nach ihm das Entstehen verschiedener und sich wechselseitig begrenzender Körper möglich macht, da, setzen wie die Anziehungs- und Abstoßungskraft schlechthin in die Welt, ohne etwa eine Willkür, die auf bestimmte Punkte ein gewisses Maß von jeder verteilt, beide sich im Allgemeinen wechselseitig aufheben müssen, oder nur der Überschuß der einen über die andere wirksam bleiben kann. Nun kann die Philosophie in ihrer Sprache zwar darauf antworten: Eine Willkür in bestimmter Verteilung der Anziehung- und Abstoßungskraft nach gewissen Verhältnissen auf einzelne Stellen des Raums braucht nicht angenommen zu werden, wenn man sich vorstellt, daß im Raume alle mögliche quantitativen Verhältnisse zwischen Anziehungs- und Abstoßungskraft verwirklicht sind, gleichsam bis zur Erschöpfung ihres Begriffes, und erwägt, daß im Grunde ein Ort erst dadurch ein bestimmter wird, daß wir irgend eine Anordnung der Materie, d. i. irgend ein solches Verhältnis an ihm beobachten, dagegen in Bezug zum unendlichen Raum jeder Ort an sich eine gleichgültige Stelle hat, wonach es vor Schöpfung der Materie nicht einmal einen bestimmten Ort gibt, mithin auch keine Willkür in Bezug auf eine Wahl bestimmter Orte statt finden kann.

    Diese Ablehnung der Willkür scheint mir in der Tat ganz gut gegeben werden zu können, indem man sagen kann, es wäre vielmehr Willkür, bei schlechthin gesetzter allgemeiner Anziehungs- und Abstoßungskraft überall das nemliche Verhältnis derselben an sämtlichen Stellen setzen zu wollen, da in ihrem Begriff die Möglichkeit aller Verhältnisse liegt und da alle im Raum Platz finden können. Allein derselbe Umstand würde eben so wohl der Annahme einer alleinigen Anziehungskraft zu statten kommen, indem man sich hier, anstatt eine anfängliche gleichförmige Verteilung der anziehenden Kraft oder der Materie (die Philosophie wird zwischen beiden keinen Unterschied machen) durch den ganzen Raum vorzustellen, vielmehr die allerallgemeinste Vorstellung von ihrer Verteilung machen könnte, was dann von selbst Anordnungen der Art, wie wir sie wirklich beobachten, hervorrufen müßte. Es müssen dann nämlich die stärker anziehenden Teile das von schwächerer Anziehung um sich zur Bewegung bestimmen und das so entstandene System entweder selbst wieder um eine Masse von noch stärkerer Anziehung sich bewegen oder nach den erörterten Sätzen, gegen gewisse Massen, vermöge der bei ihrer Näherung eintretenden eigentümlichen Anordnung der sich um sie bewegenden Massen in relativer Ruhe gehalten werden, worauf das Entstehen der festen Körper beruht. Im Allgemeinen aber müßten hiernach in der Unendlichkeit des Weltraums alle nach dem allgemeinen Anziehungsgesetz mögliche Fälle der Bewegung vorkommen, weil die Materie ex hypothesi zu Anfangs sich in allen möglich denkbaren Verhältnissen und Anordnungen zu einander befand, wovon die Art ihrer Bewegung abhängt, welches sehr gut mit der Vorstellung übereinstimmt, daß die unendliche Welt die erschöpfende oder sich zu erschöpfen strebende Verwirklichung eines Begriffs oder einer Idee sei, welche selbst an sich unendliche Dinge sind.

    Nehmen wir letztere Vorstellung an, so würde sich die Sache auch folgendermaßen darstellen lassen: Der allgemeine Begriff der Materie, als eines mit Anziehung begabten Raums, involviert in seiner Allgemeinheit zugleich alle verschiedene Grade der Anziehungskraft und alle verschiedene Teile des Raums. Die Verwirklichung dieses Begriffs in der Welt führt daher die unendliche Verschiedenheit und verschiedene Verteilung der erscheinenden Materie von selbst mit sich19).

19) Den noch übrigen Raum dieser Seite glaube ich nicht besser benutzen zu können, als durch die Anzeige, daß von dem scharfsinnigen Verfasser vorstehender Abhandlung so eben, bei L. Voss in Leipzig, erschienen ist: der (mit Biot's Bildnis gezierte) erste Band der zweiten Auflage der deutschen Bearbeitung von Biot's Lehrbuch der Experimentalphysik oder Erfahrungs Naturlehre. Verglichen mit dem 1. Bd. der ersten Auflage zeichnet sich dieser neuerschienene erste Band unter anderen auch dadurch aus, daß erweisliche Unrichtigkeiten der vorigen Auflage hier berichtigt und unvollständige Darstellungen hier auf eine Weise vervollständigt erscheinen, die eben so sehr von dem Fleiße des Übersetzers, all von dessen gründlichem Studium der neueren und neuesten Entdeckungen zeugen. Die übrigen Ergänzungen sind teils in Form von Anmerkungen und Zusätzen entweder dem Texte unmittelbar angeschlossen, oder, wenn die Größe ihres Umfanges es nötig machte, als besondere Schaltkapitel gehörigen Ortes eingeschaltet worden. - Hinsichtlich der in obiger Abh. entwickelten Grundansicht, bitte ich übrigens den Verfasser derselben zu vergleichen m. Einleitung in die neuere Chemie S. 263-264 Bem.4. Kastner