Steckbrief

  • Länge des Aufenthalts

    15.08.2021 – 22.12.2021
  • Lehrsprache

    Englisch
  • Studienrichtung

    Lehramt und Erziehungswissenschaften
  • Studiengang, Studienabschluss

    Englisch Lehramt an Gymnasien, Staatsexamen
  • Förderprogramm

    PROMOS , Anderes Stipendium , Auslands-BAföG
  • War Ihr Studium im Ausland freiwillig oder obligatorisch in Ihrem Studium vorgeschrieben?

    Obligatorisch
  • Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium im Ausland erfüllt?

    Mehr als erfüllt
  • E-Mail-Adresse

Vor dem Studium im Ausland

Ich bin Lehramtsstudent an der Universität Leipzig. Als zukünftiger Englischlehrer für Gymnasien muss man mindestens drei Monate im englischsprachigen Ausland verbracht haben, um in Sachsen unterrichten zu dürfen. Dies war eine der ersten wichtigen Informationen, die man im 1. Semester in den Englischvorlesungen erhielt. Wie man das ganze gestaltet, ist jedem frei überlassen und bei bevorstehenden 10 Semestern habe ich diese Entscheidung eher auf die lange Bank gedrückt. Im 4. Semester kam ich dann so langsam ins Grübeln: Wie soll ich mindestens drei Monate in einem englischsprachigen Land leben, und wann? Wer finanziert mir das? Für mich stand daher früh fest: Ich möchte im Ausland studieren, da ich privat keine Finanzierungsmöglichkeiten sehen konnte, selbst eigenständig drei Monate im Ausland leben zu können. Aber wie funktionierte das über die Universität Leipzig?

Über die Stabsstelle Internationales der Universität Leipzig konnte ich einen der heiß begehrten Plätze für einen Austauschplatz ergattern, der mir die teuren, aber üblichen College-Gebühren an amerikanischen Universitäten erlassen hat. Dieser Prozess dauerte circa 1 - 1,5 Jahre, also vom ersten Informieren bis hin zum Termin am US-Konsulat.

Ich entschied mich zunächst einmal für die USA als "englischsprachiges Ausland". Zum einen, weil mich die Kultur und der College-Spirit der dortigen Universitäten sehr gereizt haben, aber auch weil der Brexit im UK mir als zu hohe Hürde vorkam (Stichwort: kurzfristige Absagen, o.Ä.).

Die Universität Leipzig bzw. die Stabstelle Internationales haben eine Reihe von Partneruniversitäten weltweit, also habe ich mir die Liste angeschaut und wählte daraus die University of Houston in Texas.

Dies war eine reine Bauchentscheidung, Texas anstatt New York City oder verschiedene Colleges im Midwest zu wählen, einfach weil mir Texas wie eine typische amerikanische Erfahrung erschien. Houston ist außerdem DIE Metropole des Südens der USA: Es ist die viertgrößte Stadt der USA, liegt am Golf von Mexiko und es ist das ganze Jahr über warm. Außerdem ist Houston die diverseste Stadt der ganzen USA! Ein paar YouTube-Videos von den Collegefootballspielen und ich war überzeugt, dass UH die richtige Wahl für mich wäre. Ehrlichweise war das auch eine "taktische" Wahl, da ich mir in Texas höhere Erfolgschancen ausrechnete als z.B. in den vermeintlich beliebten New York City Colleges.

Ich bin in meinem 7. Fachsemester geflogen. Da es einen anderen akademischen Kalender in den USA gibt als in Deutschland (Fall term, Spring term, Summer term), hatte ich zwischen meines 6. und 7. Semesters keine Semesterferien und bin sozusagen direkt ins nächste Semester geflogen. Wenn man ins Ausland möchte, muss man im Vorfeld wahrscheinlich einige Sachen einstecken können. In meinem Fall war es eine Hausarbeit bis zum Vorabend meines Abfluges fertigzustellen und danach zu packen, sowie die relativ schwierige Kommunikation mit der Partneruniversität (lange Wartezeiten auf Mails, kurzfristige Kommunikation, u. Ä.).

Unterstützung mit der Vorbereitung und der Finanzplanung erhielt ich von der Stabsstelle Internationales (SI). Meine Finanzierung basierte zunächst auf lediglich zwei Säulen: Auslands-BAföG und Ersparnisse aus meinem Nebenjob. Letzteres stellte sich dann als Illusion heraus, da ich das Geld für einen Umzug und Kaution benötigt habe. Ich hatte also viele Fragezeichen, ob ich mir das Auslandssemester überhaupt leisten kann.

Im Bewerbungsprozess der SI habe ich mich ebenfalls für das PROMOS-Stipendium, in meinem Fall 4x450€ monatlich, beworben. Allerdings habe ich mit einem Uni-Notenschnitt von 1,9 wenig Hoffnung darauf gehabt. Im Laufe der Zeit hat mich die SI außerdem auf das Fulbrigt-Reisestipendium aufmerksam gemacht (2.000€ für die Flüge und Auslandskrankenversicherung). Am Ende habe ich alle Stipendien glücklicherweise erhalten. Ich hätte in meiner Situation nie damit gerechnet, auch nur ein Stipendium zu erhalten. Daher kann ich nur jedem empfehlen: Einfach für alles bewerben was geht! Gerade die, die wie ich denken bzw. dachten, dass man eh nichts bekommt, sollten sich einfach trauen.

Zusammenfassung: Auslands-BAföG, PROMOS, Fulbright-Reisestipendium.

Fixkosten: 3.900$ für die Unterkunft mit 4 Zimmern und circa 1.250$ Auslands-Krankenversicherung.

Die Flüge wurden mir von Fulbright finanziert, kaufen und buchen musste man sie jedoch im Vorfeld selbst. Ich habe circa 4 Monate vorher gebucht und habe 950€ Roundtrip gezahlt, inklusive Gepäck und Stornierungsoption, die mir in Zeiten von Corona schon wichtig erschien.

Wichtig: In den USA wird immer jede Zahlung im Vorfeld erwartet, also schnell nach Ratenzahlungen oder ähnlichen Optionen Ausschau halten.

Die Unterrichtssprache an der UoH war natürlich Englisch. Ich habe keinen Sprachkurs vorher absolviert, fühlte mich aber aufgrund meines Englischstudiums relativ gut vorbereitet.

Ich habe keine explizite Empfehlung zur sprachlichen Vorbereitung, wobei natürlich die typischen Tipps wie Filme und Serien auf Englisch schauen, immer eine gute Vorbereitung sind. Mein Tipp ist viel eher seine Erwartungen runter zu schrauben: Also nicht zu denken, danach kann man perfekt Englisch und ist akzentfrei, aber sich genauso wenig unterschätzen. Gerade denjenigen, die auch Anglistik studieren, würde ich raten, in solchen Situationen einfach den Kopf auszuschalten und ohne Druck oder Erwartungen an sich selbst an das Auslandssemester heranzugehen. Die Leute hören sofort den deutschen Akzent heraus und dieser wird vermutlich nie verschwinden, gleichzeitig kann man aber auch nach vier Monaten neue Leute kennenlernen, die einen für einen Amerikaner halten. Mir ist beides passiert, also würde ich versuchen, einfach ruhig zu bleiben.

Mein wichtigster Tipp: Wohnt dort nicht allein. Ich war so froh, meine Mitbewohner gehabt zu haben, denn ohne sie hätte ich wahrscheinlich 80% weniger gesprochen. Also keine single dorms buchen!

Während des Studiums im Ausland

Ich habe 5 Kurse belegt: 2 Literaturmodule, 1 Geschichtskurs und 2 Politikwissenschaftskurse.

Generell kann ich eines festhalten: Meines Erachtens nach ist der Workload im Vergleich zu Deutschland viel höher. Man sitzt täglich an Hausaufgaben, Papers, und ja, auch Anwesenheitskontrollen in Form von Quizzen waren zunächst sehr ungewöhnlich für mich. Tatsächlich habe ich aber das Gefühl gehabt, in diesem Semester mehr gelernt zu haben als in allen Modulen zuvor in Deutschland. Besonders die Professoren der Literaturmodule haben mich umgehauen! Ich bin ehrlich, ich war noch nie die größte Leseratte. Aber die Art und Weise, wie man dort über Bücher diskutiert und diese reflektieren muss, war so einprägsam für mich, dass ich das als künftiger Englischlehrer gern übernehmen möchte. Sowohl die Kommilitonen als auch die Professoren haben großes Interesse an mir gezeigt und mich oft in Gespräche und Diskussionen integriert.

Ich hatte an der UoH einen full course load mit 5 Kursen a 3 credit hours. Dies entspricht einem deutschen Semester mit 30 LP.

Tipp für Lehramtsstudenten: Falls ihr ein Auslandssemester plant und eure Leistungen anrechnen lassen möchtet, hebt euch eure Ergänzungsstudien (bis auf KSK) genau dafür auf. So könnt ihr im Ausland jeden Kurs belegen und ihn in Leipzig wieder anrechnen lassen.

Gelebt habe ich in „Bayou Oaks“, einem Studentenwohnheim unweit des Campus, wo ich meine 3 Mitbewohner kennengelernt habe. Diese kamen aus El Paso, Boston und New Jersey. Für mich stand vor allem im Fokus, möglichst viel Englisch zu sprechen. Daher kann ich jedem empfehlen, sich für einen Platz im Studentenwohnheim auf dem Campus zu bewerben und würde das Wohnen in einem Einzelzimmer eher abraten.

Es sind natürlich Zusatzkosten entstanden. Ich habe das Auslandssemester als einmalige Chance in meinem Leben begriffen und deshalb viel mit meinen Mitbewohnern unternommen. Wir gingen oft Essen, waren einmal in Galveston am Golf von Mexiko, dem NASA Museum, dem Naturkundemuseum und zu meinem Geburtstag haben wir einen Tagesausflug nach Austin unternommen.

Neben den Fixkosten würde ich mindestens 1.500€ für Unternehmungen und Ausflüge einplanen. Auch das Essen war meines Empfindens nach sehr teuer, obwohl Texas noch als Steuerparadies in den USA gilt. Ich war jedes Mal erschrocken, wie teuer Einkaufen gehen war.

Effektiv habe ich meine Kreditkarte etwas überzogen und habe das Ganze im Anschluss in Deutschland wieder herausgearbeitet.

Sport:

Die Footballspiele sind unfassbar. Obwohl ich selbst Fußballfan bin und dem kommerzialisierten US-Sport kritisch gegenüberstehe, muss ich gestehen, dass die Atmosphäre wirklich packend ist. Die Footballspiele sind kostenlos für Studierende. Ein besonderes Highlight war der sogenannte „Texas Kickoff“, der 1. Spieltag der Saison im NFL Stadion von Houston, zu dem circa 45.000 Zuschauer kamen. Ein weiteres Highlight war ein Spiel zuhause gegen Dallas, wo alle Houston Cougar Fans das Spielfeld stürmten und mit den Spielern zusammen auf dem Platz feierten. Solche Momente werde ich nie vergessen.

 

Gym:

Das Recreation Center ("rec") war für mich kostenlos. Das Gym ist riesig und direkt auf dem Campus. Dort gibt es alles, was ein normales Gym hat, aber auch eine Indoorlaufbahn, eine Kletterhalle, ein Schwimmbad, ein Jacuzzi sowie eine Sauna. Ich habe das Rec mit meinem Mitbewohner fast täglich benutzt und kann es daher nur empfehlen.

 

Corona-Pandemie in Houston:

Auf dem Campus und in den Classes trugen viele Studenten Masken. Es gab außerdem kostenlose (!) PCR-Tests, für die man sogar noch 2$ auf sein Studentenkonto erhielt. Man konnte frei zwischen Präsenzlehre, Hybridunterricht oder Online-Unterricht wählen. Ich entschied mich für die Präsenzlehre, da ich mich nach der Impfung sicher genug dafür fühlte. Austauschstudenten erhielten sogar die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Im Laufe des Semesters, und wohl auch aufgrund der extremen Hitze in Texas, spielte Corona ehrlichweise keine entscheidende Rolle mehr. Die Fallzahlen waren gering und somit fühlte sich das Studieren an wie zu Vor-Pandemie-Zeiten in Deutschland.

Nach dem Studium im Ausland

Alle 5 belegten Kurse werden mir angerechnet. Dies war mir besonders wichtig, da ich unbedingt im Regelstudienverlaufsplan bleiben wollte. Wie bereits erwähnt, habe ich 3 Module im Ergänzungsbereich des Lehramtstudiums zur Anrechnung ausgewählt sowie zwei Literaturmodule aus der Anglistik.

Houston war für mich ein unfassbares Abenteuer. Ich habe jeden Tag mit meiner Freundin in Deutschland telefoniert oder gefacetimed, was schon eine besondere Herausforderung war. Als ich wieder ankam, war ich sehr froh, gleichzeitig vermisse ich vor allem meine Mitbewohner, die mich unter Tränen verabschiedet haben. Ich kann stand jetzt noch keine Tipps geben, wie man mit der Rückkehr umgehen sollte. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall!

Ich dachte, ein Auslandssemester können nur Studierende absolvieren, die ein finanzstarkes Elternhaus hinter sich wissen. Das stimmt so nicht! Mir ist wichtig, dass vor allem die Entdeckerin oder Entdecker werden, die sich chancenlos sehen oder mittellos sind. Man braucht nicht den besten Notenschnitt oder reiche Eltern: Alles was ihr braucht ist Motivation und ein kleines Talent dafür, sich gut zu organisieren.