Komplexe Forschungsfragen zu beantworten, verlangt immer mehr eine dynamische Vernetzung der wissenschaftlichen Disziplinen. Die Universität Leipzig gründet als Reaktion auf diese Herausforderung mit Mitteln des Freistaates Sachsen das „Leipzig Lab“ mit den ersten drei Arbeitsgruppen zu den Themen Global Health, Kindheitsforschung sowie Immateriellen Werten.
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Ein innovatives Förderprogramm für exzellente Forschungsfelder
Das Leipzig Lab ermöglicht den Beteiligten, in interdisziplinären Projektteams neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren, die sonst eher an Advanced Study Instituten üblich sind. In der historischen Villa Tillmanns erhalten die Mitglieder des Leipzig Lab einen eigenen Ort für ihre Arbeit und die Begegnung mit internationalen Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern.
Thematisch sollen vor allem die an unserer Universität bereits verfolgten Fragestellungen größerer Verbünde und Zentren gezielt aufgenommen, weiterentwickelt oder hinterfragt werden. Die Universität verspricht sich hiervon sowohl neue Impulse für ihre strategischen Forschungsfelder als auch Ideen, wie sie sich als Forschungsuniversität weiterentwickeln kann.
In einem Gründungsdokument haben sich die Mitglieder des Leipzig Lab gemeinsam auf ihre Grundsätze geeinigt.
Die Arbeitsgruppen des Leipzig Lab
In den ersten drei interdisziplinären Arbeitsgruppen des Leipzig Lab forschen Teams aus Leipziger Professorinnen und Professoren und Nachwuchsforschenden gemeinsam mit internationalen Gästen zu den Themen „Global Health“, „Intangibles“, und „Kinder und Natur”:
Die Gruppe Intangibles im Leipzig Lab untersucht Bruchstellen derjenigen rechtlichen und ökonomischen Ordnung, die durch den Begriff des Eigentums eröffnet und bestimmt wird. Solche Bruchstellen liegen dort, wo sich der Begriff des Eigentums in neue, ihm ursprünglich nicht zugehörige Bereiche ausdehnt und ausdehnen muss.
Dazu gehören zum Beispiel:
- der Bereich der geistigen und künstlerischen Tätigkeit und ihrer Resultate (etwa als Gegenstand des Urheberrechts),
- der Bereich im weiten Sinn ethischer Orientierungen und Haltungen und ihrer Folgen (etwa als weiche Produktionsfaktoren) und
- der Bereich der natürlichen Lebensgrundlagen (etwa als handelbares Recht, giftige Stoffe auszustoßen, oder als handelbare Pflicht, sie zu entsorgen oder unschädlich zu machen).
Erforschung der Werte, die flüchtig und ungreifbar sind, aber in alle Lebensbereiche wirken
Die in diesen Feldern anzutreffenden Werte müssen einerseits, um innerhalb der rechtlichen und ökonomischen Ordnung behandelt werden zu können, als Eigentum und Kapital bestimmt werden, andererseits widersetzen sie sich ihrer eigenen inneren Tendenz nach der Unterordnung unter den Begriff des Eigentums. Ein Merkzeichen dieser Tendenz ist es, dass sich die fraglichen Werte als etwas darstellen, das sich nicht anfassen lässt – sie sind intangibel. Gleichzeitig lässt es sich also nicht einfangen in einen beherrschten Raum, von dem andere ausgeschlossen sind. Was hier als Ungreifbarkeit und Flüchtigkeit dieser Werte erscheint – sie sind ungreifbar wie die schöne Melodie und flüchtig wie die frische Luft – steht ihrer konkreten und durchdringenden Wirkung in allen Lebensbereichen gegenüber.
In den Spannungen der intangiblen Werte zeigt sich die soziale und ethische Grundlage der Ordnung des Eigentums
Die leitende Idee des Lab ist, dass in den Spannungen, die in der ökonomischen und juridischen Bearbeitung intangibler Werte auftreten, die soziale und ethische Grundlage der Ordnung des Eigentums konkret wird, die innerhalb dieser nicht reflektiert werden kann. Die technischen und begrifflichen Schwierigkeiten, welche die dynamische Entwicklung des Eigentumsbegriffs in Disziplinen wie der Ökonomie und der Rechtswissenschaft aufwirft, weisen deshalb über sich hinaus. In ihnen wird eine in sich agonale Einheit von ökonomisch-rechtlicher Ordnung einerseits und ethischen Formen menschlicher Gemeinschaft andererseits zum Gegenstand.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Philosophen, Theologen und Juristen
Ihre Bearbeitung in den jeweiligen Disziplinen muss daher hineinführen in den umfassenden Zusammenhang des wertsetzenden und wertschätzenden gemeinsamen menschlichen Lebens. Auf verschiedene Weise suchen Philosophie und Theologie diesen Zusammenhang in seiner Ganzheit zu begreifen. Umgekehrt streifen philosophische und theologische Überlegungen zur Quelle intangibler Werte nur die Oberfläche ihres Gegenstands, wenn sie nicht die Tiefe seiner ökonomischen und rechtlichen Wirklichkeit ausloten, die heute einen globalen Maßstab hat. Die Gruppe Intangibles untersucht deshalb interdisziplinär die gegenwärtige Tendenz der Ausdehnung rechtlicher und ökonomischer Begriffe in Bereiche, die in diesen Begriffen als schwer fixierbar erscheinen. Ziel ist es, darin die inneren Brüche und Spannungen des gegenwärtigen Ganzen des gemeinsamen menschlichen wertbezogenen Lebens zu durchdenken.
Mitglieder
Die AG „Global Health“ ist eine von drei inter- und transdisziplinären Forschungsgruppen des Leipzig Labs. Die Mitglieder forschen zum einen im Profilbereich „Globale Verflechtungen und Vergleiche“. Zum anderen trägt die AG zur gesundheitsbezogenen Forschung der Universität Leipzig bei, die sie durch eine transregionale und globale Perspektive entscheidend erweitert.
Mitglieder
Entwicklung nachhaltiger Beziehungen zur Umwelt
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Warum teilen wir unsere Betten mit Hunden und Katzen, aber essen Schweine und Hühner?
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Warum spenden wird Geld um den Lebensraum der Orang-Utans zu schützen, aber ignorieren das Insektensterben?
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Warum töten wir Fliegen, Wespen und Moskitos, aber keine Schmetterlinge?
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Warum interessiert uns das Schicksal eines geschlachteten Kükens, aber nicht das lebenslange Leiden von Hühnern in der Massentierhaltung?
Menschliche Beziehungen zu anderen Lebewesen sind vielfältig und komplex. Dabei kommt es nicht nur auf die Tierart an, sondern auch, ob es sich um ein Haustier, Nutztier, Schädling, Krankheitsüberträger oder Raubtier handelt. Auch die Einstellung gegenüber ein und derselben Tierart variiert je nach kulturellem Kontext und der Rolle dieser Tierart in der jeweiligen Gesellschaft. In Deutschland beispielsweise werden jährlich rund 3,5 Millionen Rinder geschlachtet, während sie in vielen Teilen Indiens als heilig und damit unantastbar gelten. Während Hunde hier oft Teil der Familie oder sogar Sozialpartner sind, leben die meisten Hunde weltweit als Streuner, gelten als unreine Tiere oder werden als Delikatesse angesehen. In europäischen Zoos faszinieren Schimpansen durch ihre Ähnlichkeit mit uns Menschen, während sie in Uganda als Nahrungskonkurrenten oder gar Todfeinde gefürchtet und gehasst werden.
Die Beziehung von Kindern zu Tieren und der Umwelt sind kulturell geprägt – aber wie?
Was verursacht diese Vielfalt unterschiedlicher Beziehungen? Wie verändern sich unsere Einstellungen gegenüber anderen Tierarten im Laufe unseres Lebens? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Diesen Fragen widmet sich die Arbeitsgruppe Kinder und Natur. Ziel ist es, die Vielfalt der Beziehungen von Kindern zu ihrer lebenden – und nicht lebenden – Umwelt, wie Wasser oder anderen Ressourcen, in unterschiedlichen kulturellen Kontexten zu erforschen.
Die Arbeitsgruppe untersucht, wie sich die kognitiven und affektiven Einstellungen von Kindern gegenüber anderen Lebewesen vom Vorschulalter bis ins Jugendalter entwickeln, ob sich diese Einstellungen von denen der Erwachsenen unterscheiden und welche individuellen Faktoren wie persönliche Eigenschaften zum Beispiel Empathie und Temperament, aber auch soziale und religiöse Werte diesen Entwicklungsprozess prägen. Dazu entwickeln die Forschenden anthropologisch fundierte, kultursensible Versuchsmethoden, die das jeweilige kulturelle Umfeld berücksichtigen und gleichzeitig den Vergleich kindlicher Umweltbeziehungen in verschiedenen Teilen der Welt ermöglichen.
Ziel: Entwicklung von Bildungsprogrammen
Das langfristige Ziel ist es mit den Erkenntnissen aus diesem Projekt kultursensible Bildungsprogramme zu entwickeln, die einen respektvollen und nachhaltigen Umgang zwischen Kindern und ihrem sozialen und ökologischen Umfeld fördern
Mitglieder
Netzwerk
- Dr. Dustin Eirdosh, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
- Dr. Susan Hanisch, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
- Prof. Patricia Kanngießer, University of Plymouth
- Prof. Thomas Stodulka, Freie Universität Berlin
- Dr. Sebastian Tempelmann, Pädagogische Hochschule Bern
- Dennis Shisala, Chimfunshi Wildlife Orphanage, Sambia
- Jahnavi Jahnavi Sunderarajan, Pune (Indien)
- Ferdi Thajib, Berlin
- Alicia Junker, Berlin
- Leonie Blume, Leipzig
- Alex Göbel, Leipzig
- Dr. Axel Kästner, Zooschule Leipzig