Pressemitteilung 2020/105 vom

Viele Menschen leiden in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und Homeoffice als Folge der Corona-Krise unter Bewegungsmangel. Der Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad entfällt, Sporteinrichtungen sind geschlossen - der Alltag bietet weniger Möglichkeiten zur körperlichen Aktivität. Sportpsychologin Prof. Dr. Anne-Marie Elbe (47) von der Universität Leipzig spricht im Interview über Gefahren der aktuellen Situation und Möglichkeiten, den Sport neu für sich zu entdecken.

Frau Prof. Elbe, man hört dieser Tage immer wieder, dass unserer Gesellschaft Langzeitschäden durch Bewegungsmangel in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und Homeoffice drohen. Sehen Sie diese Gefahr auch? Wenn ja, warum?
Es stimmt, dass die Gefahr besteht, dass sich Menschen während einer Ausgangs- beziehungsweise Kontaktsperre weniger bewegen, da viele Alltagsaktivitäten, die mit Bewegung verbunden sind, zum Beispiel der Weg zur Arbeit, entfallen und auch alle Sportangebote momentan nicht stattfinden und Sporteinrichtungen geschlossen sind. Allerdings eröffnet eine solche Situation auch die Chance, bestehende Verhaltensmuster zum Beispiel im Hinblick auf physische Inaktivität und Bewegungsmangel zu verändern und sich Zeit für Bewegung zu nehmen. Viele Menschen berichten, dass sie momentan mehr Zeit haben, weniger gestresst und zum Teil sogar gelangweilt sind. Diese Phase der Entschleunigung kann genutzt werden, um den Tagesablauf neu zu strukturieren und in diesen Bewegung zu integrieren. Online gibt es eine Vielzahl verschiedener Sportkurse, an denen man vom Wohnzimmer aus teilnehmen kann. Hier könnte man mal etwas Neues ausprobieren, das man bisher nicht kennt, beispielsweise Zumba, Yoga oder ähnliches. Und, glücklicherweise darf man die Wohnung noch zum Spazieren gehen, Jogging oder zum Fahrradfahren verlassen. In Bayern oder auch in Großbritannien werden die Menschen regelrecht ermuntert, sich täglich an der frischen Luft zu bewegen, was auf Personen motivierend wirken kann. Und gerade ist das Wetter ja auch wirklich einladend für Bewegung im Freien.

Sehen Sie dabei aus sportpsychologischer Sicht auch Gefahren?
Es wäre für die Gesundheit gut, wenn diese Zeit genutzt wird, um zu erkennen, wie wohltuend sportliche Betätigung sein kann. Es geht hier nicht darum, den Sport als Ersatzdroge zu entdecken, denn das kann im schlimmsten Fall zu einer Sportsucht führen. Die Forschung zeigt aber, welche positiven Auswirkungen regelmäßiges, nicht exzessives Sporttreiben auf die Stimmung hat. Es lenkt von negativen Gedanken ab, kann das Selbstwertgefühl stärken, depressive Verstimmungen und Angst reduzieren, die Konzentration steigern und sich positiv auf den Schlaf auswirken. Wenn Menschen diese Zeit der Ausgangs- beziehungsweise Kontaktsperre nutzen, um solche Erfahrungen mit sportlicher Aktivität zu sammeln, dann könnten sie, anstatt zu einem Bier zu greifen, einen Spaziergang um den See oder eine schöne Fahrradtour machen. Dabei würden sie auch gleichzeitig ihre Gesundheit stärken und ihr Wohlbefinden steigern.

Wie können vor allem Kinder und Jugendliche dazu motiviert werden, sich regelmäßig (an frischer Luft) zu bewegen?
Die Sportvereine meiner Kinder bieten seit kurzem ihr Training online an, was sie und mich sehr begeistert. Ferner macht es Kindern viel Spaß, wenn sie sich zusammen mit den Eltern bewegen. Dabei sollten bei Kindern vor allem spielerische Formen zum Einsatz kommen, zum Beispiel ein Fahrtenspiel, eine Schnitzeljagd oder ein Orientierungs- beziehungsweise Abenteuerlauf. Jugendliche lassen sich oftmals von Apps begeistern, die beispielsweise die Schritte zählen oder Entfernungen und weitere Daten messen. Jugendliche können sich auch für das Sporttreiben in virtuellen Gruppen organisieren und austauschen.

Hinweis:
Prof. Dr. Anne-Marie Elbe ist eine von mehr als 150 Expertinnen und Experten derUniversität Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expertendienstes zurückgreifen können.