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"Mich fasziniert das alte Ägypten in mehr als einer Hinsicht", sagt Prof. Dr. Holger Kockelmann. Er ist zum 1. April neuberufener Professor am Ägyptologischen Institut/Ägyptischen Museum -Georg Steindorff- der Universität Leipzig. Sein Forschungsschwerpunkt ist das griechisch-römische Ägypten. Vor allem möchte er sich der Erforschung des Tempelkomplexes von Philae im ägyptisch-nubischen Grenzgebiet widmen. Im Interview berichtet Prof. Kockelmann über seinen interessanten beruflichen Werdegang.

Was haben Sie studiert – und wo?

In meinem Magisterstudium an der Universität Trier habe ich Ägyptologie als Hauptfach sowie Papyrologie und Klassische Archäologie als Nebenfächer belegt. Daran schlossen sich ein Master of Studies in Oxford, die Promotion an der Universität Bonn und die Habilitation in Tübingen an.

Was waren im Anschluss Ihre wichtigsten beziehungsweise Ihre letzten beruflichen Stationen?

Nach dem Studienjahr in Oxford war ich mehrere Jahre für das Projekt „Edition des Altägyptischen Totenbuches vom Neuen Reich bis zur Römerzeit“ der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste tätig, dann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich III - Ägyptologie der Universität Trier. Danach forschte ich fast zehn Jahre lang als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Der Tempel als Kanon der religiösen Literatur Ägyptens“ (Heidelberger Akademie der Wissenschaften). Während dieser Zeit hatte ich zudem eine Gastprofessur an der Universität Heidelberg inne und eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Würzburg.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und was sind Ihre Schwerpunkte?

Mich fasziniert das alte Ägypten in mehr als einer Hinsicht. Zum einen ist es die atemberaubende Fülle an materieller Hinterlassenschaft aus allen Lebensbereichen, die sich so aus keiner anderen antiken Kultur erhalten hat. Zum anderen sind es die charakteristischen Formen und Konzepte, die die ägyptische Kultur prägen und die fremd, gleichzeitig aber so seltsam vertraut erscheinen. Dann schließlich sind es die extrem langen Zeiträume, über die sich kultur- und geistesgeschichtliche Erscheinungen verfolgen und in ihrer Entwicklung analysieren lassen.

Mein Forschungsschwerpunkt ist das griechisch-römische Ägypten, das mich vor allem deshalb fesselt, weil in dieser Phase der ägyptischen Geschichte uralte regionale Traditionen mit Neuerungen, die von außen kommen, eine fruchtbare Symbiose eingehen. Insbesondere interessieren mich die Kulte und religiösen Vorstellungen dieser Zeit und die Migration theologischer Konzepte – sei es innerägyptisch zwischen verschiedenen Kultorten und Tempeln, sei es interkulturell oder diachron zwischen dem pharaonischen und dem griechisch-römischen Ägypten.

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Universität Leipzig ein bestimmtes Forschungsziel gesetzt? Welches?

An der Universität Leipzig werde ich mich insbesondere der Erforschung des Tempelkomplexes von Philae im ägyptisch-nubischen Grenzgebiet widmen, dem einzigen monumentalen Isis-Tempel, der aus der Antike nahezu komplett erhalten geblieben ist. Zum einen möchte ich zusammen mit meinem Team die vielen noch unpublizierten hieroglyphischen Tempelreliefs dieser Kultanlage edieren, zum anderen aber auch den überregionalen Diskurs untersuchen, in dem Philae mit zahlreichen Heiligtümern Ägyptens und des antiken Sudan stand und in dem es eine mitunter prägende Rolle spielte.

Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?

In der Ägyptologie haben wir das Glück, Antike ganzheitlich studieren und erforschen zu können, denn anders als bei den Klassischen Altertumswissenschaften gibt es keine Aufspaltung in Teildisziplinen wie Philologie, Archäologie und Alte Geschichte. Diesen breiten Zugang möchte ich unbedingt erhalten. Neben der gründlichen Schulung in den Sprachstufen und Schriftsystemen des Ägyptischen lege ich in meiner Lehre einen besonderen Schwerpunkt auf kulturhistorische Veranstaltungen. Dabei ist mir wichtig, mit den Studierenden die großen Leitthemen der ägyptischen Zivilisation an möglichst anschaulichen und konkreten Quellenbeispielen zu erarbeiten und ihnen die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Ereignis- und Geistesgeschichte erfahrbar zu machen.

Bitte beenden Sie folgenden Satz: „Die Universität Leipzig ist für mich…“

einer der national wie auch international attraktivsten Lehr- und Forschungsstandorte meines Fachgebietes.

Antworten Sie gern mit persönlichem Bezug oder allgemein: Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Wie wohl jeder Altertumswissenschaftler hoffe ich, dass in den nächsten Jahren viele offene Detailfragen des Faches durch neue Textquellen und Befunde der Feldforschung geklärt werden. Mit Blick auf unsere aktuelle, stark im Wandel begriffene Welt würde ich mir hier vor allem weitere Erkenntnisse zu den regionalen und überregionalen Ursachen und Auswirkungen der politischen und kulturellen Umbruchszeiten in Ägypten wünschen. Im Bereich der digitalen Ägyptologie hoffe ich auf innovative Instrumentarien, die es ermöglichen, intellektuelle Konstrukte dynamisch in ihrer komplexen räumlichen wie zeitlichen Vernetzung zu analysieren und zu visualisieren, beispielsweise das Dekorationssystem eines Tempels.

Welche Hobbys haben Sie?

Meine besonderen Steckenpferde sind die europäische Geschichte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie das christliche Reliquienwesen. Ich gehe außerdem sehr gern zum Schwimmen, koche gerne und unternehme Ausflüge mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Umgebung.

Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?

Ich habe zwei: „Herausforderungen sind die Leitern zum Erfolg“ und – wie man im Rheinland sagt – „Es ist noch immer gut gegangen“.

Verraten Sie uns bitte noch wann und wo Sie geboren sind?

Geboren wurde ich 1973 in Prüm.

Vielen Dank.