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Wie gestaltet sich der digitale Semesterstart aus Sicht Studierender? Mit welchen Herausforderungen sind sie konfrontiert, was würden sie sich wünschen und was läuft eigentlich ganz gut? Das haben wir Studentinnen und Studenten und studentische Hilkskräfte am ZLS gefragt.

Die Chance der Umstrukturierung nutzen

Natürlich hätte ich mir mein letztes Studiensemester an der Universität Leipzig anders vorgestellt. Es wäre schön gewesen, wenn auch dieses durch den regen Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen sowie Dozierenden geprägt gewesen wäre, wenn ich durch mein semesterbegleitendes Praktikum erneut lebensrelevante Erfahrungen hätte sammeln können und wenn die Wochen einer klaren Struktur gefolgt wären. Nun erfahre ich stattdessen wieder einmal, welch großes Privileg mein Leben und mein Studium sind – auch in der jetzigen, von Corona geprägten Zeit. Während sich meine alltäglichen Herausforderungen darauf beschränken, zu begreifen, was 210 Stunden Selbststudium als Teil des Workloads eines 10 Leistungspunkte Moduls bedeuten, und meine Arbeit und mein Studium so einzuteilen, dass möglichst viel Zeit für Kaffeeschlürfen in der Sonne bleibt, stehen andere Menschen vor existenziellen Krisen. Für mich ist der neue Alltag einfach zu bewältigen. Andere dagegen haben Angst um sich, ihre Familien, ihr Zuhause. Ich wünsche mir, dass die Universität, als gesellschaftliche Institution, die Chance der Umstrukturierung nutzt, um diverser, barrierefreier, inklusiver und nachhaltiger zu werden. Damit nicht nur die Menschen, die sowieso schon leicht durchs Leben gehen, von dem Erfahrungs- und Wissensschatz profitieren, sondern auch die, deren Leben durch weniger oder keine Privilegien geprägt ist. 
Cosima Hummel

Ein hohes Maß an Selbstdisziplin

Die aktuelle Situation aufgrund des Corona-Virus erlebe ich im Allgemeinen als sehr unsicher und beängstigend. Umso gespannter war ich auf das digitale Semester und bin insgesamt positiv überrascht. Im Großen und Ganzen wird viel Rücksicht genommen, auf die Bedürfnisse der Studierenden eingegangen und viel Wert daraufgelegt, dass wir keine Mehrbelastung tragen müssen. Es gibt einige tolle Angebote innerhalb der Seminare, die darauf ausgerichtet sind, die Zusammenarbeit zu fördern und ein Gefühl von Gemeinschaft hervorzubringen. Die Organisation mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen bleibt in meinem Fall etwas auf der Strecke. Der Austausch beschränkt sich auf die wenigen Fragen innerhalb der Seminarstrukturen. Dabei merke ich, dass Treffpunkte wie der Unicampus und die Mensa fehlen, wo man sich neben Studieninhalten über die kleinen Dinge des Lebens unterhalten konnte. Meinem Alltag tut das digitale Semester gut. Als Mutter kann ich mir die Erarbeitung der Themen individuell legen, wie es in unsere Zeitstruktur passt. Jedoch hat das auch Nachteile, denn wenn tagsüber Motivation oder Zeit fehlten, kommen sie am Abend nicht immer wieder. Herausfordernd finde ich das hohe Maß an Selbstdisziplin und -organisation, das ein Studium als solches mit sich bringt und das nun noch erhöht wurde. Außerdem gibt es Unklarheiten über manche Prüfungsleistungen, was ein zielgerichtetes Lernen bzw. Arbeiten erschwert. Auch wenn ich weiß, dass Beschlüsse der Länder abgewartet werden müssen, würde ich mir dahingehend mehr Klarheit wünschen. 
Franciska Frese

 

Fernwartung im IT-Support

Während meiner Arbeit am ZLS bekam ich erstmals Mitte Dezember letzten Jahres die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu spüren – also über einen Monat, bevor auch nur der erste bestätigte Fall in Deutschland gemeldet wurde. Ein namhafter Hardwarehersteller kündigte für einen bestellten und eigentlich zeitnah im Sekretariat benötigten Computer eine Lieferzeit von über drei Monaten an. So bestand meine erste Corona-Einschränkung darin, meinen Arbeitslaptop an das Sekretariat zu verleihen und stattdessen meinen privaten Rechner auf der Arbeit zu nutzen. Es gibt wirklich Schlimmeres!

Seitdem hat sich die Arbeit des IT-Supports allerdings drastischer verändert. Wir arbeiten, wie die meisten Mitarbeitenden, überwiegend von zu Hause aus. Dank der Unterstützung des URZ sind wir jetzt im Stande, viele Probleme per Fernwartung zu lösen (diese Möglichkeit hatten wir vorher nicht). Die Zahl der eingehenden E-Mails hat sich merklich erhöht. Normalerweise kommen viele Leute einfach direkt in unserem Büro vorbei, klassischerweise mit Problemen wie: „Habt ihr mal ein HDMI-Kabel?“ oder „Irgendwie geht die interaktive Tafel nicht“. Jetzt beantworten wir stattdessen dutzende Fragen zu Videokonferenzsystemen und der Video-Aufnahmefunktion von PowerPoint. Alleine zu Microsofts Office-Anwendungen habe ich in den letzten zwei Monaten um die 50 E-Mails geschrieben.

Die meisten dieser E-Mails gingen an Lehrende, die auf sehr unterschiedliche Art mit den Einschränkungen der gegenwärtigen Situation umgehen. Alleine in meinem Studiengang ist von Onlinevorlesungen per ZOOM über die Bereitstellung von Texten und der Abgabe von Aufgaben im Moodle bis hin zur Präsenzveranstaltung mit Ausnahmegenehmigung alles dabei. Die Onlinevorlesung ist mir als Format eigentlich ganz recht. Insbesondere, wenn die Aufzeichnungen hinterher hochgeladen werden und ich sie nicht immer live am Schreibtisch mitverfolgen muss, sondern sie mir auch später bei einem Spaziergang anhören kann. Bei reinen Moodle-Kursen ist man ohnehin an keinerlei feste Zeiten gebunden und die Abgabe der Übungsblätter in digitaler Form ist nicht wirklich neu. Da ich meine Lösungen seit Jahren ohnehin auf einem Tablet schreibe, spare ich mir dadurch lediglich das Ausdrucken.

Und dann wäre da noch das physikalische Fortgeschrittenen-Praktikum, bei dem wir im Labor vier- bis achtstündige Experimente in Zweiergruppen durchführen. Dieses Modul ist im Moment die einzige Chance für mich, wenigstens einige meiner Mitstudierenden gelegentlich in einer Art Unialltag zu treffen. Dieser unterscheidet sich vom Regelsemester wohl hauptsächlich dadurch, dass die Kopfschmerzen nach sechs Stunden in einem Raum mit einer staubsaugerlauten Vakuum-Pumpe heftiger ausfallen, wenn man die ganze Zeit Mund und Nase bedecken muss. Das ist nicht schön, aber es gibt auch hier wirklich Schlimmeres!
Gustav Fichtner