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Wie funktioniert Universität und Familie im Alltag? Dr. Henriette Rösch beantwortet Fragen zur aktuellen Situation.

  • Name: Dr. Henriette Rösch
  • Einrichtung/Abteilung/Studiengang: Universitätsbibliothek Leipzig
  • Aufgaben: Leiterin des Bereichs Bestandsentwicklung und Metadaten 
    In dieser Funktion bin ich verantwortlich für die Literaturerwerbung an der Universitätsbibliothek (Print und Online) und deren Nachweis; ebenso gehört das Open Science Office gehört zu meinem Verantwortungsbereich.  
  • Aktueller Arbeitsort: 50 Prozent zu Hause, 50 Prozent im Büro in der Albertina
  • Anzahl der Kinder im Haushalt: eine neunjährige Tochter
  • Wie wird die Betreuung der Kinder aktuell organisiert?
    In der Regel ist im wöchentlichen Wechsel ein Elternteil eine Woche komplett für die Kinderbetreuung zuständig. In „meinen“ Wochen habe ich bis zum Schulstart der 4. Klassen zu Hause gearbeitet, in den kinderfreien Wochen war ich meistens im Büro in der Albertina. Jetzt mit Schulbeginn ist die Betreuung zumindest bis mittags gesichert. 
  • Wie hoch ist die erlebte persönliche Belastung?
    Ich erlebe die Situation als außerordentlich belastend. Einmal, weil es eine sehr fordernde Leitungsaufgabe ist aus dem Homeoffice heraus 40 Mitarbeiter*innen mit sehr verschiedenen Aufgaben und individuellen Voraussetzung in ihren jeweiligen Homeoffices zu betreuen – dabei ansprechbar zu sein und die Balance zu finden zwischen Rücksichtnahme auf unterschiedliche Bedürfnisse und Ängste und der Aufrechterhaltung der Dienstleistungen der Universitätsbibliothek. Die Dichte und Tragweite der zu treffenden Entscheidungen hat deutlich zugenommen in den letzten Wochen.

    Und dann zehrt natürlich die lang andauernde Doppelbelastung von Ganztagskinderbetreuung samt Homeschooling und einer Vollzeittätigkeit, bei der die Aufgaben in diesen Tagen eher mehr als weniger werden, spürbar an den Kräften.

    Sowohl als Mutter als auch als Vorgesetzte besteht für mich eine wichtige Aufgabe darin, Sicherheit zu vermitteln und klare Strukturen in dieser Ausnahmesituation zu schaffen. Gleichzeitig  befinde ich mich ja nicht irgendwo außerhalb, sondern bin persönlich auch mit all den Unsicherheiten konfrontiert; da kommt es nicht selten zu dem Gefühl der Überforderung.
  • Universität und Familie – was läuft in der aktuellen Situation gut?
    Ich bin froh, dass die Universität relativ schnell reagiert und flexible Homeoffice-Lösungen geschaffen hat. Insbesondere die Vertrauensarbeitszeit nimmt mir persönlich etwas von dem Druck.
    Daneben waren sowohl unsere IT in der Universitätsbibliothek als auch das URZ unglaublich fix, die Infrastrukturen für das Arbeiten von zu Hause bereitzustellen. Das klappt wirklich hervorragend.
    Und hier in an der Universitätsbibliothek befinde ich mich in einem großartigen Leitungsteam, in dem wir in diesen Wochen wohltuend konstruktiv, wertschätzend und auch uns gegenseitig unterstützend mit der neuen Situation umgehen. Dafür bin ich sehr dankbar.
  • Was könnte konkret verbessert werden?
    Nicht an allen Stellen habe ich die Kommunikation und Entscheidungen der Universitätsleitung zu Arbeitszeitregelungen für Eltern als hilfreich empfunden.

    Gerade zu Beginn der Krise war ich frustriert, dass man die Eltern, die  von Schul- und Kitaschließung bedroht waren, zunächst allein ließ.  Da waren andere Universitäten mit der Freistellung für die Kinderbetreuung  schneller.  Dabei geht es mir nicht nur um den Zeitpunkt der Entscheidung, sondern vor allem um die Kommunikation, die bei mir den Eindruck hinterließ, dass die Not, in die die Eltern durch die Schließungen der Einrichtungen gebracht wurden,  die Universitätsleitung nicht sonderlich interessiert hat. 

    Auch das jüngste Gerangel, wer von einer Notbetreuung der Kinder profitieren darf, finde ich unglücklich, weil die seit so vielen Wochen andauernde Doppelbelastung der Eltern damit nicht anerkannt wird. Es ist zwar technisch möglich, eine virtuelle Lehrveranstaltung von zu Hause zu führen und vorzubereiten, praktisch aber schwer umzusetzen, wenn etwa ein unausgelasteter Fünfjähriger um einen herumspringt.