Pressemitteilung 2020/154 vom

Die Ausbreitung der Epidemie in Deutschland, Sachsen und Leipzig geht weiter zurück. Unter den getroffenen Maßnahmen bleibt die aktuell geschätzte Reproduktionsrate R des SARS-Cov-2 Virus in Deutschland, Sachsen und Leipzig nach Schätzungen von Experten der Universität Leipzig unter 1. Prof. Dr. Markus Scholz vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Medizinischen Fakultät hat in einem weiteren Schritt die weitere Entwicklung der Epidemie modelliert: „Die Lockerungen vom 20. April scheinen zu keinem Neuanstieg geführt zu haben. Wir sagen voraus, dass eine Kontaktintensivierung von circa 40 Prozent möglich ist, ohne dass die Epidemie wieder aufflammt.“ Auch die Rolle der Kinder im Infektionsgeschehen und die diskutierte Obergrenze an Neuinfektionen haben die Leipziger Forscher analysiert.

Scholz und seine Kollegen haben ein eigenes Modell entwickelt, um die weitere Dynamik der SARS-CoV-2 Epidemie zu prognostizieren. Es wird regelmäßig mit den Daten des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, des Robert-Koch-Institutes (RKI) und weiterer Quellen angepasst. Die Leipziger Wissenschaftler schätzen die Reproduktionsrate R aber anders als das RKI: In ihrem Modell wird die Rate mehr geglättet, sodass Wochenendeffekte weniger stark sind.

Die aktuelle Modellierung des sächsischen Infektionsgeschehen ergibt, dass bei einer mäßigen Lockerung der Maßnahmen zum 11. Mai eine zweite Welle vermieden werden kann. Dies wäre der Fall, wenn die Zahl der täglich neu berichteten Testpositiven und belegten ITS-Betten auch nach dem 11. Mai im Durchschnitt nicht weiter steigt. „Wir erwarten in diesem Szenario täglich circa 20 neue Testpositive in Sachsen. Man muss engmaschig monitoren, ob diese Zahl signifikant aus dem Kontrollbereich herausläuft. In diesem Falle wäre eine zweite Welle zu befürchten, die sich je nach Umständen unterschiedlich rasch entwickeln könnte“, fasst Prof. Scholz die neuen Ergebnisse zusammen. Um diese Situation zu vermeiden, darf die Kontaktintensivierung nur zu einem gewissen Grade von etwa 40 Prozent erfolgen. Eine konkrete Zahl an „erlaubten“ Kontakten könne man daraus jedoch nicht ableiten, denn die Kontaktintensität ist von vielen Faktoren abhängig, etwa von der Anzahl oder auch der Nähe zu Personen. Etwa die Hälfte der Kontaktintensität im Vergleich zu Zeiten vor dem Lockdown könnte als Richtschnur dienen.

Weitere Lockerungen könne es laut Scholz erst geben, wenn weitere Begleitmaßnahmen wie eine Corona-Warn-App oder umfangreichere Tests etabliert sind. Wie andere Experten auch hält Markus Scholz die jetzt diskutierte Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro Woche auf 100.000 Einwohner für zu hoch. „So hohe Zahlen pro Woche hatten wir selten. Eine Nachverfolgung der Kontakte halte ich dann für äußerst schwierig“, sagt Scholz.

Datenlage bei Kindern ist derzeit noch sehr schwach
Die Leipziger Epidemiologen haben auch das Infektionsgeschehen bei Kindern analysiert und die Ergebnisse vorliegender Studien verglichen. Der Verlauf von COVID-19 bei Kindern ist deutlich milder. Unklar ist aber, ob Kinder genauso oft oder weniger häufig als Erwachsene von Infektionen betroffen sind. Bei den meisten publizierten Statistiken ist der Anteil der testpositiven Kinder an den Testpositiven aller Altersgruppen gering. Dabei wird aber oft nicht berücksichtigt, dass Kinder allgemein seltener getestet werden. Einige Studien berichten, dass der Prozentsatz testpositiver Kinder innerhalb aller getesteten Kinder im Vergleich zur Testpositivenquote bei Erwachsenen ähnlich oder geringer ausfällt. Allerdings wurden die Daten oft in Situationen erhoben, bei denen bedingt durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Eintrag des Virus in die Altersgruppe der Kinder gering war. Unklar ist ebenso, ob sich die Infektiosität der Kinder von der Erwachsener unterscheidet. Studien, die eine geringere Ansteckungsrate in Familien oder in der Bevölkerung durch Kinder berichten, haben oft sehr kleine Fallzahlen oder fanden in Situationen statt, bei denen der Eintrag in die Gruppe der Kinder als gering vermutet werden kann. Die Viruskonzentration im Rachen selber erscheint bei Kindern nicht wesentlich kleiner als bei Erwachsenen. „Hier könnte es zukünftig mehr Erkenntnisse geben, wenn Studien aus Ländern verfügbar werden, die bereits mehr Erfahrungen mit offenen Kitas und Schulen während der COVID-19 Pandemie gesammelt haben wie Schweden und Dänemark. Wir empfehlen, bei Öffnung von Kindertagesstätten und Schulen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen. Beispiele hierfür könnten kleinere Gruppengrößen, Schichtbetrieb und regelmäßiges Monitoring des Betreuungspersonals sowie möglicherweise auch der Kinder z.B. mittels Infrarot-Temperaturmessung sein “, sagt Prof. Markus Scholz. Auf jeden Fall ist die Entwicklung der Epidemie in diesem Segment aufgrund der intensiven Kontaktsituation engmaschig zu beobachten.

In einem Bulletin hat die Arbeitsgruppe von Prof. Markus Scholz die Studien und Berechnungen zusammengefasst.