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Nachdem wir in der ersten Kolumne Rückschau auf die Namen unserer Studierenden von vor 30 Jahren gehalten haben, betrachten wir heute die aktuellen Vornamen. Gemeint sind die Erstnamen der Studienanfängerinnen und -anfänger im laufenden Semester an unserer Universität. Unter den ungefähr 1998 geborenen 7493 Studierenden gibt es deutlich mehr weibliche Vornamen (1357 Namenformen) als männliche (875 Namenformen), ein bekanntes Phänomen mit unterschiedlichen Erklärungen.

Die meisten männlichen Studierenden heißen Jonas oder Paul (jeweils 57), Lukas (53), Alexander (52) oder Max (51). Der Name Jonas ist ein aus der Bibel übernommener Vorname hebräischen Ursprungs (zu yona ‚Taube‘). Die biblische Geschichte vom Propheten Jonas, der von einem großen Walfisch vor dem Ertrinken gerettet wird, erfreut sich noch großer Bekanntheit. Allerdings kann der biblische Bezug lediglich als Quelle der Bekanntheit des Namens, nicht aber als Motiv für die elterliche Entscheidung herhalten. So liest man zum Beispiel in einem Vornamenblog, dass der Name Jonas durch die Detektivgeschichten „Die drei ???“ bekannt geworden wäre. Der ebenso oft vertretene Name Paul ist lateinischen Ursprungs (Beiname mit paulus 'klein'). Seine Verbreitung in der christlichen Welt geht auf den Namen des Apostels zurück (bekannt ist die Überlieferung Saulus > Paulus, doch ist Paulus wohl der richtige Name des Apostels). Nicht nur in Deutschland gehört Paul seit dem Mittelalter zu den häufigen Taufnamen. Als studentischer Name unserer Uni erreichte Paul 1870 seinen deutlichen Höhepunkt, danach war er nicht mehr besonders beliebt, um jetzt wieder auffallend an Beliebtheit zu gewinnen.

An dritter Stelle steht mit 53 Belegen Lukas ebenfalls ein biblischer Name lateinischen Ursprungs (ursprünglich Lucanus 'aus der Lucania stammend'). Lukas fand im Mittelalter als Name des Evangelisten Verbreitung. Anders als Paul aber ähnlich wie Jonas ist Lukas in der Vornamendatenbank des Universitätsarchives bis 2000 nur ganz selten bezeugt.

52 „Erstsemester“ heißen Alexander. Es handelt sich um die lateinische Form von griechisch Alexandros (etwa 'der Männer-Abwehrende'). Er fand ebenfalls bereits im Mittelalter, hier allerdings über die Populärliteratur (Alexandersage, Alexanderroman), später über dynastische Vorbilder (Zar Alexander I.) unter anderem Eingang in die deutsche Namengebung. An der Universität Leipzig kannte der Name bereits zwei Höhepunkte im Abstand von einhundert Jahren: 1880 und 1980, und offensichtlich hat er auch um 2000 noch nicht an Beliebtheit verloren.

Schließlich folgt an fünfter Stelle Max mit 51 Neustudierenden. Es handelt sich um die Kurzform von Maximilian, zum römischen Beinamen Maximilianus (wohl aus Maximinianus, zu lat. maximus 'der Größte'), der als Name vor allem im Donauraum verbreitet ist. Hier dürften dynastische Vorbilder zur Mode beigetragen haben, von Kaiser Maximilian I. (1459-1519) bis zu Maximilian von Sachsen (1870-1951), aber auch Schauspieler wie Maximilian Schell (1930-2014, Bruder von Maria Schell) könnten eine Rolle spielen. Max wiederum, als weniger schwerfällige Namenform, ist zum Beispiel durch den Boxer Max Schmeling (1905-2005) sehr bekannt geworden. Der Name ist seit den 1990er Jahren allgemein beliebt, allerdings weniger unter den Studierenden der Uni Leipzig. Hier hatte der Name ebenfalls um 1870 einen Höhepunkt, um danach deutlich an Beliebtheit einzubüßen.

Anna ist der häufigste weibliche Vorname der Erstsemester

Die Hitliste der Namen der Studienanfängerinnen wird 2020/21 von Anna mit 109 Belegen angeführt. Dieser ebenfalls biblische Name geht auf die griechische Form des hebräischen Frauennamens Hanna ('Anmut, Liebreiz') zurück. Anna hieß nach der christlichen Überlieferung die Mutter Marias. Ihr Name war schon seit dem 14. Jahrhundert sehr verbreitet, im Gegensatz zu Maria, ein Name, der aus heiliger Scheu lange nicht vergeben wurde.
Mit Blick auf die weiblichen Namen in der Vornamendatenbank des Leipziger Universitätsarchivs muss man beachten, dass sie die Vornamen aller Immatrikulierten von 1818 bis zur Gegenwart und die der ausgeschiedenen Beschäftigten der Universität (Abgangsjahre von 1945 bis zur Gegenwart) enthält. Frauen wurden aber erst seit 1906 offiziell zum Studium zugelassen.

Laura steht mit 82 Belegen an zweiter Stelle der Namenliste unserer Erstsemester. Der Name wurde aus dem Italienischen übernommen und geht auf einen lateinischen Personennamen der Kaiserzeit zurück (zu lat. laurus 'Lorbeerzweig, Lorbeerbaum'), doch könnte es sich vielleicht auch um eine Kurzform von Laurentia handeln. Der Name ist durch Petrarcas Sonette und Kanzonen an seine unerreichbare Geliebte Laura bekannt geworden, im Gegensatz zu den vorhergehenden, überwiegend biblischen Namen handelt es sich also um einen literarischen Namen. Seit Anfang der 1980er Jahre vermehrt sich das Auftreten des Namens Laura (der Auslöser müsste noch ausfindig gemacht werden), seit 1985 gehört der Name zur Spitzengruppe der beliebtesten Mädchennamen in Deutschland und blieb es wohl bis zur Jahrtausendwende, als unsere Erstsemester-Studierenden geboren wurden. Vor 2000 ist Laura an unserer Universität nur sehr selten belegt.

Mit Julia an dritter Stelle (76) ist ein Name wieder häufig an der Universität zu hören, der erst kurz zuvor in Mode war, nämlich zwischen 1975 und 1980. Auch Julia ist lateinischen Ursprungs (weibliche Form von Iulius, altrömischer Geschlechtername [gens Iulia]). Die allgemeine Beliebtheit steht gewiss im Zusammenhang mit Shakespeares Romeo und Julia.

An vierter Stelle folgt der Name Johanna. Es handelt sich um die „movierte“ Form des Apostelnamens Johannes, der als Personenname (von Johann bis Hans, mit sehr zahlreichen internationalen Varianten) immer außerordentlich beliebt war und ebenfalls über das Griechische aus dem Hebräischen (Yohanan < Yoh, Kurzform von Yahweh 'Gott' und hanan 'barmherzig sein') vermittelt wurde. Johanna wurde in Deutschland seit dem 17./18. Jahrhundert volkstümlich. Um 1910 war der Name an der Universität Leipzig am beliebtesten.

An fünfter Stelle steht schließlich Lisa mit 69 Immatrikulationen im Herbst 2020. Es ist die wohl beliebteste Kurzform des biblischen Namens Elisabeth (Name der Mutter Johannes' des Täufers, ebenfalls durch griechische Vermittlung aus hebräisch 'elischeba 'mein Gott ist Fülle (Glück, Segensfülle)'). Er gehört seit 1975 ansteigend zu den beliebtesten Vornamen in Deutschland. Mit nur 102 Treffern in 628.585 Einträgen des Universitätskorpus ist er aber bis zum Jahr 2000 an unserer Universität nicht sehr häufig. Damit wird eine sozioonomastische Frage angesprochen, die hier aber nicht vertieft werden kann.

Nach unseren Untersuchungen an der Namenberatungsstelle werden Vornamen heute überwiegend nach dem Klang ausgewählt, die Nachbenennung nach Vorfahren oder Paten spielt nur eine untergeordnete Rolle, das gilt auch für die Bedeutung der zumeist fremdsprachigen Namen. Anhand dieser Stichprobe kann man „Namenmoden“ nachzeichnen, denn neun von zehn der hier behandelten Spitzenreiternamen waren 30 Jahre vorher nur Einzelgänger an der Uni Leipzig (Jonas 1, Anna 4, Laura 1, Julia 1, Johanna 2) bzw. waren gar nicht da (Paul, Lukas, Max, Lisa). Lediglich Alexander hatte mit 19 Namenträgern schon mehr Belegfälle.

Die Kolumne der Namenberatungsstelle der Universität behandelt ganz unterschiedliche Namenarten und damit verbundene Themen. Die erste Folge drehte sich um die Vornamen von Studierenden, die 1969 geboren wurden.
Die Namenberatungsstelle der Universität bietet auch Gutachten zu Vornamen an.