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In der Veranstaltungsreihe „Erzählen Sie mehr!“ des M.Sc. Journalismus konnten wir am 10. Mai die Journalistin Elena Romanova von der russischen Zeitung „Novaya Gazeta“ begrüßen, die nach Beginn des Ukraine-Kriegs aus Russland emigrieren musste.

Die „Novaya Gazeta“ war bis zu ihrer vorläufigen Einstellung vor einigen Wochen eine der letzten Kreml-kritischen Medien in Russland. Die 47-jährige Elena Romanova, zuletzt Regional-Reporterin der Zeitung in der Provinzhauptstadt Rostow am Don nahe der ukrainischen Grenze, erzählte von den Arbeitsbedingungen, unter denen sie in den letzten Jahren investigative Recherchen über Korruption und andere Missstände durchgeführt hat, und von der schrittweisen Abschaffung der Pressefreiheit in Russland über die letzten 22 Jahre.

Eine Recherche über mysteriöse Krankheitsfälle in einem Flugzeugwerk in der südrussischen Stadt Taganrog führte zu finanziellen Entschädigungen der Betroffenen und zur Auszeichnung durch das Projekt „Redkollegiya“ – der höchstrangige unabhängige Preis für Journalist:innen in Russland. Sie erzählte auch von einer Recherche über Landraub durch einen südrussischen Konzern, der einem Vertrauten von Präsident Putin gehört und der von bestochenen Richtern gedeckt wurde. „Man hat erst versucht, mich mit Bestechung von der Recherche abzuhalten“, erzählte Elena Romanova, „und als das nicht funktionierte, wurden Ermittlungen gegen mich wegen Extremismus und Terrorismus aufgenommen.“

Nach Beginn des Ukraine-Kriegs wurde die Mediengesetzgebung verschärft und ihr drohte akut Gefängnis, weshalb sie das Land verließ. Gegenwärtig wird sie unterstützt vom European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) in Leipzig und dessen Programm „Journalists in Residence“.

Mit deutschen Medien arbeitete sie bereits in Russland zusammen, unterstützte Korrespondent:innen von SPIEGEL oder BILD bei Recherchen in der Region. Dass während der Aufmarschphase der russischen Armee zum Jahreswechsel 2021/22 Bilder von Armee-Kolonnen im Gebiet um Rostow am Don in der BILD erschienen, war ihrer Ortskenntnis zu verdanken. Nun will sie gern in Deutschland als Journalistin arbeiten, natürlich mit dem Fokus Russland/Ukraine. Und sie sagt: „Viele in Deutschland lebende Russen haben ein sehr verzerrtes Bild der Realität, weil sie vor allem Moskauer Staatsmedien konsumieren. Es wäre gut, wenn sie ihr Russlandbild verstärkt aus unabhängigen russischsprachigen Medien beziehen würden, die zum Beispiel von Exil-Journalisten gemacht werden könnten.“

Interviewt wurde Elena Romanova von den M.Sc.-Journalismus-Studentinnen Nina Pogrebnaya und Laurie Stührenberg; es dolmetschte Maryia Kirova.