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Im Juni 2019 gründete sich an der Juristenfakultät Leipzig eine Vereinigung zur Förderung simulierter Verfahrensverhandlungen, die Leipzig Moot Association (LMA e.V.) Moot Courts, simulierte Verfahren: Was ist das? Was geht mich das an? Brauchen wir das wirklich? Diese Fragen mögen sich dem ein oder anderen stellen, wenn er das erste Mal von Moot Courts hört. Deshalb sind wir dem auf den Grund gegangen und haben mit Prof. Dr. Christian Berger und Benedikt Steiger, ehemaliger Teilnehmer des Willem C. Vis Moot Court, über deren Bedeutung, die Herausforderungen und Erfahrungen gesprochen. Aber eins nach dem anderen.

Was sind denn nun Moot Courts?

„Jura“, das bedeutet Lernen mit zahllosen Büchern und Skripten, riesigen Stapeln mit Karteikarten und endloser Schreibarbeit. Aber es gibt mehr zu entdecken:
von der Bibliothek raus in die Welt! In Teams von vier bis fünf Studierenden wird gemeinschaftlich an einem von dem Veranstalter ausgegebenen Fall gearbeitet, der anschließend in einem simulierten Prozess verhandelt werden soll. Hierbei spielt neben dem materiellen Recht auch das Verfahrensrecht eine tragende Rolle. Die Teilnehmer erarbeiten sich somit im Rahmen ihrer gemeinsamen Vorbereitungen ein eindrückliches Bild davon, wie in der Praxis ein Prozess abläuft und gewonnen werden will. Moot Courts können inhaltlich vielseitig sein und bieten unterschiedliche Themenschwerpunkte. Sie vermitteln den Teilnehmenden einen ersten Eindruck, wie sich das Recht in der Praxis sowie in seiner verfahrensrechtlichen Einbindung auswirkt. Wenn darüber hinaus neue Dimensionen den Rahmen bilden, sind findige Köpfe gefragt. So können Gegenstand auch unbekannte Rechtsgebiete fernab des bereits behandelten Studienstoffes sein. Aber auch sprachliche Anforderungen in international ausgerichteten Veranstaltungen sowie kulturelle Hintergründe können das Bild abrunden. All diese Unterschiede gestalten die Moot Courts mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Schwierigkeitsgraden. Eine besondere Herausforderung ist der bekannte und renommierte Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot oder kurz „Vis Moot“, bei dem internationale handelsrechtliche Fälle vor einem Schiedsgericht simuliert werden. Die Tradition dieses Moot Courts ist lang. Erstmalig ausgetragen im Jahr 1994 mit elf Teams, traten im Jahr 2019 bereits 378 Teams aus verschiedenen Ländern weltweit an, so zum Beispiel aus ganz Europa, Mexiko, Südkorea, den USA und Südafrika. Von national ausgerichteten Moot Courts unterscheidet sich der Vis Moot Court vor allem in zweierlei Hinsicht. Zum einen kommen inhaltlich mit dem UN-Kaufrecht (CISG) sowie dem Schiedsverfahrensrecht neue Komponenten hinzu. Primär stehen Fragen der Vertragsauslegung im Fokus. Benedikt Steiger zufolge war "der Einstieg in das neue Rechtsgebiet zwar eine anspruchsvolle Aufgabe, aber mit dem bisher erlernten Handwerkszeug letztlich machbar." Zum anderen sind die praktischen Modalitäten zu berücksichtigen, insbesondere kulturelle und rechtliche Hintergründe sowie fachspezifische Sprachanforderungen. Benedikt beschreibt, dass die Herangehensweisen der Teams im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich waren. Dies sei auf die Ausprägung verschiedener Rechtssysteme zurückzuführen. So hätten die Teams aus dem mitteleuropäischen Raum aus Benedikts Sicht eine sehr strukturierte Herangehens- und Vortragsweise, ähnlich dem uns bekannten Gutachten. Hingegen würden Teams aus dem Rechtskreis des common law dem Fall verstärkt plädoyerorientiert begegnen und entsprechend verhandeln.

Was geht mich das an?

Die Teilnehmer an den Moot Courts erhalten vielseitige, neue Eindrücke, lernen viele interessante Menschen auf Social-Events der Community kennen und bauen die eigenen Fertigkeiten zusehends aus. Darunter fällt zum einen die Fähigkeit, sich auch unter Druck juristisch korrekt in englischer Sprache auszudrücken und die eigenen Ideen vor einem größeren Publikum vorzutragen. Zum anderen machen die Teilnehmer wertvolle „Praxiserfahrungen“ und erlernen neues Wissen, welches im Studium weitgehend ausgeklammert wird. Daneben haben die Teilnehmer die Möglichkeit, erste Kontakte zu renommierten Großkanzleien und in die Schiedsgerichtsszene zu knüpfen. Schließlich ist der Vis Moot Court auch eine Recruiting- und Marketing-Plattform für diverse Kanzleien und Interessenverbände, da die Teilnehmer durch ihren Einsatz regelmäßig hervorstechen. Wie auch im echten Leben, erfordert dies alles von den Teilnehmern Motivation, Teamgeist und die Bereitschaft, einen gewissen Aufwand zu erbringen, um die Aufgaben meistern zu können. Die Erwartungen von den Teilnehmern und an die Teilnehmer sind meist hoch. Leidenschaft und Interesse an der Sache sollten daher leitende Motive sein, Prof. Dr. Berger zufolge. Den zeitlichen und inhaltlichen Aufwand bewerten die Teilnehmer unserer Fakultät des Durchgangs 2018/19 als mit der Examensvorbereitung vergleichbar. Es entspricht einem halbjährigen Vollzeitstudium, das jedoch durch die Beantragung eines Urlaubssemesters abgemildert werden kann. Regelmäßig führt die Teilnahme zu einem atypischen Studienverlauf abseits des Musterstudienplans. Allerdings sollte man diese Unterbrechung laut Prof. Dr. Berger "vielmehr als Chance und Herausforderung betrachten."

Brauchen wir das wirklich?

Die von den Studierenden neugegründete Moot Court Association hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die Teilnehmer der kommenden Jahrgänge Ressourcen zu bündeln und die nachfolgenden Teams mit dem eigenen Erfahrungsschatz zu bereichern. Denn nach eigener Einschätzung bedarf es "einer Organisation, die den Ablauf und die Planung in professioneller Weise tragen kann. Das beginnt unter anderem mit der Anmeldung und Auswahl der Teammitglieder und dem Einwerben von Sponsorengeldern". Auch das Unterstützen bei der Erarbeitung von Schriftsätzen, die Veranstaltung eigener Probe-Pleadings sowie als Ansprechpartner zu fungieren, ist Ziel der Association. Auch die Fakultät sieht in ihrer Unterstützung einen Fortschritt und die Förderung von Studierenden der Universität Leipzig. Wer also mal über seinen universitären Tellerrand hinaussehen, einen Perspektivenwechsel wagen und nur allzu gerne die Säbel wetzen mag, der sollte wenn er Moot Court hört, eine Teilnahme erwägen. Darüber hinaus ist es für die Fakultät Prof. Dr. Berger zufolge "ein Ausdruck von Qualität, der sie besonders auszeichnet. Eine Fakultät muss international tätig werden! Das gilt sowohl für die Praxis, als auch für die Wissenschaft. Es muss eine Kultur werden!"