Pressemitteilung 2020/114 vom

Seinen Start an der Uni hätte sich Markus Bleckwenn sicherlich auch anders vorgestellt: Statt im Hörsaal zu stehen und Studierende für die Allgemeinmedizin zu gewinnen, bietet er nun Vorlesungen als Podcasts an und führt täglich Videokonferenzen mit seiner Abteilung. Neben Forschung und Lehre kümmert sich Bleckwenn als Hausarzt um die Patienten seiner Praxis in Linz am Rhein, deren Struktur er nun komplett umgestellt hat. Wie vielen niedergelassenen Ärzten fehlt es ihm an geeigneter Schutzausrüstung und auch die wirtschaftlichen Folgen für dieses Quartal sind noch nicht absehbar. In einem aktuell aufgesetzten Forschungsprojekt erfasst er die Patienten, die von Hausärzten eine Abstrichuntersuchung auf COVID-19 erhalten, um für eine zweite Welle besser gewappnet zu sein.

Sein Großvater war Hausarzt, seine Eltern waren Hausärzte – Markus Bleckwenn wurde der Beruf quasi in die Wiege gelegt. Schon lange vor seinem Medizinstudium in Bonn wusste er, dass auch er Hausarzt werden wollte: „Mich fasziniert die Abwechslung, die der Beruf bietet und die ich brauche. Ich weiß nie, was der Tag bringen wird: Es kann gleich ein Herzinfarkt kommen oder nur eine Erkältung. Die Bandbreite ist einfach sehr groß.“ Vor gut zehn Jahren ließ sich Bleckwenn mit einer eigenen hausärztlichen Praxis in Linz am Rhein nieder.

Hausarzt in Zeiten von SARS-CoV-2

Die Corona-Krise zwang auch ihn, seine Abläufe dort komplett umzustellen: „Wir behandeln alle Patienten mit akuten Atemwegsinfekten in der Corona-Ambulanz. Dazu wurde ein Gebäude von der Verbandsgemeinde Linz zur Verfügung gestellt. Dort können wir in Vollschutzanzügen Abstriche beziehungsweise Untersuchungen beim Patienten durchführen. In der Praxis werden alle Patienten zunächst vom Ärzteteam angerufen, um den Anlass ihrer Behandlung zu klären. Patienten, die keinen Hinweis auf eine Infektion haben, werden bei Bedarf in der Praxis untersucht. Dabei entstehen keine Wartezeiten mehr“, schildert der Hausarzt in 3. Generation seine Abläufe. Was für die Patienten gut klingt, stellt die niedergelassenen Haus- und Fachärzte vielerorts vor große Probleme. „Die finanziellen Auswirkungen für das 2. Quartal 2020 sind noch nicht geklärt. Gerade im Bereich der Vorsorge sagen wir momentan die Termine ab und führen nur absolut notwendige Behandlungen in den Praxisräumen durch. Dies dient dem Infektionsschutz, jedoch fehlen den Praxen dadurch natürlich wichtige Einnahmen.“ Das zweite Problem ist aus Bleckwenns Sicht die weiterhin dürftige Ausstattung mit Schutzausrüstung. Insgesamt herrsche gerade noch die Ruhe vor dem vermutlichen Sturm in zwei bis drei Wochen, wenn die aktuellen Berechnungen zutreffen.

Als Hausarzt Medizin neu gestalten

An der Universität Leipzig hat Markus Bleckwenn seit Anfang des Jahres den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin inne. Er möchte junge Menschen für das Fach begeistern, denn auch er spürt den Ärztemangel in diesem Bereich. „Ich beobachte, dass der Trend hin zu großen Praxen geht, in denen mehrere Ärzte zusammen, teilweise auch in Teilzeit arbeiten. In Zukunft wird ein Arzt dank Telemedizin und modernen Kommunikationsmöglichkeiten ortsunabhängig therapieren können. Schon heute ist es uns möglich, Vitalparameter via Datenverbindung zu erfassen, sogar das Abhören der Lunge ist über die Entfernung möglich.“ Für ihn ist der Hausarzt der Zukunft ein Teamplayer, der zwischen den Wünschen des Patienten und anderen Fachärzten vermittelt. Das sei eine Herausforderung, aber junge Ärzte hätten auch auf dem Land sehr gute Möglichkeiten, Medizin neu zu gestalten. „Das ist keine ‚Apparatemedizin‘, sondern ein ganz besonderes Handwerk“, so Bleckwenn. Das war zugleich auch seine Motivation, zurück an die Uni zu kommen: „In meiner Praxis kann ich mich engagieren wie ich nur kann, aber ich werde an der Patientenversorgung in Deutschland nicht viel ändern. Ich musste dorthin, wo der Nachwuchs ist.“

Mit den Projekten LeiKa und MiLaMed gegen den Ärztemangel im ländlichen Raum

In seiner Abteilung für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Fakultät trifft er auf bereits gut laufende und attraktive Projekte, die Studierende mit der allgemeinmedizinischen und landärztlichen Tätigkeit vertraut machen. Der stellvertretende Abteilungsleiter Dr. Stefan Lippmann begleitet sie schon seit einigen Jahren und ist stolz auf den Zuspruch: „Wir haben teilweise lange Wartelisten unter den Leipziger Medizinstudierenden für unsere Projekte.“ Bei LeiKa, kurz für „Leipziger Kompetenzpfad Allgemeinmedizin“, werden 30 Studierende pro Jahr in eine „Klasse Allgemeinmedizin“ aufgenommen und bekommen einen Hausarzt aus der Region als Paten an die Seite gestellt. Das andere Projekt, MiLaMed, steht für „Mitteldeutsches Konzept zur longitudinalen Integration Landärztlicher Ausbildungsinhalte und Erfahrungen in das Medizinstudium“ und will Studierende mit einer landärztlichen Tätigkeit vertraut machen. Ob Krankenpflegepraktikum oder Praktisches Jahr – das können Studierende beim Landarzt in der Region absolvieren. Das Projekt vermittelt die Plätze und unterstützt organisatorisch.

Eigene Forschung zu Raucherentwöhnung und COVID-19

Auch seine Forschung will der Allgemeinmediziner Bleckwenn in Leipzig weiter vorantreiben. „Wir brauchen mehr forschende Ärzte, also mehr ‚Clinical Scientists‘. Es wäre eine große Chance, wenn Kollegen schon in der Weiterbildung forschen könnten, sich qualifizieren und habilitieren. Dann können wir auch in Zukunft mehr Allgemeinmedizin-Lehrstühle hausärztlich besetzen. Das ist aus meiner Sicht sehr wichtig, denn wir Praktiker wissen um die Grenzen, die wir in unseren Praxen haben. Wir werden keine Vorschläge machen, die wir selber als Hausarzt nicht umsetzen könnten“, sagt Markus Bleckwenn. Er selbst forscht zu kardiovaskulärer Prävention und Raucherentwöhnung. Gerade der Weg weg von der Zigarette, sei zwar ein schwieriger, aber einer mit sehr großem Nutzen. Ganz aktuell erfasst er auch die Patienten, die von Hausärzten eine Abstrichuntersuchung auf COVID-19 erhalten. Er nimmt auf, welche Patienten eine Abstrichuntersuchung bei dem Verdacht auf eine Corona-Infektion von den Hausärzten erhalten. Dabei werden die genauen Beschwerden der Patienten und deren Risikofaktoren, wie Bluthochdruck, dokumentiert. „Diese Daten werden wir dringend zur Strategieplanung einer zweiten Infektionswelle brauchen“, so Bleckwenn.