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Der Akademische Senat der Universität Leipzig hat in seiner Sitzung am 21. Januar 2020 einstimmig der Vorlage „Kein Platz für Antisemitismus“ zugestimmt.

Die vom studentischen Senatsmitglied Christopher Hermes eingereichte Vorlage im Wortlaut:

„Der Senat der Universität Leipzig ist entsetzt über die Terrorattacke in Halle/Saale am 9. Oktober 2019, dem Tag des jüdischen Versöhnungsfestes, und über die sich häufenden antisemitischen Vorfälle in Deutschland (mindestens 1799 allein im Jahr 2018). Er wendet sich gegen Antisemitismus in jeglicher Form.

An der Universität Leipzig ist kein Platz für Antisemitismus. Die Universität Leipzig unterstützt die Resolution „Gegen BDS [1] und jeden Antisemitismus“ des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, des freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften, des AStA der Technischen Universität Darmstadt und des AStA der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt sowie parteinaher Hochschulgruppen wie den Juso Hochschulgruppen, den Liberalen Hochschulgruppen, Campus Grün und dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten [2]. Die Universität Leipzig unterstützt auch die Beschlüsse „Gegen jeden Antisemitismus“ vom 30.06.2015 [3] und „Boykott antisemitischer Veranstaltungen“ vom 02.08.2016 [4] des Student_innenRates der Universität Leipzig.

Die Universität Leipzig ist Zentrum der demokratischen Kultur, Ort des Dialogs und Stätte der Vielfalt.[5] Bereits mit der Aktion „Weltoffene Hochschulen – Weltoffenes Sachsen“ hat die Universität Leipzig ein Zeichen gesetzt und klare Bekenntnisse und entschlossenes Handeln zugunsten einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft gefordert. Außerdem steht auch die Universität Leipzig in Deutschland in besonderer historischer Verantwortung, allen Formen des Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.

Die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) [6], welche auch durch die Bundesregierung Anerkennung findet [7], bietet eine klare Grundlage zum Erkennen von Judenhass und ist damit ein wichtiges Werkzeug bei seiner Bekämpfung. Dabei wird auch der israelbezogene Antisemitismus berücksichtigt. Die Universität Leipzig begrüßt diese Antisemitismusdefinition ausdrücklich. In ihren Institutionen findet sie Anwendung und wird den Mitgliedern vermittelt. Jüdisches Leben auf dem Campus darf nicht gefährdet sein, jüdische Forscherinnen und Forscher, Lehrende und Studierende müssen sich an der Universität Leipzig sicher fühlen können. Forschung zu Antisemitismus, seiner Genese und seiner Wirkweise, entsprechende Angebote in Studium und Lehre sowie der Erkenntnistransfer an Multiplikatoren und Entscheidungsträger sind für die erfolgreiche Bekämpfung des Antisemitismus von höchster Wichtigkeit.“ 

 

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[1] BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions"; der Bundestag hat mit Annahme des Antrags Ds. 19/10191 „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ beschlossen, die BDS-Kampagne und den Aufruf zum Boykott von israelischen Waren oder Unternehmen sowie von israelischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Künstlerinnen und Künstlern oder Sportlerinnen und Sportlern zu verurteilen (17.05.2019).

[2] Diese Entschließung unterstützt die Resolution „Gegen BDS und jeden Antisemitismus“, des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, des „freien zusammenschlusses von student*innenschaften“, des AStA der Technischen Universität Darmstadt und des AStA der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt sowie parteinaher Hochschulgruppen wie den Juso Hochschulgruppen, den Liberalen Hochschulgruppen, Campus Grün und dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten an.

[3] „Gegen jeden Antisemitismus“ vom 30.06.2015: „Der Student_innenRat der Universität Leipzig tritt entschieden gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen ein. Dazu gehört, aktuelle antisemitische Entwicklungen wachsam zu beobachten, als solche wahrzunehmen und aktiv gegen sie vorzugehen. Der erstarkende Antisemitismus in Deutschland und weiteren europäischen Ländern ist ein reales Problem. Von tendenziöser Medienberichterstattung, Verschwörungstheorien und antisemitischen Klischees in der Bevölkerung über Israel-Boykottbewegungen und Angriffe auf Synagogen hin zu offen propagierten Vernichtungsfantasien, ziehen sich antisemitische Ressentiments quer durch die Gesellschaft.

So sind auch die Hochschulen Orte, an denen teilweise antisemitische Denkmuster zu finden sind. Diese werden zumeist nicht offen, aber unterschwellig geäußert und werden von der Breite der Studierendenschaft meistens nicht als antisemitisch erkannt. Gerade für Studierende mit jüdischen Glauben und/oder Studierende, die die israelische Staatsbürger_innenschaft inne haben, welche ebenfalls an der Universität Leipzig zu finden sind, kann dies ein Umfeld schaffen, das permanent diskriminierend wirkt. Somit muss die Forderung des StuRa nach Antidiskriminierung auch immer und explizit darauf zielen, die Hochschule als einen antisemitismusfreien Ort zu begreifen und auf selbigen hinzuarbeiten.

Ein kritisches Verständnis von Antisemitismus geht in seiner Analyse nicht vom Objekt, sondern von der_dem Antisemit_in aus, welche_r die abstrakten Mechanismen der kapitalistischen Gesellschaft auf das Judentum projiziert. Antisemitismus richtet sich gegen ein überlegen und kontrollierend imaginiertes „jüdisches Prinzip“, das die Ursache allen Übels darstellt. In der postnazistischen Gesellschaft tritt Antisemitismus häufig nicht mehr offen in der Verurteilung von Jüd_innen auf, dennoch ist er als Denkstruktur weiter vorhanden. Er äußert sich als israelbezogener Antisemitismus in Form von Dämonisierungen Israels, extrem einseitiger Schuldzuweisung, Nutzung antisemitischer Chiffren und Täter_in-Opfer Umkehrung durch Vergleiche Israels mit dem Nationalsozialismus. Ferner finden sich antisemitische Argumentationen in der Verbreitung von Verschwörungstheorien über vermeintliche Strippenzieher_innen, wie FED und Rothschild.

Der StuRa unterstützt und organisiert keine Veranstaltung oder Demonstration, auf der antisemitische Positionen vertreten werden. Ferner bietet der Rat keine Plattform zur Verbreitung von Antisemitismus und lädt daher keine Personen und Organisationen zu Veranstaltungen ein, die absehbar solche Positionen vertreten werden. Folgende Positionen sieht der Student_innenRat der Universität Leipzig als antisemitisch und damit nicht akzeptierbar an:

  • die Gleichsetzung israelischer Politik mit der Politik zur Zeit des Nationalsozialismus
  • die Unterstellung, Israel begehe einen Genozid an den Palästinenser_innen
  • die Aberkennung des Existenzrechts Israels
  • den Ausruf „Kindermörder Israel“, der eine Anknüpfung an die antisemitische „Ritualmordlegende“ darstellt
  • Darstellungen, nach denen Israel, die Zionist_innen oder die USA die Medien kontrollieren
  • Aussagen über eine allmächtige „jüdische Lobby“ oder „zionistische Lobby“
  • Verschwörungstheorien über Gruppen, die angeblich im Hintergrund die Fäden ziehen (FED, Rothschilds)

Außerdem problematisch sind folgende Aussagen, weil sie zumeist antisemitisch sind:

  • die Dämonisierung Israels als „Apartheidsstaat“
  • die Solidarisierung mit Hisbollah und Hamas
  • die Unterteilung der kapitalistischen Warenproduktion in eine gute, schaffende Produktionssphäre und eine schlechte, raffende Zirkulationssphäre.
  • die Infragestellung des Existenzrechts Israels“

[4] „Boykott antisemitischer Veranstaltungen“ vom 02.08.2016: „Der StuRa verurteilt antisemitische Boykott-Kampagnen, wie Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) und setzt sich gegen die Durchführung, Beteiligung und Förderung solcher Kampagnen und Veranstaltungen an der Universität Leipzig ein. Demzufolge wird sich der StuRa nicht an der BDS-Kampagne beteiligen oder Formate (Veranstaltungen, Ausstellungen, Demonstrationen, usw.), an der die BDS-Bewegung beteiligt ist, unterstützen.

Die internationale Zusammenarbeit erachten wir als für die Wissenschaft lebenswichtig. Als StuRa stellen wir uns gegen antisemitische Maßnahmen wie die Ausladung israelischer Wissenschaftler*innen von Konferenzen im Kontext der Boykott-Kampagnen und werden dies, wo es geschieht, öffentlich machen, um zu einer Aufklärung darüber und zur Verhinderung dessen beizutragen.

Wir setzen uns an der Universität Leipzig dafür ein, dass in Form einer Selbstverpflichtung auf verstärkte Aufklärung über Antisemitismus, und im Besonderen die BDS-Kampagne im akademischen Bereich, hingewirkt wird. Teil dieser Selbstverpflichtung muss auch ein klares Bekenntnis dazu sein, dass das Verhindern oder Auflösen von Kooperationen mit israelischen Wissenschaftler*innen und wissenschaftlichen Institutionen aus antisemitischen Intentionen heraus einen erheblichen Eingriff in die akademische Freiheit darstellt. Akademische Freiheit begreifen wir als ein hohes Gut, das international existieren muss.“

[5] Beschluss des Senats der Hochschulrektorenkonferenz vom 13.10.2016: Die Hochschulen als zentrale Akteure in Wissenschaft und Gesellschaft. Eckpunkte zur Rolle und zu den Herausforderungen des Hochschulsystems (Stand 2018), S. 1f. Als Partner der europäischen Vereinigung Universities for Enlightment hat sich die HRK bereits ausdrücklich zur Verurteilung des Antisemitismus bekannt.

[6] www.holocaustremembrance.com/de/node/196, abgerufen am 20.09.2019

[7] www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/kulturdialog/-/216610, abgerufen am 20.09.2019: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“