Pressemitteilung 2015/252 vom

Bereits mit 14 Jahren liebte Martin Haspelmath die deutsche Grammatik, auch die lateinische, englische und griechische fand er interessant. Aus dieser Leidenschaft wurde sein Beruf. Heute ist der 52-Jährige ein international renommierter Linguist. Am 1. November startet der Sprachwissenschaftler - ausgestattet mit einem prestigeträchtigen ERC Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates in Höhe von 1,77 Millionen Euro - an der Universität Leipzig ein fünfjähriges Projekt zur Erforschung von universalen Eigenschaften der Sprachen sowie deren Erklärung durch den Sprachgebrauch. Prof. Dr. Haspelmath, der bereits seit 1999 als Honorarprofessor für Linguistik an der Universität Leipzig arbeitet, ist der erste mit einem ERC Advanced Grant geförderte Wissenschaftler der Alma mater.

Sprache ist in ständiger Veränderung. Die Sprecher wählen unwillkürlich Formen, die den Sprachgebrauch effizienter gestalten", sagt Haspelmath, der vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena kommt und dort auch weiterhin parallel tätig ist. Seine Hypothese ist, dass sich dieser Sprachwandel auch auf die Grammatik auswirkt - nur eben etwas langsamer. In seinen Forschungen an der Universität Leipzig möchte Haspelmath etliche Sprachen unter diesem Aspekt analysieren. Beherrschen muss und kann er diese nicht alle. "Ich stütze mich auf die die grammatischen Beschreibungen dieser Sprachen", erklärt der in Hoya bei Bremen geborene Linguist.

Im Vordergrund stehen immer wieder auftretende Asymmetrien der grammatischen Formen, zum Beispiel dass Plural- und Akkusativformen immer durch zusätzliche Elemente gebildet werden wie etwa "der Tag" - "die Tag+e", "der Mensch" - "den Mensch+en". "Untersuchungen vieler Sprachen aller Kontinente haben gezeigt, dass es eine ganze Reihe solcher Asymmetrien gibt, die überall in ähnlicher Weise auftreten. Es sieht so aus, als könne man die Formenbildung durch die Häufigkeit der Formen im Sprachgebrauch vorhersagen. Zum Beispiel wird der Singular häufiger verwendet als der Plural, und auch der Nominativ häufiger als der Akkusativ", betont der Wissenschaftler, der selbst fünf Sprachen spricht. "Universalienprojekt" nennt er das, was ihn in den kommenden fünf Jahren an der Philologischen Fakultät der Alma mater beschäftigen wird.

Wie viele Sprachen Haspelmath in dieser Zeit analysieren kann, steht noch nicht fest. Zu tun gibt es für ihn genug: Immerhin werden weltweit 7.000 unterschiedliche Sprachen gesprochen, nur für etwa 1.000 davon existiert eine gute grammatische Beschreibung. "Wir kommen nicht hinterher. Die Sprachen sterben langsam aus", erklärt Haspelmath das Dilemma der Linguisten, die sich mit diesem großen Themenkomplex befassen. Er selbst hat als junger Wissenschaftler ein 500-Seiten-Buch über die Grammatik der lesgischen Sprache geschrieben, die im Kaukasus von etwa 450.000 Menschen gesprochen wird. Da er in seinen Forschungen schon die unterschiedlichsten Sprachen untersucht hat, weiß Haspelmath, was an ihnen besonders ungewöhnlich ist. Und aus diesem Blickwinkel erkenne er auch die "Exotik der deutschen Sprache", wie er selbst sagt.