Nachricht vom

Liebe ist pure Chemie, heißt es. Ein Aufstand der Hormone sorge dafür, dass der chemische Botenstoff Dopamin im Gehirn freigesetzt und die Schmetterlinge im Bauch freigelassen werden. Im Arbeitskreis von Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins am Institut für Anorganische Chemie der Universität Leipzig stimmt die Chemie scheinbar in vielerlei Hinsicht: Fünf Mitarbeitende der Professorin für Anorganische Chemie haben im vergangenen Jahr Nachwuchs bekommen – von der wissenschaftlichen Hilfskraft über die Doktorandin, Laborantin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin bis hin zum Habilitanden. Sie leben nicht nur von Luft und Liebe allein, sondern auch von einem Arbeitsumfeld, in dem bewusst versucht wird, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestmöglich auszugestalten.

Weltweit wird jährlich am 15. Mai der von den Vereinten Nationen ausgerufene „Tag der Familie“ begangen, um deren Bedeutung zu bekräftigen. Im Februar dieses Jahres, vermeldete das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Deutschland habe zusammen mit der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union der EU-Richtlinie zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige zugestimmt. Ein familien- und gleichstellungspolitischer Meilenstein für Europa sei damit erreicht. Für Evamarie Hey-Hawkins fängt die Verantwortung für das Gelingen von Familienleben und -planung direkt vor der eigenen Institutstür an: „Ich sehe mich nicht nur als wissenschaftliche Betreuerin, sondern auch in einer wichtigen Rolle als Arbeitgeberin“, sagt die Chefin von mehr als dreißig Mitarbeitenden. „Deshalb gehört es auch zu meinen Aufgaben, Dinge, die die Tätigkeiten in meinem Arbeitskreis beeinflussen, im Blick zu haben – wie die Familienplanung.“

Mit der „frohen Botschaft“ fängt für die 61-Jährige dann auch die planerische Arbeit an. „Als ich meiner Chefin von der Schwangerschaft berichtete, sicherte sie mir sofort ihre Unterstützung zu“, berichtet Schirin Hanf, die im vergangenen Jahr ihren Sohn Friedrich bekommen hat und seit April 2015 bei den „Heyen“ (mit "ai" gesprochen), wie sich der Arbeitskreis selbst nennt, arbeitet und derzeit promoviert. „Für Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, gibt es nie den richtigen Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen. Wenn sie persönlich bereit sind, diese zusätzliche Belastung auf sich zu nehmen, liegt es mir am Herzen, sie in ihrem weiteren Vorankommen zu unterstützen“, so Hey-Hawkins. Ihrer Doktorandin stellte sie in „diesem wichtigen Lebensabschnitt und dieser schwierigen wissenschaftlichen Qualifikationsphase“ deshalb zwei Kollegen an die Seite, die ihr bei den Laborarbeiten halfen. „Das brachte mein Projekt natürlich voran!“, sagt Schirin Hanf.

„Glückliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind produktive Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“, ist die Professorin überzeugt. „In einem guten Arbeitsklima, zu dem auch flexible Arbeitszeiten gehören, kompensieren andere den Ausfall von Kollegen einfacher.“ So ist die direkte, gegenseitige Unterstützung durch Wissenschaftler im Arbeitskreis ein Faktor für die Familienfreundlichkeit ihrer Gruppe. „Diese Hilfe ist umso wichtiger aufgrund der Tatsache, dass meine Mitarbeiterinnen bereits während der Schwangerschaft nicht mehr im Labor arbeiten dürfen.“

Hey-Hawkins sieht die Universität Leipzig auf einem guten Weg, die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für alle Mitarbeitenden weiter voranzubringen. „Wichtig ist, dass alle Führungskräfte ihre Aufgabe annehmen, auf Schwangerschaften positiv zu reagieren und bei der weiteren beruflichen Planung unterstützend und beratend zur Seite zu stehen. Das ersetzt natürlich nicht die unbefristeten Stellen, die für eine entspannte Familienplanung nötig sind.“ Positiv seien auch die Frauen-Förder- und Mentoring-Programme des Gleichstellungsbüros der Universität.

Den dringlichsten Handlungsbedarf sieht die Wissenschaftlerin bei den Möglichkeiten zur Kinderbetreuung. Für zu viele Mitarbeitende sei es schwierig, problematisch oder zeitweise unlösbar, einen Betreuungsplatz zu bekommen.

Im November 2018 hat der Akademische Senat der Universität Leipzig die „Vereinbarkeitskonzeption“ beschlossen. „Damit stellt sich die Universität Leipzig unter anderem die Aufgabe, ihr Kinderbetreuungsplatzangebot auszubauen“, erläutert der Gleichstellungsbeauftragte der Universität Leipzig, Georg Teichert. „Der Betreuungsplatzmangel ist in ganz Leipzig ein signifikantes Thema, er sollte künftig auch im Rahmen der Weiterentwicklung des Kooperationsvertrages zwischen Stadt und Uni eine noch größere Rolle spielen.“ Die Chemie zwischen diesen beiden Partnern stimmt, das zeigt eine Vielzahl erfolgreicher gemeinsamer Projekte. „Alle Wünsche und Vorstellungen stoßen sicher nicht immer gleich auf Gegenliebe, aber es lässt sich hier in naher Zukunft hoffentlich einiges bewegen, um die Universität Leipzig als Arbeitgeberin noch attraktiver zu machen.“