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Vor kurzem verstarb unser Emeritus des Institutes für Alttestamentliche Wissenschaft Professor Dr. Hans Seidel im Alter von 91 Jahren.

Geboren wurde Hans Seidel am 22.11.1929 in Breslau. Zwischen 1951 und 1956 studierte er in Leipzig Theologie und wurde 1963 promoviert. Sieben Jahre später erfolgte die Habilitation. Seit 1971 war er Dozent und dann Professor für Altes Testament am Theologischen Seminar, der Kirchlichen Hochschule und schließlich der Universität Leipzig.

Wer sich mit dem Werkverzeichnis von Professor Seidel beschäftigt, dem erschließt sich schnell, dass hier ein umfassendes Oeuvre vorliegt, das sich in alle Teile des Alten Testaments erstreckt. Prof. Seidel war Alttestamentler im besten und umfassendsten Sinn des Wortes. Gleichwohl gab es natürlich auch bei ihm Kernthemen. Dabei spielte, seit der Dissertation, das Buch der Psalmen eine besondere Rolle. Schon der junge Seidel entwickelt anthropologische Denkfiguren, die in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der klassischen Gattungskritik vieles von dem vorwegnehmen, was in der aktuellen Psalmenforschung diskutiert wird. Die Dissertation trägt den Titel „Das Erlebnis der Einsamkeit im Alten Testament. Eine Untersuchung zum Menschenbild des Alten Testamentes“. Es geht also nicht nur um Einsamkeit, sondern, genauer, um die Psychologie der Einsamkeit. Wenn man in die jüngsten Bände der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie zum Thema Anthropologie hineinliest, dann kann man mit Recht behaupten, dass die Arbeit, die Hans Seidel in den sechziger Jahren begonnen hat, auch heute noch relevant ist.

Auch die Habilitationsschrift zeigt Seidel als eigenständigen und unkonventionellen Wissenschaftler. Sie trägt den Titel „Der Beitrag des Alten Testaments zu einer Musikgeschichte Altisraels“. Wie Seidel gerne erzählte, war das Thema damals derart neu, dass sich die Fakultät mühen musste, um dafür überhaupt qualifizierte Gutachter zu finden. Vielen wird Seidel auch durch seine umfängliche Rezensententätigkeit für die Theologische Literaturzeitung in Erinnerung sein.

Wir trauern um den Verstorbenen und sind mit unseren Gedanken bei seinen Angehörigen. Möge Gottes Friede auf ihm ruhen!