Das 256-Seiten-Werk richtet sich an Islamwissenschaftler:innen, Historiker:innen, Arabist:innen, Linguist;innen sowie an alle Menschen, die an bildungsgeschichtlichen Prozessen interessiert sind. In der Neuerscheinung werden Prozesse der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Gelehrten des frühen 20. Jahrhunderts am Beispiel der Kontakte zwischen Hans Stumme und dem ungarischen Orientalisten und Semitisten Ignaz Goldziher (1850–1921) erfasst. Während Goldziher als einer der Begründer der Islamwissenschaft gilt, wird sein Korrespondenzpartner Hans Stumme international als der Vater der akademischen Berberstudien betrachtet. Zwar wurde Stummes Nachlass im Zweiten Weltkrieg zerstört, doch blieb seine an Goldziher gerichtete Korrespondenz in deutscher und ungarischer Sprache in Budapest erhalten. „Diese Korrespondenz bildet das Kernstück unseres Buches und dokumentiert nicht nur die wissenschaftliche Kooperation und enge persönliche Freundschaft dieser beiden Gelehrten. Sie ist zugleich ein historisches Zeugnis wissenschaftlicher Erfolge, aber auch verschiedenster Herausforderungen der damaligen Zeit“, sagt Ebert.
Der in Wien promovierte ungarische Forscher Viktor Forian-Szabo, der zum Nahen Osten sowie dem islamischen Finanz- und Versicherungswesen forscht und lehrt, hat die Teile der Korrespondenz, die von Hans Stumme in ungarischer Sprache verfasst wurden, übersetzt und ausgewertet. Er beherrscht die ungarische ebenso wie die deutsche Sprache. Dies war insbesondere für die Übersetzung der ungarischen Korrespondenz sowie für historische Zusammenhänge von großer Bedeutung.
Bislang existiert nach Angaben Eberts noch kein umfassendes Werk, das die Bedeutung von Hans Stumme für diese wissenschaftlichen Themen erfasst. Dies liegt vor allem daran, dass der Nachlass Stummes, den dieser der Universität Leipzig überlassen hat, zu großen Teilen während des Zweiten Weltkrieges vernichtet worden ist. Somit mussten die Autoren dieses Buches auf Nachlässe anderer Gelehrter zurückgreifen, sofern ein Bezug zu Stumme gegeben war. Der in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften vorhandene Nachlass Goldzihers bot sich insbesondere auch deswegen an, weil dieser 1870 durch seine Promotion bei Heinrich Leberecht Fleischer eine besondere Beziehung zur Universität Leipzig hat. Der Nachlass enthält insgesamt 81 Schriftstücke, die aus der Feder von Hans Stumme stammen.
Die Korrespondenz erstreckt sich von 1895 bis zum Tod von Ignaz Goldziher im Jahr 1921. Die Schriftstücke enthalten viele Informationen über die Herausgabe von Büchern und Zeitschriften, über wissenschaftliche Fragen der Orientalistik sowie über private Themen. Stumme hat Ratschläge Goldzihers sehr geschätzt, dieser wiederum hat Hinweise von Stumme berücksichtigt.
Zudem wird in der Korrespondenz das Verhältnis von Stumme und Goldziher zu anderen Gelehrten des frühen 20. Jahrhunderts thematisiert. Auf diese Weise lassen sich wissenschaftliche Netzwerke rekonstruieren.
Der Begriff Berber, der auf das Griechische zurückgeht, wird heute von vielen Vertreter:innen dieser indigenen Bevölkerung Nordafrikas als abwertend wahrgenommen. Stattdessen werden der Begriff Imazighen beziehungsweise die Namen einzelner Volksgruppen wie etwa der Imuhagh verwendet. Nach wie vor findet die Bezeichnung "Berber" aber auch in der Wissenschaft Verwendung.
Originalveröffentlichung:
„Berberstudien, Islamwissenschaft und Arabistik in Leipzig“, ISBN-Nr. 978-3-7329-8859-4. Das Buch ist auch online erhältlich.