Pressemitteilung 2019/165 vom

Fast jeder dritte Mensch ist übergewichtig oder krankhaft fettleibig. Auf der Suche nach Ursachen, Therapien und Präventionsmöglichkeiten untersuchen Wissenschaftler der Universität Leipzig seit 2013 im Sonderforschungsbereich (SFB) 1052 „Mechanismen der Adipositas“ die komplexen Mechanismen der Adipositaserkrankung. Vom 2. bis 4. September stellt der SFB aktuelle Ergebnisse dieser Forschung vor, das IFB AdipositasErkrankungen blickt im anschließenden Abschlusssymposium auf zehn Jahre Forschung am IFB zurück. Neben der Rolle der Fettverteilung im Körper und ernährungsbedingter Veränderungen im Gehirn geht es auch um neue Erkenntnisse zur Therapie der Binge-Eating-Störung.

Zur Tagung auf dem Mediencampus der Villa Ida in Leipzig werden rund 120 Teilnehmer erwartet. Aktuelle Wissenschaftsergebnisse aus dem SFB werden in den fünf Schwerpunkten zur Rolle des Gehirns beim Essen, zu Mechanismen der Fettakkumulation, zur Zellstruktur von Fettgewebe sowie zu Stoffwechsel und Immunsystem präsentiert. Im Anschluss zieht das IFB Resümee aus der eigenen Forschungsarbeit und deren klinischer Anwendung.

Ernährung kann neuronale Prozesse verändern

Ergebnisse zur Wechselwirkung von Ernährung und neuronalen Prozessen präsentiert Prof. Dr. Ingo Bechmann, Direktor des Instituts für Anatomie der Medizinischen Fakultät. Die Forscher fanden in ihrer Untersuchung heraus, dass ein Absterben der Immunzellen des Gehirns, den sogenannten Mikroglia, den pathologischen Veränderungen bei Morbus Alzheimer vorausgeht. Vieles spräche dafür, dass die Ernährung – in diesem Falle eine Hochfettdiät – eine wichtige Rolle dabei spielt. Die Mikroglia wandern bereits zum Zeitpunkt der Geburt ins Gehirn und wehren dort Erreger ab, die ins Zentralnervensystem eindringen wollen. Ihre Arbeit kann zum Beispiel durch die Aufnahme langkettiger Fettsäuren gestört werden. In dem Projekt haben die Wissenschaftler diese Hypothese getestet und beschreiben ernährungsbedingte Funktionsveränderungen der Mikroglia.

Mehrere Gene für die Fettverteilung identifiziert

Prof. Dr. Peter Kovacs, IFB-Professor für Adipositas- und Diabetesgenetik und Teilprojektleiter beim SFB, stellt in seinem Vortrag neue Erkenntnisse zur Fettverteilung vor, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung Adipositas-assoziierter Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes spielt. In diesem Forschungsprojekt hat er in genomweiten Assoziationsstudien mehrere Gene für die Fettverteilung identifiziert. In weiteren funktionellen Analysen konnte gezeigt werden, dass viele dieser Gene zu den Entwicklungsgenen gehören und in der Differenzierung und der Funktion der Fettzellen involviert sind. Mit diesen Studien wollen die Wissenschaftler in der Zukunft gerade diese Signalwege besser verstehen, um daraus eventuell neue therapeutische Maßnahmen gegen Adipositas assoziierte Folgekrankheiten entwickeln zu können.

Neue Erkenntnisse zur Therapie der Binge-Eating-Störung

Im Abschlusssymposium des IFB stellt Prof. Dr. Anja Hilbert, IFB-Professorin für Verhaltensmedizin, einen Überblick über die Symptomatik der Binge-Eating-Störung in verschiedenen Lebensaltern und deren psychologische und medizinische Behandlung vor. Menschen mit einer Binge-Eating-Störung leiden unter regelmäßig wiederkehrenden Essanfällen. Dabei nehmen sie deutlich mehr Nahrung zu sich als üblich und haben das Gefühl, die Kontrolle über ihr Essverhalten zu verlieren. Essanfälle betreffen bereits Kinder und Jugendliche, führen zu Leid sowie zu Übergewicht und Adipositas. In Hilberts aktuellen Arbeiten zeigt sie, dass die Binge-Eating-Störung sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen wirksam mit der Kognitiven Verhaltenstherapie behandelbar ist, die zu einer Stabilisierung des Körpergewichts führt. Der Vortrag beleuchtet, wie wirksam neue Entwicklungen sind, die die Selbstregulation der Betroffenen im Umgang mit Nahrung verbessern.

Adipositas-Forschung in Leipzig
Die Adipositas-Forschung ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Universität Leipzig. Auch der Wissenschaftsrat attestierte dem Standort herausragende Kompetenzen in diesem Bereich. Der SFB 1052 „Mechanismen der Adipositas“ untersucht drei zentrale Schwerpunkte: Überernährung, Fetteinlagerungen und Entzündung des Fettgewebes sowie die veränderte Adipokinsekretion. Die Wissenschaftler erforschen ursächliche Mechanismen, um zum besseren Verständnis der multifaktoriellen und gesellschaftlich relevanten Erkrankung Adipositas beizutragen.
Im IFB AdipositasErkrankungen erforschen rund 50 Wissenschaftler und Ärzte starkes Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Das Themenspektrum der wissenschaftlichen Arbeit im IFB AdipositasErkrankungen reicht von der Erforschung von psychosozialen Aspekten, Adipositas-Genen, Hormonen der Fettzellen, Adipositas bei Kindern, Gehirnaktivitäten bis hin zu chirurgischen Therapieansätzen.