1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Ich erinnere mich an den großen Hörsaal, in dem die Vorlesungen stattfanden, die vielen Kommilitonen (wir waren 300 Erstsemestler) und die in der Anfangszeit vorherrschende allgemeine Verunsicherung, was Ablauf und Inhalte des Studiums angeht. Gerade dabei hat jedoch sehr geholfen, dass unser Studienbeginn seitens der Fakultät gut organisiert war. Wir erhielten einen Stundenplan, in dem alle Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften des ersten Semesters verzeichnet waren, eine Führung durch die Juristenbibliothek und die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu Studenten höherer Semester, die uns in kleinen Gruppen auf dem Universitätsgelände herumführten und geduldig alle Fragen beantworteten.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Im Großen und Ganzen war das Studium gut organisiert, die Dozenten kompetent und motiviert. In den ersten Semestern steht der Besuch der Vorlesungen und der Arbeitsgemeinschaften im Vordergrund, in den letzten beiden Semestern vor dem ersten Staatsexamen ist das Studium vor allem Selbststudium, was eine gewisse Eigenmotivation und Planung erfordert, aber durch die universitären Angebote zur Examensvorbereitung (Leipziger Examensoffensive) gut ergänzt wird. Zuweilen ist das Studium der Rechtswissenschaften etwas theorielastig, da man lediglich durch die Pflichtpraktika in den Semesterferien erste Einblicke in die praktische Tätigkeit erhält, dennoch durch die Vielzahl der Rechtsgebiete, die im Zuge des Studiums behandelt werden, auch abwechslungsreich.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Nein, ernsthaft gezweifelt habe ich nie. Das lag sicherlich auch daran, dass ich mich im Vorfeld bereits näher mit den Inhalten und dem Ablauf des Studiums sowie den verschiedenen beruflichen Perspektiven beschäftigt hatte. Dennoch gibt es sicherlich Phasen während des Studiums, in denen man sich neu motivieren muss.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Für mich stand bereits früh fest, dass für mich nur der Studiengang der Rechtswissenschaften in Betracht kommt. Die Attraktivität des Studiengangs lag für mich vor allem darin, dass man mit Erhalt des Abschlusses so vielfältige Berufsperspektiven hat. 

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Ich habe mich direkt nach dem zweiten Staatsexamen für den höheren Justizdienst in Sachsen beworben und wurde zum 01.09.2009 eingestellt. Im ersten Jahr war ich Richterin am Sozialgericht in Dresden mit einer Kammer, die über Klagen gegen Bescheide der Jobcenter im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu entscheiden hatte. Im zweiten Jahr wurde ich dem Amtsgericht in Grimma zugewiesen und habe dort vor allem zivilrechtliche Streitfälle entschieden. Danach war ich bei der Staatsanwaltschaft Leipzig tätig, zunächst in der Zweigstelle in Torgau und dann direkt in Leipzig. Dort bin ich mit der Verfolgung von allgemeinen Straftaten und ausländerrechtlichen Delikten betraut. Bei der Staatsanwaltschaft Leipzig bin ich nun nach Abschluss der Probezeit von drei Jahren auch als Beamtin im höheren Justizdienst auf Lebenszeit ernannt.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Dem Studium der Rechtswissenschaften liegt das Konzept des „Einheitsjuristen“ zugrunde. Das bedeutet, dass das Studium alle drei großen Rechtsgebiete (Strafrecht, Zivilrecht und Öffentliches Recht) gleichermaßen umfasst und somit grundsätzlich jeder Absolvent jeden juristischen Beruf ausüben kann. Damit geht jedoch auch einher, dass man sich im Verlauf des Studiums nur in sehr engen Grenzen spezialisieren kann. Vielmehr dient das Studium eher dazu, sich das juristische Handwerkszeug für die spätere praktische Tätigkeit anzueignen und einen Gesamtüberblick und einen Grundstock an theoretischem Wissen zu erarbeiten. Damit ist man dann später in der Lage, bei rechtlichen Problemstellungen zu erkennen, welche Rechtsbereiche das Problem berührt, welche Gesetze Anwendung finden etc. Erst im Referendariat nach dem ersten Staatsexamen hat man die Möglichkeit, dieses Wissen bei der Bearbeitung realer Fälle anzuwenden. Für die tägliche Arbeit im Berufsleben ist häufig eine gewisse Spezialisierung unumgänglich und man muss das vorhandene Wissen in dem Rechtsbereich, mit dem man vermehrt zu tun hat, festigen und vertiefen.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Als Staatsanwalt arbeitet man eng mit den Polizeibehörden zusammen. Bei der Polizei gehen die Mehrzahl der Anzeigen von Bürgern ein. Diese angezeigten Sachverhalte werden dann dort ausermittelt und anschließend als Akte mit dem Ergebnis der Ermittlungen dem Staatsanwalt vorgelegt. Als Staatsanwalt muss man entscheiden, ob ggf. weitere Maßnahmen oder Ermittlungen notwendig sind (z.B. Befragung weiterer Zeugen, Durchsuchungsmaßnahmen, Antrag auf Untersuchungshaft etc.) oder das Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden kann. Sofern das Verfahren abschlussreif ist, entscheidet die Staatsanwaltschaft ob dasselbe eingestellt wird (z.B. aus Mangel an hinreichenden Beweismitteln oder weil kein Straftatbestand erfüllt ist) oder ob Anklage gegen den Beschuldigten erhoben wird. In diesem Fall kommt es dann zu einer Gerichtsverhandlung an der man selbst oder ein Kollege als Sitzungsvertreter teilnimmt.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

1. Sprachkompetenz

Wichtig ist, dass man sich der Situation entsprechend sprachlich ausdrücken kann. Einerseits muss man sicherlich das „Juristendeutsch“ beherrschen, andererseits darf man aber auch nicht die Fähigkeit verlieren, sich in einfachen Worten auszudrücken – gerade wenn es um die Kommunikation mit Bürgern in Gerichtsverhandlungen, z.B. Angeklagten und Zeugen in Strafverfahren, geht.

2. Durchsetzungsvermögen und Sozialkompetenz

Als Jurist ist man mehr oder weniger stets damit beschäftigt, Konflikte anhand der rechtlichen Vorgaben zu lösen. Dabei gerät man oft zwischen die Fronten bzw. muss – gerade als Staatsanwalt – Positionen im Sinne des Strafinteresses der Allgemeinheit vertreten, die sich für andere Menschen als sehr unbequem darstellen können. Dabei sollte man aber dennoch nicht vergessen, dass man Menschen gegenüber sitzt. Je nach Situation muss man daher auch entsprechendes Einfühlungsvermögen zeigen können. 

3. Logisches Denken und schnelle Auffassungsgabe

Der Umgang mit Gesetzen erfordert logisches Denkvermögen. Eine schnelle Auffassungsgabe ist notwendig, weil zum einen das Arbeitsvolumen nicht unbeträchtlich ist und man zum anderen in Gerichtsverhandlungen Sachverhalte verstehen und in den rechtlichen Kontext einordnen können muss und in der Lage sein muss, ohne große Verzögerung auf neue Aspekte zu reagieren.

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Vor allem ein sehr guter Abschluss mit Prädikatsexamen bietet – vor allem im höheren Justizdienst - eine sehr gute Grundlage für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Positiv wirken sich stets auch der Erwerb von Alleinstellungsmerkmalen (spezielle rechtliche Kenntnisse, Fremdsprachenkenntnisse, Doktortitel etc.) aus. Praktische Erfahrungen über die Pflichtpraktika hinaus sind ebenfalls von Vorteil, zumal dabei auch häufig erste wertvolle Kontakte geknüpft werden, woraus sich nicht selten auch ein konkretes Stellenangebot ergibt.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Wichtig ist, bei der Vielzahl der ersten Eindrücke und der anfangs notwendigen organisatorischen Dinge nicht den Mut zu verlieren. Hier kann insbesondere helfen, sich mit Studenten der höheren Semester auszutauschen. Wer von Anfang an aktiv studiert und den Vorlesungsstoff an der ein oder anderen Stelle auch mal nachbereitet und vertieft, wird das Studium auch erfolgreich abschließen können. Sofern die Zeit dies zulässt ist es für den beruflichen Einstieg auf jeden Fall von Vorteil, die Fremdsprachenangebote der Universität zu nutzen und neben den Vorlesungen praktische Erfahrungen zu sammeln.

Persönliche Angaben

  • Name: Jana Holland
  • Geburtsjahrgang: 1983
  • Studiengang: Rechtswissenschaften
  • Jahr der Immatrikulation: 2002
  • Jahr der Exmatrikulation: 2007
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Freistaat Sachsen, Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Leipzig

(Interview Stand Juni 2013)