1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Ich weiß nicht, ob es der erste Tag war, aber es war eine der ersten großen Einführungsvorlesungen, an die ich mich sehr gut erinnere. Die war in einem der großen Hörsäle im damals neuen Hörsaalgebäude an der Universitätsstraße.

Mein erster Eindruck war: Studium ist etwas ganz anderes als Schule, insbesondere die Selbstbestimmtheit und Eigenständigkeit, die Größe und die vielen sehr verschiedenen Menschen. Das passte aber natürlich auch zum insgesamt neuen Lebensgefühl, weg von der Familie und den alten Freunden in einer neuen Stadt mit sehr vielen Möglichkeiten zu studieren. 

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Mein Studium war breit gefächert. Es war geprägt von der Auseinandersetzung mit theoretischen Inhalten auf der einen Seite und dem Erlangen von methodischen Kenntnissen und deren Anwendung auf der anderen Seite. Dazu gehört viel Zeit in Vorlesungen und Seminaren, in den vielen guten Bibliotheken der Uni, aber auch zu Hause und im Austausch mit anderen Studierenden und Lehrenden.

Neben der inhaltlichen Breite fand ich aber auch die Möglichkeit mich auf einen Bereich die Bildungs- und Familiensoziologie zu vertiefen. Was mir auch sehr gut am Studium gefallen hat, war die Möglichkeit in andere Disziplinen zu schnuppern. So besuchte ich Veranstaltungen der Kulturwissenschaften, Philosophie, Geschichtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, ich habe an meiner Studienwahl gezweifelt. Aber ich denke, dies ist im Laufe eines Studiums ein normaler Vorgang. Nicht alle Inhalte gefielen mir, einige lernte ich auch erst später zu schätzen. Im Nachhinein ist man klüger und ich hatte das notwendige Durchhaltevermögen. Insgesamt bin ich mit meiner Studienwahl zufrieden, auch mit den verschiedenen Möglichkeiten in einen Beruf einzusteigen. 

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

In der Schule habe ich den Leistungskurs Geschichte belegt und war interessiert an gesellschaftlichen Zusammenhängen und Problemen, schließlich leben fast alle Menschen in Gesellschaften. Was bringt bspw. die demografische Alterung für gesellschaftliche Folgen mit sich? Und noch spannender (während des Studiums): Wie entsteht überhaupt ein gesellschaftliches Phänomen durch individuelle Handlungen? 

Geschichte habe ich schließlich nicht studiert, weil ich zusätzlich zu dieser eher theoretisch geprägten Disziplin noch etwas mehr wollte. Mit den Methoden der empirischen Sozialforschung fand ich dies. Dies war auch einer der Bausteine für die Entscheidung nach Leipzig zu kommen. 

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Alle beruflichen Stationen, die ich bis heute hatte, betrachte ich als wichtig. Während des Studiums hatte ich verschiedene kleine Jobs, die mir vollkommen andere Arbeitsbereiche abseits des Studiums und meines heutigen Berufs zeigten.

Während des Studiums zum Ende meines Bachelor-Studiums und im Master-Studium war ich am Institut für Soziologie zunächst als studentische und später als wissenschaftliche Hilfskraft tätig. Dies gab mir erste Einblicke in Forschung und Hochschullehre. Nach dem Master-Studium war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Teilprojekt des Nationalen Bildungspanels (NEPS) tätig und konnte somit an einer der größten europäischen Studien mitwirken. Hier sammelte ich Berufserfahrung insbesondere hinsichtlich der methodischen Arbeit eines Soziologen. Nun bin ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Bildungsmonitoring im Bundesprojekt „Bildung integriert“ für die Stadt Jena tätig. 

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Mein Studium ist sehr hilfreich in meiner gegenwärtigen beruflichen Tätigkeit und ich kann sehr viel meines Wissens aus dem Studium anwenden. Im Studium habe ich mich auf die Analyse von Gegenwartsgesellschaften konzentriert, insbesondere auf Bildungs- und Familiensoziologie sowie auf Methoden der quantitativen empirischen Sozialforschung.

Als Bildungsmonitorer brauche ich sowohl mein Fachwissen im Bereich der Bildungsforschung als auch meine methodischen Kenntnisse im Bereich der Datenanalyse. Ich erstelle Bildungsberichte, die statistische Analysen sowie Fachwissen zu Bildungsthemen enthalten, führe eigene Befragungen durch und vieles mehr. Besonders wichtig ist hier auch die Präsentation und Kommunikation von Ergebnissen des Projekts. Ich bewege mich hier an der Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Wissenschaft. 

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Einen typischen Arbeitstag gibt es an sich nicht. Zu meinen Tätigkeiten als Bildungsmonitorer gehören viele Dinge: Ich muss auf dem aktuellen Stand zu Bildungsstudien zu sein, bin Ansprechpartner für Statistiken zu Bildungsfragen, erstelle Berichte und Analysen, bin als Experte in verschiedenen Arbeitsgruppen und Gremien und noch ein paar Dinge mehr.

8. Was sind die wichtigsten Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • Kritisches Denken
  • Fähigkeit sich in neue Themen- und Arbeitsbereiche einzuarbeiten
  • Methoden der empirischen Sozialforschung

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Es gibt viele Wege in den Berufseinstieg und diese müssen nicht immer gradlinig sein. Ein Studium der Soziologie vermittelt meines Erachtens keinen direkten Beruf, darüber sollte man sich im Klaren sein. Soziologinnen und Soziologen können mit ihren Analysefähigkeiten und methodischen Kenntnissen in vielen Branchen tätig sein. Ich empfehle jedoch, während des Studiums mit Praktika oder Job spezifische Berufserfahrung zu sammeln und in verschiedene Bereiche zu schauen. So kann man bereits in dieser Zeit etwas genauer herausfinden, in welche berufliche Richtung es später gehen soll und sich bereits im Studium in diese Richtung bewegen. Auch persönliche Netzwerke zu knüpfen, kann sehr hilfreich für den Berufseinstieg sein.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfängerinnen und -anfängern mit auf den Weg geben?

Man sollte sich bereits vor dem Beginn eines Studiums fragen, was einen besonders interessiert, vielleicht sogar, womit man einen großen Teil seines Lebens verbringen kann. Wenn dieser Schritt gemacht wurde, dann sollte man sich ebenfalls vor dem Studium genau mit dem Studiengang auseinandersetzen, den man im Auge hat. Natürlich weiß man nicht haargenau, ob der Studiengang dann zu einem passt, aber man weiß, ob die Richtung stimmt. Während des Studiums sollte man darauf achten, was einem besonders interessiert, um sich darin eventuell zu vertiefen. Außerdem ist es wichtig, während des Studiums mit Praktika oder Jobs in verschiedene Berufsbereiche zu schauen und abzugleichen, ob die Erfahrungen sich mit den eigenen Erwartungen decken. 

Persönliche Angaben

  • Name: Jan Wiescholek
  • Geburtsjahrgang: 1989
  • Studiengang: Soziologie B.A., Soziologie M.A.
  • Jahr der Immatrikulation: 2009
  • Jahr der Exmatrikulation: 2015
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Stadt Jena, wissenschaftlicher Mitarbeiter Bildungsmonitoring

(Interview Stand April 2020)