1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Oh, das war alles herrlich aufregend und neu! In Scharen strömten wir, mit einer Mischung aus Neugier und Scheu, in diverse Einführungsveranstaltungen, wo uns bald klar wurde, dass die Schule uns nicht wirklich auf das Studium vorbereitet hatte. Hinzu kam, dass wir uns bei den Magisterstudiengängen den Stundenplan selbst zusammenbauen durften/mussten – das war Freiheit und Verantwortung. Aufnehmen, Entdecken, Zurechtfinden. Zum Glück kannte ich Leipzig schon leidlich. Die Uni war damals ein kaum zu überblickender Raum der Möglichkeiten für mich, noch zwischen Ost-Charme und Aufbruch, zentrale Ankerpunkte die alte 'Cafete', der Innenhof, …

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Kurz …, nun ja: Ich habe eher von abstrakten Interessen geleitet und weniger pragmatisch in viele Fachgebiete der Geisteswissenschaften reingeschnuppert, bis ich eine Linie fand. Fachwechsel inklusive. Eine Stellung als SHK und dann ein Stipendium honorierten meine Leistungen im Grundstudium, doch dann kam der Hänger: allgemeine Zweifel am Sinn elfenbeinerner Gedankenwelten und konkrete an den Aussichten mit meiner Studienwahl. Wollte ich wirklich Wissenschaftler werden? Was würde mir bei meinen 'Orchideenfächern' anderes übrig bleiben? Das baute Druck und Blockaden auf. Ich gab also mein Stipendium zurück, ließ das Studium ein paar Jahre ruhen, gründete eine Familie, jobbte, machte mich frei und beendete das Studium dann doch noch ziemlich bravourös – ein Abschluss (im doppelten Sinne) musste her.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Wie gesagt, ich habe viel und lange gezweifelt. Am Studienbetrieb, der mir oft als reiner Selbstzweck ohne Praxisbezug vorkam. Die Sorge, mich in Akribie und Leistungsanspruch zu verstricken. Zwiespalt zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Natur usw. Wäre alles anders gekommen hätte ich mich für Paläontologie oder einen künstlerischen Studiengang entschieden? Keine Ahnung. Mit etwas Abstand gelang es mir schließlich, all das und mich selbst nicht mehr zu ernst zu nehmen. Das half, mich dann doch noch in zwei Jahren durch ein Graecum, ein komplettes Soziologie-Nebenfach- und das Hauptstudium zur Abschlussprüfung zu ackern. Nicht einfach, aber ich bemühte mich um Nüchternheit.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Ich muss schmunzeln rückblickend. Interesse, Blauäugigkeit, Idealismus? Ich wollte schon immer schreiben. Zum Studium kam ich, weil Studieren per se interessant schien, die Fächer waren da beinahe egal. Ich wollte etwas Neues lernen, nichts was mit meinem Abi in Deutsch und Musik zu tun hatte. Geschichte, besonders die Antike, hatte mich in der Schule fasziniert, fremde Völker auch. Also schrieb ich mich zunächst in Alter Geschichte und Ethnologie ein und los ging's. Die Berufsaussichten spielten, muss ich gestehen, gar keine Rolle in diesen Überlegungen. Irgendetwas würde sich schon ergeben. Tat es dann auch, nur war das nicht der bequemste Weg und brauchte seine Zeit. Auch nach dem Studium.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Da waren eine befristete Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter nach dem Abschluss und die Aussicht auf eine Promotion, die mir endgültig verdeutlichten, dass die Wissenschaft als Broterwerb einfach nicht mein Ziel war. Während und nach der Studienzeit kamen eine ganze Reihe Praktika dazu: Verlag, Redaktion, Museum, Agentur. Arbeitslosigkeit und Call-Center parallel, dann einige Buchprojekte und schließlich die Idee, mich mit der Tätigkeit selbständig zu machen, die ich schon immer ausüben wollte – dem Schreiben. Der Kreis schloss sich also, und mittlerweile kann ich als Autor und Texter gut leben. Brauchbare Erfahrungen habe ich überall gesammelt.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Fachliche Bezugspunkte zu meinem Studium habe ich (leider) kaum noch, auch wenn mich bestimmte Themen gar nicht oder sehr langsam loslassen. Kürzlich lernte ich einen Archäologen kennen, den ich bat, mich unbedingt einmal als Grabungshelfer mitzunehmen. Und für ein Gothic-Musikprojekt texte ich inzwischen Chöre auf Latein. Wirklich hilfreiche 'skills', die ich mir im Studium angeeignet habe, sind – neben den Sprachen und einem breiten Wissensfundus – v.a. die Fähigkeit, mir selbständig und gründlich Themen zu erarbeiten und diese darzustellen, kritischer, gewissenhafter Umgang mit Informationen sowie ganz allgemein ein tieferes kulturelles, politisches und historisches Verständnis. (Manchmal stelle ich mich noch als Althistoriker vor. Die Reaktionen sind vielfältig ;)

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Unterschiedlich als Selbständiger. Mal gibt es ein hohes Arbeitsvolumen, das ich gerne übernehme, zumal es sich meist um spannende Projekte handelt. An anderen Tagen bleibt Zeit für Liebhaberprojekte und Literatur. Ich habe viele Freiheiten, kann mir meine Zeit einteilen (gerne arbeite ich spät und stehe spät auf), muss aber auch Administration, Kundenakquise u.dgl. im Blick haben. Das Schreiben an sich ist eine schöne aber einsame Tätigkeit, die viel Selbstdisziplin verlangt. Auf der anderen Seite gibt es Phasen, da ein Termin den nächsten jagt. Immer wieder begegne ich neuen Themen, die ich durchdringen muss, um darüber schreiben zu können. Das ist und bleibt spannend; man könnte auch sagen, ich betreibe weiter Studien.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • mündliche und natürlich schriftliche Kommunikation
  • Disziplin
  • Fantasie

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Beim Quereinstieg über Praktika und Kontakte, am besten schon während des Studiums aufgebaut. Ein Abschlusszeugnis wollte in der Werbe- und Kreativbranche noch niemand von mir sehen, die Qualität meiner Leistung ist ja direkt ablesbar in dem, was ich liefere. Gewichtige Referenzen sind realisierte Projekte, Empfehlungen, Arbeitsproben. Wer kreativ arbeiten will, sollte auch kreativ sein, um seinen Einstieg zu finden, und sich darauf einstellen, dass er mitunter einen langen Atem braucht. Ein Rezept habe ich nicht, aber eine gewisse 'Umtriebigkeit' gilt hier nicht selten als Qualifikation. Einfacher scheint mir der direkte Einstieg aus relevanten Studiengängen, um so mehr, wenn diese den Praxisbezug pflegen, sei es aus Literatur, Kommunikation oder Medien etc.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Ich möchte meine Zeit als Student nicht missen! Eine Zeit, die man genießen und für Experimente, für Auslandsaufenthalte und große innere und äußere Entdeckungsreisen nutzen sollte. Ich vermute mal, dass die heutigen Bachelor-Studiengänge weniger Raum lassen, sich in Freiheit, Idealen und Möglichkeiten zu verirren. Das kann man ambivalent sehen, wichtig ist jedenfalls das richtige Maß: Überlegt Euch frühzeitig, welchen Beruf Ihr später mit Eurem Fach tatsächlich ausüben könnt (und wollt) und orientiert Euch rechtzeitig darauf. Testet in Praktika, ob der Berufsalltag etwas für Euch wäre. Und wer sich zu unsicher ist, der schiebe doch noch ein freiwilliges Jahr oder Work&Travel vor dem Studium ein, um Ideen und Perspektiven zu sammeln.

Persönliche Angaben

  • Name: Pfeiffer, Mathias
  • Geburtsjahrgang:1979
  • Studiengang: Magister Alte Geschichte (HF), Soziologie, Religionswissenschaft (NF)
  • Jahr der Immatrikulation: 2000
  • Jahr der Exmatrikulation:2008
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: freiberuflich selbständig als Autor und Texter

(Interview Stand Juni 2013)