Nachricht vom

Schnell war ein Attribut gefunden: „Das schönste Impfzentrum Sachsens.“ Das war am 14. Dezember 2021, als das Impfzentrum im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli eröffnet wurde. Dieses gemeinsame Projekt von Universitätsklinikum Leipzig und Medizinischer Fakultät der Universität Leipzig sollte der bundesweiten Impfkampagne in der Messestadt einen neuen Schub geben. Mediziner:innen und Pharmazeut:innen beider Einrichtungen, Studierende und Mitarbeiter:innen des Wachdienstes engagierten sich fast zwei Monate in dem festlichen Ambiente der großen Halle am Augustusplatz.

Begonnen hatte alles mit einem Konzept. Erdacht zwischen Vorstand des Universitätsklinikums (UKL) und dem Team um Professor Dr. Michael Schaefer. Das im November 2020 noch vor dem Start der bundesweiten Impfkampagne erstellte Konzept war ursprünglich auch für öffentliche Impfaktivitäten gedacht, aber die Universitätsmedizin durfte lange Zeit nur die Impfungen der eigenen Mitarbeiter und Studierenden übernehmen. Dafür wurde eine Impfstraße zunächst in einem Fakultätsgebäude, später in einem Gebäude des Universitätsklinikums aufgebaut und unter der Leitung des Zentrums für Arbeitsmedizin des Universitätsklinikums betrieben. Als Anfang Dezember 2021 die Erlaubnis zur Unterstützung von Impfungen für die Allgemeinbevölkerung erteilt wurde, entstand innerhalb von zwei Wochen eine zweite Impfstraße und ein Buchungssystem. Zur Zusage der Rektorin der Universität, Prof. Dr. Beate Schücking, das Paulinum als Impfstraße nutzen zu können, kamen sehr viele Zusagen aus dem UKL und der Medizinischen Fakultät, also der gesamten Universitätsmedizin, sich an der Impfkampagne in der Leipziger Innenstadt zu beteiligen.

Einer von 94

Einer von ihnen war Prof. Dr. Wolfgang Nörenberg vom Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie. Er impfte seit 20. Dezember letzten Jahres täglich: „Wie viele Spritzen? Hab kein Kerbholz verwendet. Daher kann ich nicht mehr sagen, wie oft ich persönlich zugestochen habe“, erklärt er in aller Bescheidenheit. Seine „Chefin“, Dr. Svitlana Ziganshyna, die das Impfzentrum seit 11. Januar 2022 leitete, weiß es jedoch genauer. Die Anzahl der durch Unterschrift und Stempel verantworteten Impfungen geben Auskunft: „2.075 Impfungen gehen auf das Konto von Professor Nörenberg. Ungefähr ähnlich viele Impfungen hat er zudem im Haus am Park des Universitätsklinikums verimpft“, berichtet sie.

Insgesamt waren es 94 Impfärzt:innen. Im Schnitt hat jeder von ihnen ca. 100 Impfungen verabreicht. Einige wenige zwischen 200 und 400. Zur Statistik gehört auch, dass in den neun Betriebswochen 12.725 Impfungen durchgeführt wurden. Davon 611 Impfungen bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren, das waren 4,8 Prozent seit dem 11. Januar. Alles ohne Wartezeiten. Über alle Altersgruppen hinweg wurden 93 Prozent Auffrischungs-, also Boosterimpfungen, ausgeführt. Und es gab auch schon 36 Bürger:innen, die sich ihre vierte Spritze abholten.

Impfen gehört nicht zum Tagesgeschäft

Prof. Nörenberg gehörte zu jenen, die sich über die komplette Tagesöffnungszeit einen weißen Arztkittel überzogen und mit den studentischen Hilfskräften in einer der vier Kabinen im Paulinum impften. „Die Zusammenarbeit mit ihnen war außerordentlich gut“, war er voller Lob für die angehenden Mediziner:innen. „Ohne sie wäre ja das ganze Projekt auch nicht durchführbar gewesen. Zudem haben ja die Studierenden den Löwenanteil der praktischen Arbeit gestemmt. Mit diesen werdenden Ärzt:innen muss einem um die Zukunft des Gesundheitswesens nicht bange sein.“

Aus der Überzeugung, einem guten Zweck zu dienen und weil es zeitlich für ihn machbar war, kam Nörenberg wie die anderen, zu denen auch die Rektorin und viele Leiter:innen von medizinischen Fachinstituten gehörten, ins Paulinum. „Nein, als Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie gehöre ich eher zum theoretischen Zweig der Medizin und bin folglich überwiegend mit Grundlagenforschung und Lehre befasst“, erklärt der 66-Jährige seinen Ausflug in das reine medizinische Fach der Impfungen. „Als gelernter Schwachstromelektriker (Elektrophysiologe) befasse ich mich mit der Funktionsweise und Steuerung von Ionenkanälen. Dazu gehören vorrangig die sogenannten P2X-Rezeptoren, wichtig unter anderem im Rahmen von Schmerzereignissen und Immunreaktionen, wie auch ein anderer Kationenkanal, TRPM7, der, soweit bekannt, alle Zelle mit dem überlebenswichtigen Mineral Magnesium versorgt.“

Er war nicht der einzige, der sich fern seiner akademischen Arbeit mit dem Impfen gegen COVID-19 befasste. Kinderärzt:innen waren mit genauso dabei wie Arbeitsmediziner:innen und weitere nicht medizinisch praktizierende Wissenschaftler:innen. Eben alle, die von der Fachausbildung her das Impfen mit auf dem Stundenplan hatten oder haben.

Der große Aufzug

In einem separaten Raum für die Herstellung, verhüllt in blauen Schutzanzügen, um den wertvollen Impfstoff sachgerecht vorzubereiten und in die Spritzen zu überführen, sorgten Mitarbeiter:innen und Studierende des Instituts für Pharmazie und des Instituts für Wirkstoffentwicklung für den Nachschub an den beiden Impfstoffen von Moderna und BionTech/Pfizer. Prof. Michael Schaefer und anschließend Dr. Svitlana Ziganshyna fanden in dem Team der Pharmazie verlässliche Partner. Professorin Michaela Schulz-Siegmund berichtete, dass man zwar konzentriert und gewissenhaft gearbeitet habe und „doch Spaß bei der Arbeit hatte. Es war die Begeisterung unserer Pharmaziestudierenden zu spüren, weil sie etwas bewegen konnten.“ Jeweils drei Studierende, Assistent:innen oder Doktorand:innen teilten sich gemeinsam mit einer/m Apotheker:in die Arbeit des Aufziehens der Spritzen. Neben Michaela Schulz-Siegmund koordinierten Professor Thilo Bertsche und Dr. Yvonne Remane, Direktorin der Apotheke des Universitätsklinikums, die Vorbereitung des Impfstoffs. „Durch das spontane und hoch motivierte Engagement der Pharmazie hat zur rechten Zeit immer genügend Impfstoff zur Verfügung gestanden“, resümiert dankend Svitlana Ziganshyna.

Zum Abschluss das Dankeschön

Und apropos Dank: Der wurde stellvertretend für alle dem „Dauerimpfer“ Professor Nörenberg überbracht. Am letzten Impftag überraschten ihn und die Studentin Rebecca Hopkins eine kleine Delegation in seiner Impfkabine. Svitlana Ziganshyna hatte einen Blumenstrauß und einen Gutschein für das Leipziger Gewandhaus, die beide vom UKL-Vorstand gestiftet wurden, in den Händen. Ein Dankeschön für das Engagement über eine so lange Zeit. „Ja, aber noch mehr würde es mich freuen, wäre es möglich, mit weiteren Kolleg:innen diesen Dank zu teilen. Sie haben, meiner Meinung nach, alle eine Anerkennung verdient“, betont Nörenberg. Seine Augen lächeln verschmitzt über der Maske durch die tiefer gezogene Brille. Dann legt er die Blumen und den Gutschein beiseite, bittet die Anwesenden hinaus und widmet sich der nächsten Bürgerin, die sich eine der letzten Boosterimpfungen in dem „schönsten Impfzentrum Sachsens“ geben lassen wollte.