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Seit 2011 entwickelt ein kleines Team der Slavistik an der Universität Leipzig das ständig wachsende Ukrainisch-Deutsche Wörterbuch (UDEW). Derzeit wird dieses Wörterbuch stark nachgefragt, sowohl gedruckt, als auch in einer Online-Version. Es ist das einzige in dieser Form im deutschsprachigen Raum. Noch unklar ist allerdings, wie es in Zukunft mit dem Projekt weitergeht.

Aus dem Lehrpraxisbedarf entstanden

„Das Wörterbuch ist aus der Lehrpraxis entstanden“, sagt Dr. Kersten Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Slavistik und einer der zwei Autoren des Wörterbuchs. Krüger lehrt und forscht unter anderem zu Ostslawischer Phonologie und Phonetik, Ukrainischer Sprache der Gegenwart sowie zum Sprachvergleich Russisch-Ukrainisch-Deutsch. „Als 1993 der Magisterstudiengang Ostslawistik an der Uni eingeführt wurde, war das einzige große ukrainisch-deutsche Wörterbuch, das man mit etwas Glück antiquarisch im deutschen Sprachraum kaufen konnte, der Nachdruck eines Werks von 1943“, sagt er. Daher habe er selbst angefangen, ukrainische Wörter und ihre deutsche Bedeutung als Beispiele für die eigenen Lehrveranstaltungen zu sammeln. Diese speicherte er anfangs in einer Datei. Schon bald entstand daraus die Idee für ein kleines Wörterbuch.

Interdisziplinäres Team analysiert öffentlich zugängliche Quellen

„Der Vorteil war, dass wir bereits eine technische Basis für ein digitales Wörterbuch hatten, die für das Russisch-Deutsche Universalwörterbuch als Teil des Projekts „Russisch aktuell“ entwickelt worden war“, so Krüger. Diese Software ist für viele Sprachen geeignet. „Sie speziell an die Anforderungen des Ukrainischen anzupassen war auch für unseren Kollegen aus dem Universitätsrechenzentrum, Horst Rothe, interessant.“ Noch bis heute betreut Rothe die Software und entwickelt sie weiter, mittlerweile aus dem Ruhestand. Für die Datenbasis konnte Dr. Kersten Krüger frei in der Ukraine zugängliche Werke nutzen, wie beispielsweise einsprachige Wörterbücher. Mittlerweile kann das Team zudem die Ergebnisse des sehr umfangreichen Wortschatz-Projekts der Uni Leipzig einfließen lassen. Im Projekt wird auch für das Ukrainische eine Menge an Wörtern in ihren jeweiligen Erscheinungsformen automatisch aus öffentlichen Quellen erfasst, wie beispielsweise aus Online-Zeitungen. Zu jeder Wortform wird neben Verwendungsbelegen jeweils angegeben, wie häufig dieses in den ukrainischen Quellen vorkommt – eine wichtige Basis für das Team bei der Priorisierung von neuen Einträgen. Der so erfasste Wortschatz habe kaum noch etwas mit dem aus dem Wörterbuch von 1943 zu tun, sagt Dr. Kersten Krüger, und die ukrainische Sprache entwickele sich seit Jahren rasant ständig weiter.

Ukrainerinnen leisten wichtige Übersetzerarbeit

Gleich von Anfang an bezog Dr. Kersten Krüger ukrainische Muttersprachlerinnen als wissenschaftliche Hilfskräfte mit ein. Alle wissenschaftlichen Hilfskräfte sind im Vorwort erwähnt. „Sie leisten ein wichtiges Kernstück der Arbeit“, betont er. Denn sie seien diejenigen, die die eigentlichen Übersetzungen ins Deutsche vornehmen. „Wichtig ist, dass sie tatsächlich muttersprachliche Kompetenz im Ukrainischen haben, gut Deutsch können und auch technisch affin sind“, so Krüger. Derzeit ist es Valeriia Nerubalska, die jede Woche etwa 200 Wörter von Dr. Kersten Krüger geschickt bekommt. „Sie recherchiert die deutsche Bedeutung, teilweise entnimmt sie diese auch unserem Deutsch-Russischen Wörterbuch, sofern das passt. Natürlich achtet sie darauf, dass nichts übernommen wird, was nur fürs Russische und nicht fürs Ukrainische gilt. Anschließend prüfe ich nochmals die grammatischen Angaben zum ukrainischen Eintrag und dann den deutschen Teil, und wir klären etwaige Fragen. Dann werden die Wörter automatisch in die Computer-Version übernommen und mit bereits vorhandenen vernetzt.“ Valeriia Nerubalska war auch diejenige, die die Willkommensseite für ukrainische Flüchtlinge in der Leipziger Volkszeitung übersetzt hat – etwas, was es wohl nicht überall in Deutschland gab.

„Seit Kriegsbeginn haben sehr viel mehr Leute auf unser Wörterbuch zugegriffen als zuvor“, berichtet Krüger. Die erste gedruckte Hardcover-Ausgabe ist inzwischen ausverkauft. „Das Wörterbuch und das Projekt ist auf seine Art schon etwas Besonderes in Deutschland“, so der Ostslawistik-Experte.

Weiterentwicklung ungewiss

Doch so offensichtlich der Bedarf an Ukraine-Expertise derzeit ist, so unsicher ist es, wie es mit dem Wörterbuch an der Universität in einem Jahr weiter geht. Denn dann geht Dr. Kersten Krüger in den Ruhestand. „Bis jetzt ist nicht geklärt, von wem danach das Wörterbuch als Universitätsprojekt weitergeführt werden kann. Natürlich werde ich auch im Ruhestand weiter daran arbeiten. Aber es muss auch organisatorisch in der Uni verankert sein“, so Krüger.

„Uns war schon seit Jahren bewusst, dass die Ukraine als ein fast unmittelbarer Nachbar eine bedeutende Rolle für uns spielt“, sagt er. Das solle sich wieder mehr niederschlagen: in der Ausbildung, in der Forschung, in der Zusammenarbeit, so der Ostslawistik-Experte. „Wir haben ein großes Interesse daran, eine Art Ukrainezentrum an der Uni einzurichten.“ Eine solche Stelle werde gebraucht, nicht nur um das Wörterbuch weiterzuführen, sondern auch um Lehrpläne weiterzuentwickeln, ukrainische Gast-Lehrkräfte zu integrieren und natürlich weiter zur Ukraine zu forschen. „Wir müssen auch an unsere Studierenden denken, die ins ostslawische Ausland gehen wollen, um die dortigen Sprachen, Kulturen und Gesellschaften vor Ort zu studieren. Wenn nun die Zusammenarbeit mit Russland und Belarus schwieriger wird, ist zu erwarten, dass sie sich vermehrt in die Ukraine begeben werden, worauf sie auch vorbereitet werden sollten. Es besteht eine große Notwendigkeit, sich dieser neuen Ausrichtung zu stellen. Das sind Dinge, die wir nun brauchen und für die wir uns jetzt einsetzen werden.“

Verfügbare Formate des Wörterbuchs

Digitale Ausgabe

Diese Computer-Anwendung ist die umfangreichste Variante des Wörterbuchs. Sie kann unter Windows als Demoversion installiert und für 20 Tage kostenlos vollumfänglich genutzt werden. Sie beinhaltet unter anderem Hinweise zur Stilistik, Herkunft, Synonymen und enthält auch Eigennamen. Texte können in eine Anwendung importiert werden, in welcher an der Cursorposition die deutschen Entsprechungen für die einzelnen Wörter anzeigt werden. Für eine dauerhafte Anwendung ist eine einmalige Lizenz nötig (59,00 Euro). Diese ist über den Harrassowitz Verlag erhältlich. Die Sprachrichtung Deutsch-Ukrainisch wird mit andersartiger Funktionalität ebenfalls unterstützt.

Updates sind dann kostenlos, Upgrades mit Funktionserweiterungen sind kostenpflichtig.

Demoversion
Vollversion

Die kostenlose Online-Version, die auch unterwegs auf dem Handy genutzt werden kann, erlaubt den Zugriff auf den gesamten Wortschatz des digitalen Wörterbuchs. Die Spezialfunktionen der digitalen Ausgabe stehen aber nicht zur Verfügung.

Taschenbuchausgabe

Die broschierte Ausgabe enthält einen Grundwortschatz für den Alltag mit etwa 30.000 Einträgen. Sie kann über den Harrassowitz Verlag für 39 Euro gekauft werden.

Hardcover-Ausgabe

Diese Ausgabe ist derzeit vergriffen. Für September 2022 ist eine neue Ausgabe inklusive Lizenz für die digitale Version geplant. Sie ist allerdings im Bestand der Universitätsbibliothek verfügbar.