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Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig trauert um Prof. Dr. Ernst-Heinz Amberg, der am 11. Dezember 2020 in der Mitte seines 94. Lebensjahres verstorben ist. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, die diesen Verlust nun in schwierigen Zeiten zu tragen hat. Aufgrund der gegenwärtig geltenden Beschränkungen muss die Trauerfeier auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

„Aus diesem Grund kann ich hier im Senat auch nicht einer Willenserklärung zustimmen, in der der Neubau akzeptiert und begrüßt wird, der den Abbruch der Universitätskirche zur Voraussetzung hat.“ – Mit diesen Worten endete eine denkwürdige Stellungnahme von Ernst-Heinz Amberg. Formuliert hat er sie am 16. Mai 1968 in seiner Eigenschaft als Dekan der Theologischen Fakultät und stimmberechtigtes Mitglied des Akademischen Senats der Leipziger Karl-Marx-Universität. Zur Debatte stand in der damaligen Senatssitzung die „Umgestaltung“ des Leipziger Augustusplatzes, der zwischen 1945 und 1990 Karl-Marx-Platz hieß. Entscheidend war dabei der Abriss der Paulinerkirche, eine Machtdemonstration des Ulbricht-Regimes. Mit seiner Stimmenthaltung im Senat hat Amberg im spätstalinistischen Totalitarismus vielleicht mehr Mut bewiesen, als ihn ein Universitätslehrer unter demokratisch-rechtstaatlichen Bedingungen in seinem ganzen Berufsleben aufbringen muss.

Der am 11. Juni 1927 in Kayna bei Zeitz geborene und aus einem evangelischen Pfarrhaus stammende Ernst-Heinz Amberg hat nach seiner Freilassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1946 ein Studium der evangelischen Theologie in Leipzig begonnen. Er ist unserer Universität – vom Examen über die wissenschaftlichen Qualifikationen bis zur Dozentur und schließlich zur ordentlichen Professur – treu geblieben. 1992 wurde er emeritiert, wirkte aber darüber hinaus noch bis 1995 als Erster Universitätsprediger; bereits im April 1968 war er von Superintendent Herbert Stiehl in der Leipziger Thomaskirche zum Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens ordiniert worden und vertrat überdies 18 Jahre lang die Sektion Theologie der Landessynode. Aufgrund seines – leider folgenlos gebliebenen – Widerspruchs gegen die Zerstörung der Universitätskirche sowie seiner – durchaus erfolgreichen – Opposition gegen die Ende der 60er Jahre staatlicherseits verfolgten Pläne zur Liquidierung der universitären Theologie galt er nach der Wiedervereinigung als ein vertrauenswürdiger Hochschullehrer und wirkte in verantwortungsvollen Gremien zur Erneuerung der Universität mit.

Ernst-Heinz Amberg war Schüler des lutherischen Theologen Ernst Sommerlath (1889-1983), dessen Nachfolger er 1959 wurde. Seine (ungedruckt gebliebene) Dissertation behandelte „Die Autorität der Heiligen Schrift in der deutschen evangelischen Dogmatik seit der Jahrhundertwende“. Die Habilitation, deren 1966 erschienene Druckfassung seinem akademischen Lehrer gewidmet ist, trägt den Titel „Christologie und Dogmatik. Untersuchung ihres Verhältnisses in der evangelischen Theologie der Gegenwart“. Darin setzte er sich mit dem radikal-christologischen Denken des reformierten Theologen Karl Barth auseinander – an einer so stark lutherisch geprägten Fakultät wie der Leipziger alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Im Jahre 1992 hat Ambergs Schüler und Nachfolger Martin Petzoldt (1946-2015) eine Reihe theologischer Aufsätze und Betrachtungen aus der Feder seines Lehrers publiziert.

Die enorme Belesenheit, von der Ambergs inhaltlich anspruchsvolle, dabei aber verständlich-unterhaltsam gehaltene Vorlesungen zeugten, hatte auch mit seiner Tätigkeit für die „Theologische Literaturzeitung“ zu tun. Dabei handelt es sich um eine bereits 1876 gegründete und bis heute erscheinende Rezensionszeitschrift für die Wissenschaftsgebiete Theologie und Religionswissenschaft. Bereits seit 1971 war Amberg hier für die Redaktion verantwortlich; nach dem Tod von Sommerlath übernahm er auch dessen Amt als Herausgeber, das er bis 1985 innehatte.

Mit Ernst-Heinz Amberg verlieren wir einen menschlich integren und kirchlich engagierten theologischen Wissenschaftler, der bis heute vielen ehemaligen Leipziger Studentinnen und Studenten als anregender und freundlicher akademischer Lehrer in Erinnerung ist.

 

Prof. Dr. Rochus Leonhardt
(Institut für Systematische Theologie)

Prof. Dr. Dr. Andreas Schüle
(Dekan der Theologischen Fakultät)