Ein Leipziger in Italien. Richard Wagners Lohengrin in Bologna, 1871
Prof. Dr. Axel Körner zeigt, wie Richard Wagner in Bologna als revolutionärer Kulturvermittler gefeiert wurde und beleuchtet die politische und kulturelle Bedeutung seiner Rezeption jenseits nationalistischer Deutungen.
Bei Richard Wagner denken wir vor allem an Leipzig, Dresden und Bayreuth, vermutlich auch an den Lieblingskomponisten Adolf Hitlers, an den Wagner, der in Auseinandersetzung mit dem erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts, Giacomo Meyerbeer, seinen rassistisch begründeten Anti-Semitismus entwickelte. Doch als 1871 mit Lohengrin erstmals eine Oper Richard Wagners auf dem Spielplan eines italienischen Theaters erschien, wurde dort vor allem der Revolutionär der Dresdner Barrikaden von 1849 gefeiert, der angebliche Freund Michail Bakunins, der die Bauern der Romagna zum Aufstand aufrief: ein Komponist, der in mancher Hinsicht an den Wagner der DDR erinnert, wie wir ihn vielleicht noch aus den Programmheften unserer Theater und den Beilagen der Eterna-Schallplatten kennen.
Für die links-demokratische Stadtregierung Bolognas war die spektakuläre Inszenierung von Wagners Lohengrin Sinnbild des Aufbruchs in die Moderne und eines kulturellen Brückenschlags nach Europa. Als dann auch noch die wissenschaftliche Prominenz aus ganz Europa der italienischen Erstaufführung beiwohnte, ging die Rechnung auf: Bologna, die frühere Hauptstadt der päpstlichen Legationen, stolz auf seine 1088 gegründete, älteste Universität Europas, konnte sich mit Hilfe von Wagner – und ausgerechnet auch mit Meyerbeer – als eine der Kultur-Metropolen des neuen Italiens etablieren, eine Stadt, über die man nun auch nördlich der Alpen sprach. Bologna wurde die Wagner-Hauptstadt Italiens; und Lohengrin bis 1914 zur meistgespielten Oper seines Teatro Comunale, gefolgt von Verdis La traviata, aber mit Tristan und Isolde auf dem dritten Platz.