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Von Addis Abeba nach Gondar – Eine Reise 1979 in Äthiopien

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

Wie ich bereits in meinem Bericht über Addis Abeba berichtet habe, machte ich mich auf die Reise nach Gondar, durch das Niltal zunächst nach Bahir Dar. Mit mir reiste zunächst ein Äthiopier, der nach Debre Markos wollte, ein Geograf, mit dem ich auf der Fahrt mich gut unterhalten konnte, und von dem ich viel über die Geografie des Landes lernte.


Bis Debre Markos ist die Straße asphaltiert und sieht so ähnlich aus, wie eine Straße 3. Ordnung nach dem letzten Winter – man fällt von einem Schlagloch ins nächste und 40 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit. In Debre Markos gingen mein äthiopischer Kollege und ich essen (nicht der Fahrer, hier herrscht noch Ordnung, Zucht und Sitte, an die man sich erst gewöhnen muss, wenn es auch schwerfällt). Ich habe nie wieder ein so schlechtes „national food“ vorgesetzt bekommen. Das „injera“ war mindestens drei Tage alt, also sehr sauer (das mag ich nicht so sehr, ein Tag Reifung ist genug) war noch das Beste. Dazu Hammel, kalt, sehr talgig und nur Knochen und Sehnen – mir verging der Appetit. Ich habe nur wenig gegessen, dafür schien es meinem Kollegen gut zu schmecken. Nachdem er seinen Teller aufgegessen hatte, nahm er meinen und verputzte alles radikal. Vielleicht hatte er nur einfach Hunger, – jedenfalls berührte mich sein ungewöhnliches Verhalten.

Ab Debre Markos ändert sich das Straßenbild, es folgt die „rough road“ eine Schotterpiste, aber eine Allwetterstraße. Es sieht aus wie ein Eisenbahndamm mit herausgenommenen Schienen; da kann man dann richtig beschleunigen, mit 80 – 120 km/h fährt  man über die Piste, das ist dann für die Reifen mörderisch. In so einen Landrover liegen (neben dem obligatorischen Benzinfass) denn auch mehrere Räder, Decken und viele Schläuche, so dass man die Pannen schnell beheben kann. Dafür findet man in nächsten Ort Kinder, die einem in Windeseile den Reifen von der Felge hämmern, Schläuche und Decken montieren – ein Vergleich mit dem Reifendienst der DDR fällt sehr zu dessen Ungunsten aus. Entgegenkommende oder vorausfahrende Fahrzeuge erkennt man lange vorher an ihren Staubfahnen. Das Überholen wird zu einer echten Herausforderung, denn irgendwann will man nicht in einer Staubwolke hinterherfahren und entschließt sich zum Überholen, also Licht an, Hupe an und dann so schnell wie es geht vorbei, sollte ein großer Stein im Weg liegen oder plötzlich Gegenverkehr auftauchen muss man versuchen zu bremsen, auch der Straßengraben ist eine Alternative.

Einige Worte generell zum Straßenverkehr. Das gesamte Land ist von Addis  ausgehend von sternförmigen Buslinien durchzogen. Der Rest wird gelaufen – nicht umsonst sind die Äthiopier im Langstreckenlauf führend. Die Busse sind oft in einem miserablen Zustand, nach europäischem Standard würde man sie nicht für verkehrssicher halten. Licht gibt es oft nur vorn, und ein „Auge“ genügt völlig, wo es ja sowieso eine Ausgangssperre gibt. Rücklichter, Positionslampen und Fahrtrichtungsanzeiger sind überflüssig. Die Bremsen sind in einem katastrophalen Zustand. Wichtig ist nur die Hupe, damit man sich in den Verkehr einordnen kann. Nicht umsonst ist die Benutzung solcher Fahrzeuge durch die Botschaft untersagt. Und dann dauert die Fahrt lange – auf der Fahrt von Addis nach Gondar, wo es ja auch eine Buslinie gibt, waren unsere Studenten vier bis sieben Tage unterwegs. Wenn man (privat oder dienstlich) mit den eignen PKW unterwegs ist, fährt man alles was einen unter den „Hintern“ kommt, egal wo das Lenkrad ist – nur zur Regenzeit sollte der Wagen schon Allradantrieb haben. Wir fuhren gewöhnlich einem Lada (hier bekamen wir gewöhnlich alte Fahrzeuge, die nicht mehr auf die Durchsichten angewiesen waren, was in Gondar schwierig war) oder einen Nissan Patrol. Nach etwa vier Wochen erhält man (unter Abgabe des Internationalen Führerscheins) eine äthiopische „driving license“, die man immer bei sich haben sollte, sie gilt als amtlicher Ausweis.

 

Äthiopien

Bauer mit Hakenpflug

 

Die Benzinpumpe des Toyota „Land Cruiser“ war verdreckt, wir mussten häufiger anhalten, um sie zu reinigen (das tat natürlich der Fahrer). Natürlich gab es für mich dann viel zu schauen und zu fotografieren. Da ist zunächst das Pflügen mit dem Hakenpflug. Mein erster Gedanke: „Mein Gott, wie ist das vorsintflutlich!“, der Boden wird ja nur geritzt, nicht umgebrochen. Dann kam mir ein äthiopisches Sprichwort in den Sinn „Nur ein steiniger Acker, ist ein guter Acker!“ Da ist etwas daran, während der Regenzeit, wenn es für unsere Verhältnisse unvorstellbar gießt, verliert ein steinloser Acker schnell seine fruchtbare Bodenschicht, ein steiniger Acker behält sie länger. Die tropische Landwirtschaft ist anders als die Einheimische. Hier ruht das Land im Winter, dann folgen Frühling und Sommer in denen es immer wieder regnet. Dann im Herbst wird geerntet, der Boden vorbereitet und dann folgt wieder die Winterpause. Die tropische Landwirtschaft ist anders, man kann mehrere Ernten im Jahr durchbringen, wichtig ist nur, dass der Boden wegen der anhaltenden Trockenheit immer mit irgendwelchen Pflanzen bedeckt ist, um ihn vor Austrocknung zu schützen. Ich dachte auch kurz an die FDJ-Brigaden des VEB „Fortschritt“.

Öthiopien“Verdreckte“ Benzinpumpe

Diese fuhren in das „sozialistische“ Bruderland, um bei der Ernte zu helfen. Zuerst kamen die Mähdrescher, dann wurde der „Klassenkampf“ beschworen und danach in Windeseile der steinlose Acker abgeerntet. Der Ertrag wurde der „Kolchose“ übergeben. Dann zogen die Mähdrescher weiter. Zurück blieb ein Dorf, dem außer einem politischen „meeting“ nichts blieb, dass vor allem nichts verdient hatte.
 Die Männer tragen nichts (außer vielleicht einem Stock, um die Hunde zu verscheuchen), die Esel viel und die Frauen das Allermeiste. Das ist die generelle Lastenverteilung in Äthiopien. Es hat wenig Sinn, über diese Lastenverteilung zu streiten, man muss sie aber zur Kenntnis nehmen. Der Mann ist generell zur Feldarbeit verpflichtet, so sieht man immer nur Männer die Pflügen oder Dreschen. Die Frau ist dagegen für das Haus zuständig, Wasser holen, Kinder erziehen und Essen kochen sind ihre Pflichten. Bei der älteren und dörflichen Bevölkerung, macht man sich verdächtig, wenn man, wie bei uns üblich, von dieser Regel abweicht.

Wir näherten uns nun dem Niltal. Hier bricht das Hochplato etwa 1000 m tief ab, dann kommt die Nilbrücke (ein militärisches Objekt erster Ordnung) und dann geht es auf der anderen Seite steil wieder 1000 m bergan. Ein gigantischer Anblick, und eine noch gigantischere Fahrt, nur Serpentinen. Dann kommt man an die Bouskis Brücke. Bouski war ein Italiener, der nach dem II. Weltkrieg die italienischen Reparationen in Beton „gegossen“ hat. Bemerkenswert sind seine Bemühungen die Kastelle der Kaiserpfalz in Gondar zu restaurieren, hier wurde viel Beton verbaut; da aber der einheimische Stein und der italienische Beton eine unterschiedliche thermische Belastbarkeit aufwiesen, wurde hier mehr zerstört als restauriert. Ebenso hat er im Niltal ein imposantes Bauwerk hinterlassen an dem ein Schild mit folgender Warnung steht (in englischer Sprache): „Der Viadukt hat begonnen sich zu bewegen, und seine Benutzung könnte gefährlich sein.“ Wir hielten an, und zum Beweis des Gesagten klaffte ein 20 cm langer Riss, von rechts nach links vor dem Eingang auf die Brücke. Während wir noch über die mögliche Gefahr diskutierten, kam ein Fiat-Truck, mit der der gesamte Verkehr über die Landstraße abgewickelt wird, an die Stelle gerumpelt, fuhr ohne zu halten über die Brücke und verschwand im Niltal. Wir stiegen wortlos wieder in unser Auto – wo 20 t hinüber konnten, braucht man wohl bei 5 t keine Angst haben. Am Ausgang des Niltals fanden wir dann eine kleine Werkstatt, die uns die Benzinpumpe reparierte. Dann begann die Fahrt nach Bahir Dar.

Äthiopien

Frau auf dem Weg zur nächsten Wasserstelle

Äthiopien

Frauen mit Last

Äthiopien

Bouskis Brücke

Äthiopien

Brücke über den Blauen Nil

Eigentlich hätten wir schon zu Mittag das Niltal verlassen müssen, nun war es 16 Uhr nachmittags. Wir – d. h. der Fahrer fuhr wie der Teufel. Übernachten an der Straße, wollten wir beide nicht – ich hatte keine Ahnung, was mich dort erwartete, und die Motive des Fahrers kannte ich nicht (wir sprachen nicht darüber). Zu erwähnen ist, dass es in Äthiopien praktisch keine Dämmerung gibt – das Land liegt nahe am Äquator, und innerhalb von etwa einer Viertelstunde wechselt es vom Tag zur Nacht. Außerdem war auf der Landstraße Ausgangssperre („curfew“, von Abend um 6 bis früh um 6 Uhr) man zieht dann einfach einen Baumstamm über die Straße, einen am Beginn und einen am Ende jeden Dorfes, dazu kommen ein paar Wachmänner (Soldaten?). Mit Einbruch der Dunkelheit ging es los. Wir hielten am ersten Baumstamm, es entspann sich ein langes Palaver (in mir unverständlicher, amharischer Sprache), ich wurde als eine wichtige Person geschildert, Kontrolle der Pässe (wurde auch gelegentlich verkehrt rum gehalten), eine Schachtel Zigaretten wurde herausgereicht und der Baumstamm wurde weggezogen. Am Dorfausgang das gleiche Spiel und ebenso am nächsten Ort, usw. Insgesamt bin ich bei dieser Prozedur eine Stange Zigaretten losgeworden, mehr Dörfer lagen nicht auf der Strecke.

Äthiopien

Guzara-Kastel

Es war kurz vor Mitternacht als wir endlich Bahir Dar, eine Stadt die damals etwa 150 Tausend Einwohner hatte, erreichten – eine gespenstische Ruhe in der Stadt, wegen der Ausgangssperre. Ich bekam mein Quartier im Hotel „Ghion“ (wo der Fahrer übernachtete weiß ich nicht). Ich schlief fest und traumlos – um 6 Uhr stand ich auf, und befand mich in einer nahezu biblischen Landschaft. Das Hotel liegt direkt am Tanasee, aus dem auch der blaue Nil entspringt – also Wasser im Überfluss. Dazu im Garten Tomaten, Paprika, Feigen und Papaya im Überfluss, ein Nilwaran, der schleunigst das Weite suchte, dazu ein herrliches Frühstück – also hier bleiben wir, hier lasst uns Hütten bauen! Aber ich sollte doch nach Gondar, und das lag 150 km weiter nördlich. Um 9 Uhr kam der Fahrer, mich abzuholen. Dann ging es über eine Brücke über den Blauen Nil in Richtung Addis Zemen, mit seiner gewaltigen Basaltnadel, vorbei am Kastell Guzara (eine Ruine auf einem Hügel), vorbei am Flugplatz, der sich stolz „Gondar Airport“ nennt, auf dem aber damals keine Maschine landen durfte (die Aufständischen hatten zuvor mit einer „Kofferrakete“ ein Flugzeug abgeschossen), vorbei an Azzeso, wo die italienische Besatzung im II. Weltkrieg wohnte, vorbei an der Fleischfabrik, dem Reparationsbau der Italiener, wo wir immer Herzen und Zungen der geschlachteten Rinder kauften, direkt zum Krankenhaus und am Eingang der Stadt Gondar gelegen. Dies war sie also, meine künftige Arbeitsstelle. Hier wurde ich schon erwartet und von den Kollegen begrüßt. Nun konnte der Neubau des Medical College beginnen. Ich war bereit dazu.

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