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Als Frau im Augenoptikerhandwerk

Ein Bericht von Elke Rau, Leipzig

Meinen Abschluss im Handwerksberuf der Augenoptik als "Staatlich geprüfter Augenoptiker und Augenoptikermeister" habe ich in der DDR als Frau immer als Selbstverständlichkeit empfunden. Das änderte sich aber von dem Zeitpunkt an, als ich nach 1990 Filialleiter bei Apollo wurde und oft zu Weiterbildungen in die alten Bundesländer reiste. Zuerst wunderte ich mich nur, dass ich mit zwei, drei weiblichen Teilnehmerinnen eher die Seltenheit unter vielen männlichen Kollegen war und schrieb diese Tatsache dem Zufall zu. Aber als sich der geringe Anteil der Kolleginnen auch weiterhin nicht veränderte, interessierte ich mich für die Ursachen.

Tagsüber wurden straffe Seminare durchgezogen (z.B. Marketing, Verkaufspsychologie, Firmenpsychologie und Menschenführung), aber am Abend gab es genug Gelegenheit, auch persönlich miteinander ins Gespräch zu kommen. So konnte ich von mir berichten, dass ich nach 3-jähriger Lehre, 2 Jahren praktischer Arbeit im Ausbildungsbetrieb als Gehilfe nur die Aufnahmeprüfung an der Jenaer Meisterschule bestehen musste, um ein Meisterstudium aufnehmen zu können. Wir waren im Studiengang 1961/63 50% weibliche Studenten, deren Ziel es war, eine verantwortungsvolle Tätigkeit (Sehschärfenbestimmung und Ausbildung von Lehrlingen) ausüben zu können. Der finanzielle Anreiz war relativ gering, denn ein Meistergehalt lag tariflich nur 100,00 Mark über dem des Gehilfen. Von 100 Studenten bekamen 90 ein Stipendium, ich im 2. Jahr auch 70,00 Mark für gute Leistungen. Die meisten wohnten für 10,00 Mark im Internat, ich hatte ein möbliertes Zimmer für 25,00 Mark, das mir mein Vater bezahlte.

Nach bestandener Prüfung arbeitete ich in verschiedenen privaten Augenoptikerbetrieben Leipzigs als angestellter Meister bei gleichem Lohn wie meine männlichen Kollegen und übernahm zusätzlich einmal wöchentlich den Fachunterricht an der Betriebsberufschule für Augenoptikerlehrlinge. Auch dort war ich als Frau keine Ausnahme.

Im Gegenzug dazu erfuhr ich, dass es in den alten Bundesländern staatliche und private Meisterschulen gab, an denen die Ablegung der Meisterkurse einige tausend Mark kostete. Da ein Inhaber kaum einen Meister im Angestelltenverhältnis einstellte (Gehalt sehr hoch), unterzog sich nur der einer Meisterprüfung, der sich selbstständig machen oder einen alteingesessenen Betrieb übernehmen wollte. Und da waren die Männer in der großen Überzahl. Außerdem musste bei jeder Prüfungswiederholung auch die Gebühr wieder bezahlt werden.

Interessant ist, dass heute 50% der Apollo-Filialen in den neuen Bundesländern von Frauen geleitet werden, d.h. eine Meisterausbildung haben. Das ist eine indirekte Fortführung der DDR-Tradition, weil Apollo die Kosten des Studiums übernimmt und die Übernahme einer Filialstelle garantiert. So sind in solch Großunternehmen auch heute die Frauen den Männern gegenüber nicht benachteiligt - im privaten Sektor ist aber weiterhin der weibliche Meister die Seltenheit.

Mein persönlicher beruflicher Werdegang wäre sicher ganz anders verlaufen, hätte er nicht unter den Voraussetzungen, welche die Frauen in der DDR im Handwerk und allen anderen Berufen hatten, stattgefunden.



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