Wenn eine Fliege 4 m lang ist und ein Pferd 10 kg wiegt - Kognitives Schätzen bei einer Patientin mit vaskulärer Demenz

M. Brand, E. Kalbe & J. Kessler

Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln
Gleuelerstr. 50, 50931 Köln
E-Mail: Matthias.Brand@pet.mpin-koeln.mpg.de

Wenngleich kaum reflektiert, sind Handlungen in unserem Alltagsleben von Vermutungen, Unsicherheiten und Ahnungen bestimmt. Solche Schätzungen, deren theoretische Fundierung bislang aussteht, wurden in einem von Shallice und Evans (1978) vorgestellten Test (CET) zumindest partiell operationalisiert. Dieser diente uns als Anregung für das hier vorgestellte Verfahren. Der von uns entwickelte "Test zum kognitiven Schätzen" (TkS) umfaßt 64 Items, die den fünf Dimensionen (Größe, Gewicht, Anzahl, Entfernung und Zeit), zugeordnet und in die Kategorien "perzeptuell" und "semantisch" unterteilt sind. Daten von 20 kognitiv und mnestisch unbeeinträchtigten Kontrollprobanden (mittleres Alter: 60,8 SD:9,6 ) dienten bisher als Referenzwerte und seine Anwendung wird an verschiedenen psychiatrisch und neurologisch erkrankten Patienten überprüft. Exemplarisch seien die Daten einer Patientin, die an einer vaskulären Demenz mit leichter Demenzausprägung (MMST: 21) erkrankt ist, vorgestellt und mit der Kontrollgruppe verglichen.
Ergebnisse: Bei dieser Patientin zeigte sich ein erheblich abweichendes Antwortmuster bei allen 5 Subtests: Größe: KG: 16,6/20, Pat.: 5; Gewicht: KG: 9,2/12, Pat.: 0; Anzahl: KG:10,5/13, Pat.: 3; Entfernung: KG:9,3/12, Pat.: 3; Zeit: KG: 5,0/7, Pat.: 2; TkS-gesamt: KG: 50,7/64, Pat.: 13
Die als falsch zu bewertenden Antworten der Patientin lagen weit über oder unter dem Mittelwert der Schätzungen der Kontrollpersonen. Zur Veranschaulichung seien folgende Beispiele genannt: die Größe eines Menschen schätzte die Patientin auf 75 Meter, die Höhe einer Tasse auf 5 Meter und das Gewicht eines Autos auf 6 Kilogramm.
Schlußfolgerung: Dieses hoch abweichende Antwortmuster gibt Grund zur Annahme, daß das komplexe System des kognitiven Schätzens vielfältigen Störungsmöglichkeiten unterliegt. Ein Modell zum kognitiven Schätzen wird vorgestellt.

Beitrag zum Symposium Klinische Neuropsychologie, Donnerstag, 1. April 1999, 08:30-12:00, HS 15

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