Deindividuierung und sozialer Einfluß durch Minderheiten

Hans-Peter Erb & Katharina Seidler

Psychologie II, Universität Würzburg
Röntgenring 10, 97070 Würzburg
E-Mail: erb@psychologie.uni-wuerzburg.de

In der Literatur gut belegt ist sozialer Einfluß, den Mehrheiten auf Individuen auslösen können (Konformität). Dagegen läßt sich Minderheiteneinfluß eher selten und häufig nur bei indirekter Messung (zeitverzögert und bei verwandten Themen) nachweisen. Entsprechend der vorzustellenden Theorie normativen Minderheitseinflusses sollten Individuen dann, wenn sie sich selbst als Teil einer "grauen Masse" betrachten müssen (deindividuiert sind), optimale Distinkheit (Brewer, 1991) durch direkte Zustimmung zu einer Minderheitenposition erreichen können.
Im Experiment wurden Versuchspersonen mit Hilfe einer Ankerprozedur deindividuiert oder nicht. Danach verarbeiteten sie unter einem Vorwand eine persuasive Botschaft, die entweder einer Mehrheit oder Minderheit zugeschrieben war. Als abhängige Variablen dienten die Urteile über den Einstellungsgegenstand und Kontrollvariablen.
Die Ergebnisse zeigten hypothesenkonform, daß Deindividuierte der Minderheitsposition stärker zustimmten als der Mehrheit, nicht deindividuierte Versuchspersonen urteilten dagegen umgekehrt und zeigten Konformität mit der Mehrheit.
Damit konnten Bedingungen hergestellt werden, unter denen Minderheiten auch bei direkter Einstellungsmessung mehr Einfluß ausübten als Mehrheiten. Es ergeben sich eine Reihe von Implikationen zur Erklärung von Minderheiteneinfluß.

Referat in der Gruppe Soziale Kognition: Kategorisierung und Gruppenprozesse I, Montag, 29. März 1999, 16:30, HS 18

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