Zur Selektivität von Sequenzlernprozessen

Axel Buchner & Melanie C. Steffens

FB 1 - Psychologie, Universität Trier
54286 Trier
E-Mail: buchner@cogpsy.uni-trier.de

Adaptives Verhalten in einer sich verändernden Umwelt ist ohne die Fähigkeit zum Erwerb von Wissen über kritische Ereigniszusammenhänge kaum denkbar. Sequenzlernaufgaben sind Modellaufgaben, mit denen der Erwerb von Wissen über Ereigniszusammenhänge im Labor untersucht werden kann. Modelle über die zugrunde liegenden Lernprozesse unterscheiden sich unter anderem darin, als wie selektiv bzw. unselektiv diese Lernprozesse konzeptualisiert werden. Beispielsweise werden nach einigen Modellen alle potentiell verhaltensrelevanten Relationen zwischen wahrgenommenen Ereignissen und den eigenen Verhaltensweisen gelernt. In den beiden vorgestellten Experimenten werden daher Hypothesen zur Selektivität von Sequenzlernprozessen geprüft.
In beiden Experimenten reagierten Personen diskriminativ auf die Höhe verschiedener Töne. Sie wußten, daß die Abfolge der Tonhöhen systematisch war. Sie wußten nicht, daß auch zeitliche Eigenschaften der Tonfolge - der Abstand zwischen einer Reaktion und dem nächsten Ton - systematisch variierten. In Experiment 2 wurde die Hälfte der Personen über die zeitliche Systematik informiert. Zusätzlich wurden in einer zweiten Phase Urteile über die Sequenzen abgegeben.
Experiment 1 zeigte, daß auch die unbeachtete zeitliche Systematik gelernt wurde, allerdings nur dann, wenn diese in einer bestimmten Relation zur beachteten Systematik der Tonhöhen stand. Experiment 2 zeigte, daß inzidentelles Lernen (wie in Experiment 1) und intentionales Lernen der temporalen Systematik nicht auf der Basis des typischen Reaktionszeitmaßes für Lernen unterschieden werden konnte. Die Analyse von Sequenzurteilen mit einem multinomialen Modell allerdings zeigte, daß unter beiden Bedingungen qualitativ verschiedenes Wissen erworben wurde.
Die Ergebnisse sind problematisch für Modelle, nach denen implizite Sequenzlernprozesse unselektiv alle potentiell verhaltensrelevanten Relationen zwischen wahrgenommenen Ereignissen und den eigenen Verhaltensweisen erfassen.

Referat in der Gruppe Implizites Lernen, Montag, 29. März 1999, 10:30, HS 16

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