Ereigniskorrelierte Potentiale während der regelmäßigen und unregelmäßigen Past-Tense-Bildung im Englischen

Simon Forstmeier & Aureliu Lavric

Institut für Psychologie, Technische Universität Darmstadt
Frankfurter Straße 18, 64293 Darmstadt
E-Mail: sforst@hrz1.hrz.tu-darmstadt.de

In der Psycholinguistik wird die Frage kontrovers diskutiert, wie regelmäßige und unregelmäßige Verbformen generiert werden. Regel-Theorien nehmen an, daß beide Verbtypen von einem einzelnen Regel-System verarbeitet werden; Lexikon-Theorien sagen, daß beide von einem einzelnen Lexikon-System verarbeitet werden; und Regel-Lexikon-Theorien behaupten, daß regelmäßige Verbformen durch das Anwenden einer Regel generiert werden, aber unregelmäßige Verbformen durch das Abrufen der Worte aus dem mentalen Lexikon. Mit ereigniskorrelierten Potentialen (EKPs) wurde die Zeitstruktur des englischen Past-Tense-Generierungsprozesses untersucht, um zu prüfen, ob dem Bilden von regelmäßigen und unregelmäßigen Verbformen unterschiedliche oder gleiche neuronale Prozesse zugrunde liegen. Dual-Route-Modelle (v.a. die Regel-Lexikon-Theorie) sagen eine neuronale Dissoziation voraus, Single-Route-Modelle (v.a. Lexikon-Theorien) dagegen keine.
EKPs (28 Elektroden) wurden aufgenommen, während 23 englisch sprechende Versuchspersonen Verbstämme lasen (Lese-Bedingung) bzw. die Past-Tense-Form regelmäßiger und unregelmäßiger Stämme bildeten (Regulär- und Irregulär-Bedingung, in gemischter Darbietung).
Drei Hauptergebnisse konnten beobachtet werden: (1) Die N100-Komponente (120-180 ms) ist größer für beide Past-Tense-Bedingungen als für die Lese-Bedingung im Okzipitallappen. (2) Von etwa 200 bis 700 ms zeigt die Irregulär-Bedingung eine negativere Welle als die Regulär-Bedingung. Dieses Fenster scheint zwei zu unterscheidende EKP-Komponenten zu enthalten: Sowohl P200 (200-375 ms) im linken Frontallappen als auch P300 (375-675 ms) im Frontal-, Temporal- und Parietallappen sind größer bei den regelmäßigen als bei den unregelmäßigen Verben. (3) In der Irregulär-Bedingung tritt eine zusätzliche P600-Komponente im Parietal- und Okzipitallappen auf.
Diese Ergebnisse weisen auf einen unterschiedlichen Generierungsprozess für regelmäßige und unregelmäßige Past-Tense-Formen hin. Am leichtesten kann die Sequenz von EKP-Komponenten im Sinne der Regel-Lexikon-Theorie interpretiert werden.

Referat in der Gruppe Sprache I, Montag, 29. März 1999, 15:00, HS 17

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