Beim Zugriff auf semantische Gedächtnisinhalte spielen sowohl exekutive Prozesse (z. B. Setzen eines Suchkriteriums) als auch genuin semantische Prozesse (z. B. "spreading of activation") eine Rolle. Wir stellen ein neues Verfahren vor, das erlaubt den relativen Beitrag dieser beiden Prozesse innerhalb einer semantischen Produktionsaufgabe ("semantic fluency") zu identifizieren. Dabei werden die Zeiten, die eine Versuchsperson braucht um Exemplare einer vorgegebenen semantischen Kategorie zu produzieren ("inter-word intervals") gegen dessen Position in der Produktionssequenz aufgetragen. Es resultiert eine annähernd lineare "Suchtiefefunktion", deren Konstante wir als exekutive und deren Steigung wir als semantische Komponente interpretieren. Entsprechend zeigen wir, daß die Steigung, nicht aber die Konstante, von der semantischen Schwierigkeit der Kategorien beeinflußt wird. Andererseits sind die Steigungen der Suchfunktion bei alten und jungen Erwachsenen identisch, was auf Altersinvarianz semantischer Gedächtnisprozesse hinweist, während der konstante Term einen deutlichen Alterseffekt zeigt und somit einen Abbau in der exekutiven Komponente nahelegt. Anhand der Suchtiefefunktion läßt sich auch zeigen, daß bei semantischen Produktionsaufgaben, die den alternierenden Wechsel zwischen zwei Kategorien erfordern, nicht so sehr exekutive Prozesse, sondern vor allem semantische Suchprozesse (zwischen Kategorien) eine Rolle spielen. Schließlich erlaubt die vorgestellte Methode auch die Neubewertung einiger Befunde in der Literatur zur Rolle von Arbeitsgedächtnis und Sekundäraufgaben beim Zugriff auf semantisches Gedächtnis.
Referat in der Gruppe Exekutive Funktionen, Dienstag, 30. März 1999, 18:30, HS 16
