Syntaktische Verarbeitung in Sätzen mit Pseudowörtern

Anja Hahne & Angela D. Friederici

Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung
Postfach 500 355, 04303 Leipzig
E-Mail: hahne@cns.mpg.de

Das Verstehen von Sätzen erfordert normalerweise die Verwendung und Integration verschiedener Informationen. In dem vorliegenden Experiment haben wir versucht, die in der Regel stets gemeinsam auftretenden syntaktischen und semantischen Informationen zu trennen. Dazu wurden Sätze konstruiert, in denen diejenigen Wörter, die primär Bedeutungsinformation tragen, durch Pseudowörter ersetzt wurden. Elemente, welche primär syntaktische Funktion tragen, wurden dagegen nicht ersetzt (Bsp: "Der Wiebe wurde im Gostel gerottert"). Durch diese Manipulation sollte die Verarbeitung syntaktischer Information weitgehend ohne die Beteiligung semantischer Verarbeitungsprozesse untersucht werden.
Als abhängige Variable wurden ereigniskorrelierte Hirnpotentiale beim Verstehen akustisch präsentierter Sätze erfaßt. Die verwendeten Sätze waren (a) entweder syntaktisch korrekt oder syntaktisch inkorrekt (Wortkategorieverletzung) und (b) bestanden entweder aus Wörtern oder aus Pseudowörtern. Beide Faktoren wurden innerhalb von Probanden realisiert, wobei die Wort-Pseudowort-Variation in getrennten Sitzungen erhoben wurde.
Die Daten für die Wort-Bedingung replizierten frühere Befunde: Syntaktisch inkorrekte Sätze lösten im Vergleich zu syntaktisch korrekten Sätzen eine frühe, anteriore Negativierung aus, die von einer posterioren Positivierung gefolgt wurde. In der Pseudowort-Bedingung fand sich ein analoges EKP-Muster. Die Daten von Wort- und Pseudowortbedingung unterschieden sich lediglich für Elemente in Nomen- und Verbposition in korrekten Sätzen. Hier lösten Nomen und Verben im Vergleich zu Pseudowörtern eine N400-ähnliche Negativierung aus.
Die Daten zeigen, daß die frühe, anteriore Negativierung sowie die späte Positivierung von Faktoren der Wortsemantik weitgehend unabhängig zu sein scheinen und somit als Korrelate syntaktischer Verarbeitungsprozesse angesehen werden können.

Referat in der Gruppe Sprache I, Montag, 29. März 1999, 14:30, HS 17

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