Erlernen finiter Grammatiken: Kann man Dissoziationen zwischen Kategorisierung und Wiedererkennen mit einem Ein-Prozeß-Modell erklären?

Annette Kinder & David Shanks

FB Psychologie, Philipps-Universität Marburg
Gutenbergstrasse 18, 35032 Marburg
E-Mail: kinder@mailer.uni-marburg.de

Einer weit verbreiteten Theorie zufolge verfügen Menschen über zwei verschiedene Lernsysteme, von denen das eine die Kategorisierung neuer Reize steuert und das andere das Wiedererkennen zuvor präsentierter Reize. Dieser Annahme stehen Theorien gegenüber, die davon ausgehen, daß beide Aufgaben auf Grundlage einer einzigen Wissensbasis bearbeitet werden.
Knowlton und Squire sowie Kollegen fanden Evidenz für die Existenz zweier separater Lernsysteme in Untersuchungen zum Erlernen künstlicher Grammatiken. In verschiedenen Experimenten bearbeiteten zwei Gruppen von Versuchspersonen, Amnestiker und Kontrollpersonen, eine Kategorisierungsaufgabe und/oder einen Wiedererkennenstest. Während die Amnestiker beim Kategorisieren normale oder nahezu normale Leistung zeigten, war ihre Leistung beim Wiedererkennen reduziert.
Lassen sich diese Ergebnisse auch mit einem Ein-Prozeß-Modell erklären? Es werden Simulationen eines Modells vorgestellt, das von einem einzigen Prozeß für das Kategorisieren und Wiedererkennen der in den Tests verwendeten Buchstabenfolgen ausgeht. Hierbei handelt es sich um ein einfaches rekurrentes Netzwerk, das eine Vielzahl von Phänomenen im Bereich des Grammatiklernens korrekt abbildet. Bei den Simulationen, die im Vortrag dargestellt werden, wurde angenommen, daß sich Amnestiker und Kontrollpersonen ganz generell in ihrer Lernfähigkeit unterscheiden. Die unter dieser Annahme gewonnenen Ergebnisse entsprechen den empirischen Ergebnissen sehr genau.
Die Simulationsergebnisse machen deutlich, daß die Ergebnisse von Knowlton und Squire nicht zwingend auf die Annahme zweier separater Lernsysteme schließen lassen. Auch ein Modell, das von nur einem einzigen Prozeß ausgeht, kann die Ergebnisse erklären.

Referat in der Gruppe Implizites Lernen, Montag, 29. März 1999, 16:30, HS 16

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