Prozeßbegleitende Analyse der Wirkungen von Fernsehnachrichten zum Thema Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus

Eva Janschek, Hans-Jörg Tinchon & Peter Vitouch

Ludwig Boltzmann-Institut für empirische Medienforschung, Wien
Gölsdorfgasse 3/7, 1010 Wien
E-Mail: Y2291DAA@VM.UNIVIE.AC.AT

Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Identifikation von Wahrnehmungs- und Verarbeitungsunterschieden sowie unterschiedlichen emotionalen Beteiligungen bei der Rezeption von Nachrichtenbeiträgen zum Thema Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Darüber hinaus sollte erstmals an einer größeren Stichprobe eine neuartige Methodenkombination im Rahmen unseres Modells einer ablaufbegleitenden, multimodalen Rezeptionsforschung validiert werden. Zwei jugendliche Versuchsgruppen aus Wiener Bezirken mit hohem versus niedrigem Ausländeranteil bearbeiteten stimulusspezifische Fragebogen, in denen mittels freier und gestützter Wiedergabe rekonstruktiv die Themenerinnerung und diverse Verstehensaspekte erhoben wurden. Während der Videopräsentation der ausgewählten Nachrichtenbeiträge erfolgte prozeßbegleitend die Registrierung psychophysiologischer Parameter (Herzfrequenz, Atemfrequenz und Hautleitfähigkeit) als Indikatoren für autonome Aktivierung und bei nochmaliger Darbietung die ebenfalls ablaufbegleitende Erfassung verbaler Protokolldaten im Rahmen einer "Denke-Laut"-Versuchsreihe. Während sich kaum Unterschiede in der Täterbeurteilung zwischen den beiden Versuchsgruppen zeigten, ließen sich deutliche Diskrepanzen in der Auseinandersetzung mit den Opfern fremdenfeindlicher Übergriffe beobachten. Durch das offene Antwortformat der "Denke-Laut"-Bedingung wurden darüber hinaus Wahrnehmungs- und Verarbeitungsaspekte thematisiert, die bei den Erinnerungs- und Verständnisfragen unberücksichtigt blieben, deren Relevanz für stichprobenspezifische Selektionsprozesse jedoch eher hoch einzuschätzen ist (etwa die Verletzung von Verhaltensnormen gegenüber der eigenen Clique bei der Beurteilung jugendlicher Straftäter). Diese selektiven Wahrnehmungsprozesse spiegelten sich auch in den autonomen Aktivierungsverläufen der jugendlichen Rezipienten wider. Die quasisimultane Erhebung von psychophysiologischen und verbalen Verlaufsdaten erlaubt somit durch hohe Beobachtungsdichte kognitiver und emotionaler Aspekte der Medienrezeption einen Einblick in Rezeptionsprozesse, die durch rekonstruktive Verfahren kaum oder gar nicht zugänglich sind.

Beitrag zum Symposium Medienpsychologie, Donnerstag, 1. April 1999, 08:30-12:00, HS 16

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