Wahrscheinlich kommt Pearlin (1959) das Verdienst zu, das Thema 'eskapistische Fernsehnutzung' auf die Agenda der Rezeptionsforschung gesetzt zu haben. Pearlin kam schon seinerzeit zu der folgenden Einschätzung: "Thus it appears that one of the functions of television is to offer to its audience an opportunity to withdraw periodically from whatever strains and unpleasant experiences they might have." Neuere Untersuchungen bestätigen Zusammenhänge zwischen negativer Stimmung und dem Umfang des TV-Konsums (Elnain, 1994) sowie zwischen der Belastung durch 'life events' und der Programmwahl der Rezipienten: Bei hoher Belastung entscheiden sich Zuschauer eher für unterhaltende Programmangebote und weniger für Informationsprogramme (Anderson, Collins, Schmitt & Jacobvitz, 1996). Im Rahmen der Mood-Management Theorie und der neueren Streß/Bewältigungsforschung kann Fernsehnutzung als emotionszentriertes Bewältigungsverhalten verstanden werden, das es dem Zuschauer erlaubt, Spannungszustände zu lindern und so eine zumindest temporäre Entlastung zu erreichen. Wir berichten über Befunde einer achtwöchigen Tagebuch- Längsschnittuntersuchung, in der die wechselseitigen Einflüsse von Fernsehnutzung und Befindlichkeit untersucht wurden. Als weitere mögliche Determinanten des subjektiven Wohlbefindens wurden gesellige Aktivitäten, Beziehungen zu nahestehenden Personen sowie erfreuliche und unerfreuliche Alltagsereignisse ('daily uplifts & hassles') berücksichtigt. Um die im Titel gestellte Frage zu beantworten: Die Ergebnisse bestätigen den Befund einer erhöhten TV-Nutzung bei Zuständen subjektiver Belastung. Eine entlastende Wirkung des Fernsehens scheint hingegen nicht einzutreten: 'Negativer Affekt' wird durch die Zuwendung zu diesem Medium nicht reduziert.
Beitrag zum Symposium Medienpsychologie, Donnerstag, 1. April 1999, 08:30-12:00, HS 16
