Handlungsbewertung bei sozialen Phobien

Jeanette Riedel, Anette Hiemisch & Rainer Westermann

Institut für Psychologie der Universität Greifswald
Franz-Mehring-Straße 47, 17487 Greifswald
E-Mail: hiemisch@rz.uni-greifswald.de

Menschen mit sozialen Phobien neigen dazu, ihr Verhalten in sozialen Situationen übertrieben negativ zu bewerten und sich übermäßig mit den Konsequenzen ihrer subjektiven Mißerfolge auseinanderzusetzen. Die Rubikontheorie erlaubt eine handlungstheoretische Analyse solcher postaktionalen Bewertungsprozesse sowie eine Einschätzung ihrer Bedeutung für zukünftige Handlungen. Dabei erscheinen die Eigenschaften der in sozialen Situationen verfolgten Intention zentral, sie läßt sich als "degenerierte" Intention auffassen. Die Merkmale "degenerierter" Intentionen legen die Vermutung nahe, daß SozialphobikerInnen postaktional in lageorientierte Präokkupation abgleiten, wodurch eine realisierungsorientierte Modifikation der in sozialen Situationen verfolgten Zielsetzungen sowie eine realistische Einschätzung der unternommenen Realisierungsbemühungen vereitelt und die Erledigung anderer anstehender Handlungsabsichten behindert wird.
15 sozialphobische und 12 nicht ozialängstliche ProbandInnen wurden in einem halbstrukturierten Interview zu einer unangenehmen sozialen Situation befragt. Die Fragen des Interviews sind entsprechenden der Handlungsphasen der Rubikontheorie gegliedert, wobei die Fragen zur postaktionalen Phase "degenerierte" Intentionen in den Mittelpunkt stellen. Zur Erfassung der Lageorientierung wurde der Handlungskontroll-Fragebogen (HAKEMP 90) eingesetzt.
Es zeigte sich, daß bei SozialphobikerInnen die postaktionale Bewertung signifikant häufiger mit der Ausführung neuer Handlungen stört. Zudem konnte gezeigt werden, daß SozialphobikerInnen signifikant weniger geeignete Handlungspläne für zukünftige soziale Situationen entwickeln als Kontrollpersonen, obwohl sie häufiger über die Situation nachdenken. Im Falle sozialer Phobien tragen die postaktionalen Bewertungsprozesse somit nicht zu einer verbesserten Handlungsorganisation bei, sondern verringern sogar die Effektivität zukünftiger Handlungen. Da SozialphobikerInnen im HAKEMP eine signifikant stärker ausgeprägte Lageorientierung zeigen als die Pbn der Kontrollgruppe, scheinen Beeinträchtigungen der Handlungskontrolle nicht auf soziale Situationen beschränkt zu bleiben, sondern auch auf andere nicht sozialangstrelevante Situationen zu generalisieren.

Poster in der Gruppe Emotion und Motivation, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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