Verzögerte Nachahmung als Maß für explizites Gedächtnis im Säuglingsalter: Der Einfluß des sozialen Kontextes

Natalie Fischer, Nadya Natour & Monika Knopf

Institut für Psychologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Georg-Voigt-Str. 8, 60054 Frankfurt am Main
E-Mail: natour@psych.uni-frankfurt.de

Zur Messung von Gedächtnisleistungen bei Säuglingen und präverbalen Kleinkindern wird seit einigen Jahren die Methode der Verzögerte Nachahmung eingesetzt. Dabei werden den Kindern einfache Handlungen visuell präsentiert, die sie nach einer Behaltenslatenz selbst ausführen sollen. Meist bezieht eine solche Handlung ein Objekt ein, das dem Kind in der Nachahmungsphase als Erinnerungshilfe gegeben wird. Es gibt Hinweise darauf, daß mit dieser Methode bewußtes, explizites Erinnern an eine vorangegangene Episode indiziert wird: sie erfordert intermodale Verarbeitung von Information (visuell repräsentierte Information wird in Handeln umgesetzt) sowie flexiblen Zugriff auf die gespeicherte Information (Generalisierung über Material- oder Kontextvariationen). Struktureigenschaften des Materials spielen eine dem expliziten Erinnern bei Erwachsenen vergleichbare Rolle. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Generalisierung von Information bei der Verzögerten Nachahmung kommt dem sozialen Kontext, in den Präsentations- und Imitationssituation gebettet sind, eine herausragende Stellung zu. Da nämlich die Nachahmung erwachsener Modelle für Säuglinge und Kleinkinder einen wichtigen Mechanismus des sozialen Lernens darstellt, stellt sich die Frage, wie eng die Repräsentation der gesehenen Handlung mit der Person, die sie vorgemacht hat, verknüpft ist.
In einem Experiment zur Verzögerten Nachahmung mit 12-15 Monate alten Kindern wurde diese Frage durch einen Wechsel der Versuchsleiterin zwischen Präsentations- und Imitationsphase operationalisiert. Dabei zeigte sich, daß ein Wechsel der Versuchsleiterin auf die Gedächtnisleistung keinen Einfluß hatte. Vielmehr scheint die Repräsentation von Ereignissen zu Beginn des zweiten Lebensjahres bereits so unabhängig von Kontexteigenschaften zu sein, daß auch über den sozialen Kontext generalisiert werden kann. Dies läßt auf die Fähigkeit zum bewußten Abruf vergleichsweise abstrakter Repräsentationen schließen.

Poster in der Gruppe Entwicklung, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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