Sprachliche Fehlleistungen und ihre Korrekturen in Abhaengigkeit von der Modalitaet: Deutsche Gebaerdensprache vs. Deutsche Lautsprache

Helen Leuninger, Annette Hohenberger & Daniela Happ

Institut fuer Deutsche Sprache und Literatur II Johann Wolfgang Goethe-Universitaet Frankfurt am Main
Graefstr. 79, 60486 Frankfurt am Main
E-Mail: Hohenberger@lingua.uni-frankfurt.de

Sprachliche Fehlleistungen sind in der Psycholinguistik stets als Evidenz fuer Sprachproduktionsmodelle (klassisch-serielle/modulare und konnektionistische) herangezogen worden. In seriellen Modellen (Garrett, Levelt) werden Bedeutung und Form auf diskreten Sprachplanungsebenen (konzeptuelle und positionale Ebene) berechnet, sodass demgemaess unterschiedliche Fehlleistungen (semantische Substitutionen, Kontaminationen, Wortvertauschungen, Antizipationen/Perseverationen einerseits und formale Substitutionen, phonologische Antizipationen/Perseverationen und Vertauschungen andererseits) zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Sprachplanung entstehen. Die Monitorkomponente ermoeglicht Korrekturen ueber eine interne und eine externe Feedbackschleife.
Erwachsenen gehoerlosen Probanden ('Signer') wurden Bildergeschichten vorgelegt, die sie unter kognitiven Stressbedingungen gebaerden sollten. Mit dieser Methode lassen sich 'Vergebaerdler' sowie Korrekturen erfolgreich elizitieren. (Hoerende Pbn sollen spaeter mit derselben Methode untersucht werden.)
Alle Kategorien sprachlicher Fehlleistungen (Morphem-'stranding' ausgenommen) konnten auch bei der Gebaerdensprachproduktion verifiziert werden. Alle Sprachplanungseinheiten sind betroffen: Merkmale (Handform, Handorientierung, Bewegung und Ausfuehrungsort), Silben, lexikalische Einheiten (Gebaerdenwoerter) sowie Phrasen. Korrekturen erfolgen bevorzugt innerhalb des Fehlerwortes oder unmittelbar danach. Ein Vergebaerdler plus Korrektur verbraucht im optimalen Fall nicht mehr Silben als fuer die intendierte Einheit allein auf der Silbenebene ('tier') geplant wurde.
Das Sprachproduktionsverhalten Gehoerloser spricht ebenso wie das aus Korpusanalysen Hoerender bekannte fur einen seriell-modularen Sprachprozessor. Modalitaetsbedingte Unterschiede bestehen hinsichtlich des repraesentationalen Gehalts sowie einer unterschiedlichen Praeferenz des Prozessors beim Monitoring. Der lautsprachliche und der gebaerdensprachliche Prozessor verarbeiten unterschiedliche grammatische Strukturen und benutzen ein unterschiedliches Vokabular. Der lautsprachliche Monitor bevorzugt die externe Feedbackschleife; der gebaerdensprachliche die interne, da viele Gebaerden nicht im Gesichtsfeld des Signers erscheinen. Dadurch kann der gebaerdensprachliche Monitor - modalitaetsbedingt - schneller arbeiten. Das Silben-tier fungiert als autonomer zeitlicher Taktgeber und synchronisiert die Sprachproduktion im Fall von Fehlern und Korrekturen.

Poster in der Gruppe DFG-Schwerpunkt Sprachproduktion, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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