Belebtheit in der Sprachproduktion

Kathy Y. van Nice & Rainer Dietrich

Humboldt-Universitat zu Berlin, Philosophische Falkultaet II, Institut fuer deutsche Sprache und Linguistik
Unter den Linden 6, 10099 Berlin
E-Mail: vannice@rz.hu-berlin.de

Wenn die Konzeptualisierung der sprachlichen Message inkrementell arbeitet, und wenn die Reihenfolge der konzeptuellen Inkremente die Reihenfolge der lexikalischen Bearbeitung bestimmt, dann koennen Reihenfolgedaten einen indirekten Einblick in die konzeptuellen Ebene ermoeglichen. Wir betrachten hier die Hypothese, dass die Reihenfolge konzeptualisierter Inkremente nur durch Kontextfaktoren und semantische Merkmale des Praedikats (z. B. Protoagentivitat) bestimmt wird. Unter dieser Hypothese haben Referenteneigenschaften keine Wirkung auf die Reihenfolge.
In einigen Experimenten scheint es aber doch, dass Belebtheitsmerkmale von Referenten Wirkung auf die Reihenfolge haben. Falls die Merkmale fur "Protobelebtheit" dieselben wie die fuer "Protoagens" sind, stellt sich die Frage, ob Belebtheitseffekte durch Protoagentitaetsmerkmale der Praedikatbeziehung vollstandig erfasst sein konnen.
Um diese Frage zu pruefen, wurden vier Szenenbeschreibungsexperimente durchgefuehrt. Probanten sahen Bilder, die Beziehungen zwischen zwei Referenten darstellten. Nach jedem Bild sollten sie die dargestellten Szene mit einem einfachen Satz (schriftlich) beschreiben. Im ersten Experiment waren die Szenen so gewaehlt, dass die dargestellten Beziehungen durch schwach-agentivische Agens-Patiens-Verben beschrieben wurden, was alle moeglichen Kombinationen von belebten und unbelebten Referenten erlaubte. In spaeteren Experimenten wurden auch stark agentivische Verben, die unbelebte Agenten schwer zulassen, elizitiert, und deswegen nur die Belebtheit des zweiten Referenten variiert. In allen Faellen haben die Bilder deutlich dargestellt, welcher Referent der Target-Agent (NP1) bzw. -Patient (NP2) in der Beziehung war.
Die Analyse der Reihenfolgedaten zeigte deutliche Belebtheitseffekte.
Kurz: Eine belebte NP1 wurde haufiger zuerst genannt, und eine unbelebte NP2 wurde haufiger zuletzt genannt. Belebtheitseffekte waren also nicht durch die Protoagentitatsmerkmale erfasst.

Poster in der Gruppe DFG-Schwerpunkt Sprachproduktion, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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