Assimilationsprozesse und Unterspezifikation in der auditiven Worterkennung

Else Coenen

WWU Münster
Kerßenbrockstr. 30, 48147 Münster
E-Mail: coenene@psy.uni-muenster.de

Beim schnellen und wenig förmlichen Sprechen werden Wörter häufig phonologischen Regeln entsprechend abgeändert: Beispielsweise kann ‚...Termin bekommen' als ‚Termim bekommen' realisiert werden. Dieser Prozess wird als Assimilation bezeichnet. Die Theorie der Unterspezifikation erklärt Assimilation durch die Annahme, dass bestimmte Merkmale von Phonemen im Gedächtnis nicht spezifiziert sind. So ist der Ort der Artikulation des Phonems ‚n' nicht gespeichert und daher kann ‚n' durch ‚m' ersetzt werden. Damit macht die Theorie überprüfbare Aussagen, die auch für die Sprachwahrnehmung gelten sollten. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob Assimilation vielleicht nur für die Sprachproduktion von Bedeutung ist, da sie z.B. artikulatorische Gegebenheiten reflektiert. Mit phonologischem cross-modalen Priming wurde untersucht, ob sich regelhafte Veränderungen von Phonemen (bzw. Merkmalen) anders auf die Worterkennung auswirken als Veränderungen, die gleichermassen gering sind, aber phonologischen Regeln widersprechen. Zusätzlich wurde eine Bedingung eingeführt, bei der die Veränderung aus Sicht der Unterspezifikation denkbar ist, de facto aber bei Sprechern des Deutschen nicht vorkommt. Es stellte sich heraus, dass phonologisch korrekt veränderte Wörter die Reaktion auf den Zielreiz stärker beschleunigten als inkorrekt veränderte, wobei unveränderte Wörter (Baseline) immer den stärksten Priming-Effekt erzielten. Die Theorie der Unterspezifikation konnte zwar nicht eindeutig widerlegt werden, scheint jedoch in Anbetracht der experimentellen Ergebnisse wenig plausibel.

Referat in der Gruppe Sprache II, Dienstag, 30. März 1999, 09:30, HS 17

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