Werden semantische Primingeffekte durch Urteilstendenzen produziert?

Uta Jaschinski & Dirk Wentura

Universitaet Muenster
Psychologisches Institut IV, Fliednerstr. 21, 48149 Muenster
E-Mail: jaschin@uni-muenster.de

Neben den prominenten Theorien zur Erklaerung assoziativ- semantischer Primingeffekte (wie Aktivationsausbreitung, "compound cue", "semantic matching" etc.) wurde vereinzelt auch ein Urteilspassungs-Prozess vorgeschlagen. Nach dieser Auffassung wird bei einer assoziativen Beziehung zwischen Prime und Target deshalb schneller auf das Target reagiert, weil die geforderte affirmative Reaktion (z.B. "[Ja,] das Target ist ein Wort" in der lexikalischen Entscheidungsaufgabe) stimmig zu dem Vorliegen einer Prime-Target-Beziehung ist (im Sinne von "[Ja,] Prime und Target sind assoziiert"). Das Fehlen einer Beziehung legt dagegen eine negierende Antwort nahe, die mit der affirmativen Reaktion interferiert. Waehrend im Bereich des assoziativen Primings diese Annahme bislang nicht explizit getestet wurde, konnte im Bereich des sogenannten affektiven Primings hierfuer Evidenz gefunden werden: Wenn Prime und Target die gleiche Valenz tragen, wird eine "Ja"-Antwort auf das Target schneller gegeben als bei ungleicher Valenz; wird dagegen eine "Nein"-Antwort auf das Target verlangt, ist das Muster umgekehrt. In zwei Experimenten wurde ueberprueft, ob dieser Prozess auch assoziative Primingeffekte determiniert. Die Probanden wurden instruiert, in einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe auf Wort-Targets entweder mit der Antwort "Ja, [es handelt sich um ein Wort!]" oder aber "Nein, [es handelt sich nicht um ein Pseudo-Wort!]" zu reagieren. Der Prime-Stimulus wurde mit einer "stimulus-onset asynchrony" von 300 ms dargeboten. Es wurde in beiden Experimenten ein deutlicher Primingeffekt gefunden, der nicht durch den Antwortmodus moderiert wurde. Dieses Ergebnis stellt einerseits in Frage, ob ein solcher Urteilspassungs-Prozess als genereller Mechanismus in Primingexperimenten angenommen werden muss. Andererseits wird hierdurch indirekt die Auffassung bestaerkt, dass affektive Primingeffekte anderen Gesetzen unterliegen als semantisch-assoziative.

Poster in der Gruppe Wahrnehmung und Aufmerksamkeit I, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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