Kognitive Veränderungen unter Entspannungsbedingungen

Andreas Liebelt & Clemens Gruber

Psychologisches Institut der Universität Würzburg
Röntgenring 5, 97070 Würzburg
E-Mail: gruber@psychologie.uni-wuerzburg.de

In einem experimentellen Design mit 76 Probanden wurden die Effekte zweier Entspannungsverfahren, dem Autogenen Training (AT) und der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) untersucht. Als kognitive Parameter wurden die Reaktionszeiten bei entspannungskongruenten, –inkongruenten und -neutralen Wörtern in einer Wortentscheidungsaufgabe gemessen.
Unabhängig vom gewählten Entspannungsverfahren zeigten sich deutliche Bahnungseffekte für entspannungskongruente Wörter sowie Hemmeffekte für entspannungsinkongruente Wörter. Messungen der Reaktionszeiten bei einer Kontrollgruppe ohne Entspannungsinduktion ergaben keine signifikanten Effekte. Entspannungsverfahren bahnen den Zugriff auf entspannungskongruente Inhalte wie beispielsweise „ruhig“ und hemmen den Zugriff auf semantische Inhalte, die mit dem Zustand der Entspannung nicht vereinbar sind („kalt,“ „hart“),.
Interessanterweise wurde kein Unterschied zwischen den beiden Verfahren AT und PMR gefunden. Da der Zugangsweg zur Entspannung beim AT ein verbaler ist (Sprechformeln), wohingegen bei der PMR ein körperlicher Zugang (Muskelgruppen) gewählt wird, hätte man in einem auf Semantik basierenden experimentellen Verfahren Unterschiede erwarten können. Deren Fehlen macht deutlich, daß die Wirkung der Verfahren nicht über rein kognitive Prozesse, sondern über die Induktion eines bestimmten, offensichtlich einheitlichen, Zustandes vermittelt ist.
In die gleiche Richtung deutet der Befund einer zustandsabhängigen Hemmung entspanungsinkongruenter semantischer Inhalte. Aufgrund der starken semantischen Assoziation zwischen Antonymen (z.B. „warm – kalt“) wäre entweder kein Effekt im Vergleich zur Neutralbedingung zu erwarten gewesen oder aber ein indirekter Bahnungseffekt („entspannt – warm – kalt“). Der deutliche Hemmeffekt läßt sich somit auf der rein semantischen Ebene nicht erklären. Er legen vielmehr nahe, daß der Zustand der Entspannung zu einer Art „emotionalen Tönung“ des semantischen Systems führt.
Literatur: Spitzer, M. (1996). Geist im Netz. Heidelberg: Spektrum.

Poster in der Gruppe Gedächtnis, Mittwoch, 31. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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